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Befreiung im Vertrauen auf Gottes Gnade

von Ulrich Kiethe (07545 Gera)

Predigtdatum : 31.10.2018
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 31. Oktober - Gedenktag der Reformation (Reformationsfest)
Textstelle : Galater 5,1-6
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Wochenspruch: Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus (1. Korinther 3, 11)

Psalm: 46, 2 - 8

Lesungen

Reihe I: Matthäus 5, 2 - 10 (11 - 12)
Reihe II: Römer 3, 21 - 28
Reihe III: Matthäus 10, 26 b - 33
Reihe IV: Galater 5, 1 - 6
Reihe V: Jesaja 62, 6 - 7. 10 - 12
Reihe VI: Philipper 2, 12 - 13

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 362 Ein feste Burg ist unser Gott
Wochenlied: EG 351 Ist Gott für mich, so trete
Predigtlied: EG 346 Such, wer da will, ein ander Ziel
Schlusslied: EG 388, 6 O Durchbrecher aller Bande

Predigttext Galater 5, 1 – 6

Freiheit in Christus

1 Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!

2 Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so wird euch Christus nichts nützen.

3 Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist.

4 Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, aus der Gnade seid ihr herausgefallen.

5 Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die wir hoffen.

6 Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbe-schnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.

Liebe Gemeinde,

neulich wurde eine Pfarrerin von einem jungen Paar angesprochen. Die beiden wollten ihr Kind taufen lassen. Das ist schön, über so eine Anfrage freut man sich. Die Pfarrerin lud die beiden zum Gespräch ein, fragte nach ihrem Gemeindebezug, nach ihrer Familie. Es stellte sich heraus, dass sie beide zu keiner Kirche gehörten, auch nicht vorhatten einzutreten, auch keine Freunde oder Verwandten als christliche Paten benennen konnten, die einmal für eine christliche Erziehung des Kindes sorgen könnten. Aber man wüsste ja nie, ob es dem Kind nicht irgendwann von Nutzen sein könnte getauft zu sein, schaden könne es doch jedenfalls nicht, oder?

Was macht man mit so einer Anfrage? Ich möchte jetzt nicht die kirchenrechtlichen oder seelsorgerlichen Aspekte der Kindertaufe mit Ihnen erörtern. Aber mir scheint eine solche Haltung typisch zu sein für unsere Zeit: Es gibt offenbar ein großes Bedürfnis, sich nach allen Seiten und auf allerlei Weise abzusichern. Und dabei werden sogar Dinge mitgemacht oder in Kauf genommen, an die man selbst gar nicht - oder jedenfalls nicht so richtig - glaubt. Man möchte alles richtig - oder jedenfalls nichts falsch - machen und nichts verpassen, was eventuell von Nutzen sein könnte.

Das trifft zum Beispiel auf das Thema Gesundheit zu. Ich habe nichts gegen Sport und gesunde Ernährung, aber dann empfiehlt die Werbung noch dieses Zusatzpräparat und jene neue Kur und dann diese ganz geniale neue Technik, mit der jeder Körper wieder fit wird. So etwa kann man doch unmöglich unversucht lassen.

Auch im Bereich der seelischen Gesundheit, der Tagesgestaltung und der Lebensentscheidungen gibt es solche Angebote: Das Horoskop stimmt zwar nicht immer, aber manchmal doch, und es zu lesen, kann doch nicht schaden.

Auch Menschen in unseren Gemeinden richten sich nach dem Mond und den Sternen, nach Wasseradern, Pendeln, Schwingungen, Energien, Steinen oder Zahlenmystik.

Ich will das alles nicht verteufeln. Vielleicht gibt es sogar hier und da Zusammenhänge, die unser wissenschaftliches Weltbild bisher nicht erfassen konnte. Was mir deutlich wird, ist dieses unbändige Suchen nach Sicherheit, dieses Sich-Klammern an Strohhalme, von wo auch immer sie mir hingehalten werden. Und das ist offensichtlich nicht neu. Auch Paulus hat-te mit solchen Menschen zu tun:

Er hat Gemeinden gegründet in Galatien, in der heutigen Türkei. Die Menschen waren vorher keine Juden gewesen, sondern hatten wahrscheinlich anderen Religionen oder Philosophien angehangen. Er hat sie mit seiner Botschaft von Jesus Christus überzeugt. Sie werden Christen, und sie werden Christen, ohne vorher zu Juden zu werden, d. h., die Orientierung an der Lehre Jesu geht nicht damit einher, dass sie auch die rituellen und kultischen Gebote des Judentums wie Beschneidung, Sabbat und Speisegebote übernehmen.

Das geht eine Weile gut. Und dann kommen andere Wanderprediger oder Missionare, die wahrscheinlich als Juden großgeworden waren und sich nicht vorstellen konnten, dass man Christ sein kann, ohne zuvor und zuerst und zugleich Jude zu sein, also das Gesetz in allen Teilen zu halten. Sie setzen den Galatern zu. Und die geben nach: Was solls?! Im Zweifel machen wir das eben auch noch mit, es wird ja zumindest wohl nicht schaden.

Jetzt kommt Paulus auf den Plan. Und er wird sehr leidenschaftlich: Ein bisschen Gesetz gibt es nicht. Wenn ihr euch darauf einlasst, dann müsst ihr es ernst nehmen und euch seinem Anspruch stellen und alles einhalten und nicht nur das, was ihr euch herauspickt. Überlegt euch das gut, denn die Freiheit, die ich euch gepredigt habe, die habt ihr dann nicht mehr.

Wir erleben das ja auch mit Menschen, die ihr Leben nach so vielen esoterischen Kriterien ausrichten: Sie können dies nicht essen und vertragen das nicht, eigentlich geht nur jenes, was von weit her und teuer beschafft werden muss. Der Tag heute ist nicht gut für den Garten oder den Frisör oder den Arztbesuch. Und diese zwei Menschen passen überhaupt nicht zusammen und jene Person muss ich meiden. Das macht ganz schön unfrei. Da kommt wenig Freude auf und kaum entspanntes Genießen.

Das Christsein dagegen ist nach Paulus - bei allem Ernst - ein Leben in Freiheit.

Jesus selbst war solchen unfreien Menschen begegnet, Menschen, die sich selbst unfrei machten, und solchen, die andere unfrei machten. Den Pharisäern, die seine Jünger kritisieren, weil sie am Sabbat Ähren ausraufen, sagt er, dass nicht der Mensch um des Sabbats willen, sondern der Sabbat um des Menschen willen gemacht ist (Mk 2, 24ff.). Die um ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen Sünden von anderen ausgegrenzten Aussätzigen, Prostituierten und Zöllner holt er wieder in die Gesellschaft zurück. Und im Gleichnis von Pharisäer und Zöllner misst er die beiden nicht an ihren aufweisbaren Guttaten, sondern an ihrer Haltung zu sich selbst und zu Gott (Lk 18, 10ff.).

Bei Jesus ist klar: Gott will das Gute, aber wir können uns unseren Platz bei Gott nicht durch noch so viele gute Taten erarbeiten, und wir brauchen es auch nicht. Seine Liebe gilt allen Menschen. Und so kann auch keiner durch noch so große Schuld und Verfehlung aus seiner Hand fallen. Der Ehebrecherin sagt er: „Sündige hinfort nicht mehr“ (Joh 8, 11) und Zachäus gibt freiwillig vierfach zurück, womit er andere betrogen hat (Lk 19, 8).

Vor so viel Freiheit hatten andere Angst. Sie fürchteten, dass alles ins Rutschen kommt, dass Chaos ausbricht, wenn nicht mehr alles geregelt ist, wenn nicht mehr klar ist, wer gut ist und wer böse. Deshalb sahen sie Jesus lieber am Kreuz, als sich ihm anzuschließen. Aber er ließ sich nicht beirren: Vertraut auf Gott und macht euch nichts vor über euch selbst. Das hielt er durch. Auch als es um sein Leben ging. Das machte ihn frei und ließ ihn über seine Henker triumphieren.

In dieser Freiheit dürfen wir Jesus nachfolgen. Er lädt uns dazu ein. Und Paulus als spätbekehrter Missionar stellt sich ganz in den Dienst dieser Einladung. Unermüdlich durchzieht er das Römische Reich und wirbt dafür, ganz auf Jesus zu setzen, auf das, was wir von Jesus über Gott lernen können.

Wirklich frei werden wir freilich erst, wenn wir uns ganz auf Christus verlassen. Wenn wir das Geschenk der grenzenlosen Liebe Gottes wirklich annehmen, es an uns heranlassen, wenn wir Gott so grenzenlos vertrauen, wie es Jesus uns vorgelebt hat. Solcher Glaube kann Berge versetzen.

„Ein bisschen hier und ein bisschen da“ hilft uns dagegen nicht weiter. „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes“, stellt das Lukasevangelium nüchtern fest (Lk 9, 62). Und Petrus, der schon übers Wasser lief, begann zu sinken, als er erschrak und zweifelte (Mt 14, 29ff.).

Solch grenzenloses Vertrauen fällt also nicht nur Menschen heute schwer, das war auch zu Zeiten von Jesus und Paulus so. Zu vielfältig sind die Bedrohungen, zu groß unsere Äng-ste, zu schwach unser Vertrauen, zu stark unsere Zweifel. Das ist unsere Realität.

Christlicher Glaube macht hier ein Angebot. Es heißt nicht: Du musst nur genug glauben, dann hast du keine Angst und keine Zweifel mehr. Es ist eine Einladung, sich ganz auf Gottes Zusage einzulassen, dass Gott mein Leben will und hält und trägt, dass ich geliebt bin und in Ordnung, so wie ich bin. Man kann niemanden zwingen, das zu glauben. Diese Wahrheit kann jeder Mensch nur für sich selbst annehmen, und manchmal müssen dafür erst viele Hürden weggeräumt werden. Aber die Einladung besteht, die Erlösung ist schon geschehen.

Für diese Einsicht hat Luthers Reformation, an die wir uns heute erinnern, im Anschluss an Jesus und Paulus begeistert gestritten. Ja, Luther selbst hat aus dieser Einsicht heraus eine große innere Freiheit erfahren. Weder Papst noch Kaiser noch die Angst um das eigene Leben haben ihn hier aufhalten können.

Solche innere Freiheit, solchen Mut wünschen wir uns manchmal, denn auch heute, um uns herum ist Freiheit immer wieder bedroht. Nicht nur durch Diktatur, Krieg, Gewalt und wirtschaftliche Not, auch durch subtilere Mechanismen in unserer äußerlich ziemlich freien Welt: durch gesellschaftlichen Druck, Schönheitsideale, Geschlechterrollen, Konkurrenzdenken, unhinterfragte „Wahrheiten“ wie das Recht des Stärkeren oder die Meinung, Geiz sei geil und Steuertricks seien legal. Wir selbst verraten die Freiheit, wenn wir uns scheuen, Verantwortung zu übernehmen, und unserer Sehnsucht nachgeben, ein anderer möge uns sagen, was zu tun ist.

Wir Christinnen und Christen sind zur Freiheit berufen, und Christus hat uns befreit. Um sich dessen zu vergewissern, dazu trifft sich Gemeinde im Gottesdienst. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich ganz auf Gottes Angebot einlassen können und frei und getröstet in Ihren Alltag gehen.

Amen

Fürbittengebet

Zur Freiheit hast du uns befreit. So bitten wir dich, lass uns den Atem der Freiheit heute spüren und immer von neuem empfangen.

Hilf uns, die Freiheit, die du uns schenkst, verantwortlich zu gestalten und nicht auf Kosten anderer zu leben.

Schenke uns genug Phantasie, die Freude an der Freiheit mit den Glaubensgeschwistern aus anderen Konfessionen zu teilen.

Stärke in uns den Mut, denen in Freiheit zu begegnen, die anders denken und anders glauben als wir.

Schenke eine Ahnung von Freiheit denen, die sich absichern müssen, gefangen in allen möglichen Befürchtungen.

Wecke die Sehnsucht nach Freiheit bei denen, die nur in zwanghaften Ordnungen Halt suchen.

Geleite die in die Freiheit, die gefangen sind in einer ungerechten Wirtschaftsordnung.

Steh besonders den Kindern bei, die als Arbeitssklaven missbraucht werden.

Wie du dein Volk in die Freiheit geführt hast, so lass auch die Menschen die Freiheit sehen, die leiden und Krieg und Terror.

Zu Freiheit hast du uns befreit.

Lass das wahr werden für alle Menschen.

Amen

Verfasser: Dipl. theol. Ulrich Kiethe, Persönlicher Referent des Regionalbischofs, Zabelstr. 2, 07545 Gera


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