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Befreiung im Vertrauen auf Gottes Gnade

von Felizitas Muntanjohl (65549 Limburg)

Predigtdatum : 31.10.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 23. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Römer 3,21-28.(29-31)
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Wochenspruch:

Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. (1. Korinther 3,11)

Psalm: 46,2-8 (EG 725)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 62,6-7.10-12
Epistel:
Römer 3,21-28
Evangelium:
Matthäus 5,1-10 (11-12)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 243
Lob Gott getrost mit Singen
Wochenlied:
EG 341
oder 351
Nun freut euch, liebe Christen g’mein
Ist Gott für mich, so trete
Predigtlied:
EG 289
Nun lob, mein Seel, den Herren
Schlusslied:
EG 320,8
Erhalt uns in der Wahrheit

21 Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. 22 Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: 23 sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, 24 und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. 25 Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher 26 begangen wurden in der Zeit seiner Geduld, um nun in dieser Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, dass er selbst gerecht ist und gerecht macht den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.
27 Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. 28 So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.

Liebe Gemeinde!
Wir feiern an diesem Sonntag zugleich das Reformationsfest, das heißt den Tag, von dem an sich unsere evangelische Kirche entwickelte. Wenn das auch an jenem 31. Oktober durchaus nicht beabsichtigt war, so wurde es doch schließlich zur Notwendigkeit. Denn Martin Luthers Entdeckung an der Bibel war so grundlegend, so unausweichlich reformierend, erneuernd, dass nur die Entscheidung blieb: entweder die Kirche ändert sich – oder der neu wiedergefundene Glaube muss sich eigene Bahnen suchen. Leider reformierte sich die Kirche nicht – und so kam es zur leidigen Spaltung, zu einer reformierten Kirche, die von der bisher allgemeinen Kirche nicht anerkannt wurde.
Aber hier im europäischen Raum breitete sich diese protestierende protestantische Kirche rasch aus. Allzu lang ersehnt waren die Reformen, allzu eifrig gefordert die eigene Verantwortung und Selbständigkeit, allzu gespannt gesucht ein dem Menschen gnädiger Gott.
Und so zog das, was zuerst nur die Entdeckung eines einzelnen, schwer sich plagenden Mönchs war, im Nu weite Kreise. Denn es war im Grunde die Frage vieler:
Wir schaffen und schaffen und schaffen, aber wir kommen nie zur wirklichen Befriedigung. Wir mühen uns unser Leben lang, aber am Ende wissen wir nicht, was uns bleibt und ob nicht doch alles umsonst war.
Damals war das zugleich eine Frage vor Gott: werde ich genug getan haben, um nicht in der ewigen Verdammnis zu landen? Heute ist uns das Schicksal nach dem Tod über lange Jahre nicht so bedrängend: Wer weiß, ob überhaupt danach etwas kommt, vielleicht ist ja dann einfach alles aus. Das kann sich dann ganz schnell ändern, wenn wir plötzlich vor dieser Bedrohung stehen. Wenn wir plötzlich wissen: In Kürze erwarten wir den Tod. Dann kann uns schon das kalte Grausen packen: Was ist danach?
Meist aber halten wir den Glauben daran fern. Aber um nichts weniger, ja sogar noch weit stärker als die Menschen in der Reformationszeit, sind wir getrieben von den Forderungen nach Leistung, hoher Leistung, guter Leistung, besonderer Leistung. Jeder kennt das Wort „Stress“, jeder erlebt das selber, der eine mehr, die andere weniger. Und wer es nicht mehr erlebt, der kommt sich leicht überflüssig und faul vor.
Man muss etwas schaffen, um zufrieden zu sein. Und es gibt auch immer eine Stimme außer uns oder in uns, die uns sagt, was wir tun müssen. Noch besser sauber machen, noch mehr Unkraut beseitigen, noch mehr Bekannte besuchen, noch mehr Briefe schreiben, - euch Konfirmanden fällt bestimmt auch eine Menge ein -. Und das Typische beim Stress ist ja nun, dass wir keine Lust zu der Arbeit haben. Wenn uns Arbeit Freude macht und wir uns selber damit ausdrücken können, dann empfinden wir sie nicht als Stress. Aber wenn wir sie nur machen, weil wir müssen, dann ist sie uns im Nu zuviel. Und dass uns allen so schnell heute unsere Arbeit zum Stress gerät, daran merken wir, dass da etwas nicht stimmt.
So, und nun lassen wir unsere innere Fernsehkamera wieder 300 Jahre zurückwandern in das Turmzimmer, in dem dieser Mönch Martin Luther sitzt und über dem Neuen Testament, vor allem über den Briefen von Paulus, grübelt.
Seit Jahren quält sich dieser Mann damit, alles richtig zu machen. Er weiß, wie er als guter Mönch sein müsste, wie er selbstaufopfernd leben müsste, wie er edel denken müsste. Und er ist ehrlich genug, zu sehen, dass er es nicht tut. Und so geht er beichten, und der Priester spricht ihn los. Aber er lebt danach wieder unvollkommen, wieder bedrückt es ihn, wieder beichtet er, wieder spricht der Priester ihn los. Aber irgendwann wird ihm das Ganze fragwürdig. Zumal ja die Kirche selber auch durchaus nicht vollkommen ist. Ist denn Gott ihm gnädig? Kann Gott ihn annehmen, obwohl er immer wieder sehr menschlich lebt, empfindet und handelt?
Und da entdeckt er im Römerbrief diese Aussage, die er bisher nie verstand: Der Mensch wird gerecht ohne des Gesetzes Werke, also ohne seine Leistung, allein durch den Glauben. Gott spricht uns, wenn wir ihm glauben, zu, dass wir in Ordnung sind. Wir müssen es ihm nicht beweisen. Können wir auch gar nicht. Wir können nie so gut sein, wie wir sein sollten.
Das merken wir ja alle:
* Lieben wir die anderen Menschen wie uns selbst?
* Machen wir die Hungernden satt?
* Teilen wir unsern Besitz mit den Armen?
* Besuchen wir die Gefangenen?
Wir könnten die Liste endlos fortsetzen. Wir wissen, was wir als Christen tun müssten und tun es nicht, können es gar nicht.
Aber – und das ist die große Entdeckung Luthers beim Lesen der Paulusbriefe – das muss uns nicht erdrücken. Gott liebt uns als die schwachen Menschen, die wir sind, als die unvollkommenen und sogar schlechten Menschen, die wir sind. Wir müssen nicht sein wie Christus. Wir können zu uns selber Ja sagen, weil Gott in diesem Jesus zu uns Ja sagte.
So – und damit sieht alles anders aus. Erst mal: Wir sind frei. Gott hat uns befreit. Jetzt kann kein Mensch mehr zwischen uns und Gott stehen. Da kann es keinen Papst mehr geben, der uns sagt, was wir zu tun und zu glauben haben. Wir stehen direkt vor Gott. Und wir hören nur auf Gottes Wort in der Heiligen Schrift. Kein anderer hat für uns mehr zu sagen als Gott selber.
Da kann es auch keinen Priester mehr geben, der im Namen Gottes die Ewigkeit verwaltet. Das kann nur Gott selber. Und wir können darauf vertrauen, dass Jesus auch für uns genug getan hat. Da müssen wir nicht diese oder jene Tat dazutun, um in Ordnung zu sein. Gott sagt, wir sind es – das reicht.
Das war eine ungeheure Freiheit, die Luther darin aufgegangen ist. Er selber schreibt: „So wurde mir diese Stelle des Paulus wahrlich zur Pforte des Paradieses.“ Von daher gewann er die Kraft, standhaft zu bleiben. Er wusste, das er nun nur noch vor Gott steht und vor keinem anderen sich zu ducken braucht.
Diese protestantische Freiheit ist es auch, die die Freiheit heute erst möglich gemacht hat. Pressefreiheit und demokratisches Bewusstsein, die Gewissensentscheidung des Einzelnen – auch was den Kirchgang betrifft – und die Gleichberechtigung der Frau, all das ist eng verknüpft mit dem protestantischen Denken. Unsere Kultur ist nicht mehr vorstellbar ohne diese Geschichte.
An diesem unserem Glaubensgrund wird sich – so denke ich – auch die Gestaltung unserer Zukunft entscheiden:
Wir sind von Gott in unserer Unvollkommenheit angenommen – lassen wir uns nicht von der Forderung nach Vollkommenheit dauernd in Stress bringen.
Wir sind direkt vor Gott bestellt: -
Kein Mensch hat uns zu bestimmen,
der nicht mit Gottes Willen übereinstimmt!
So sind wir frei und geborgen zugleich. Darum können wir froh sein über unseren Glauben. Das stärkt uns für unser Tun. Amen.

Verfasserin: Pfrn. Felizitas Muntanjohl, Theodor-Bogner-Straße 20, 65549 Limburg

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