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Dabeisein ist alles

von Andreas Rose (64380 Roßdorf)

Predigtdatum : 08.06.1997
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Lukas 14,(15).16-24
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Wochenspruch: Christus spricht: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. (Mt. 11,28)

Wochenlied: EG 250 oder 363

Liebe Gemeinde!

Dabeisein ist alles!' Bloß nichts verpassen, jede Gelegenheit nutzen. Es könnte sonst sein, daß ich mir etwas entgehen lasset um das es mir nachher sehr leid tut.

Dabeisein ist alles: Das kann auch ganz anders gemeint sein. Ich geh' halt mal hin, ich lasse mich mal blicken. Und wenn es nur für eine halbe Stunde ist. Hauptsache, ich war da. Ich seh' dann schon zu, wie ich möglichst schnell wieder die Kurve kriege.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie eingeladen sind? Da steigt eine Fête, findet ein Familienfest statt oder eine Betriebsfeier; vielleicht auch ein Fest mit offiziellem Charakter, ein Jubiläum, eine Eröffnung, ein Klassentreffen - denken Sie sicht was Ihnen gerade einfällt. Sie sind eingeladen. Was empfinden Sie?

Sie freuen sich auf das Fest. Sie werden Menschen treffen, die Sie gern haben, die Ihnen wichtig sind, die sie schon länger nicht mehr gesehen haben. Sie haben sich gut überlegt, was Sie mitbringen werden und stellen sich die überraschten Gesichter vor. Sie freuen sich auf die Umarmung bei der Begräßung, auf einen guten Wein, auf einen Tag, der den Alltag mal ganz vergessen läßt.

Oder geht es Ihnen anders?

Schon wieder ein Fest. Was soll ich anziehen? Was soll ich kaufen, um nicht mit leeren Händen zu kommen? Und dann die vielen Leute da: Die Hälfte kenne ich nicht, bei anderen weiß ich jetzt schon, wie sie mir auf die Nerven fallen. Alberner Small Talk, Witze unter der Gürtellinie, jeder versucht irgendwie anzugeben mit dem, was er erlebt hat. Wenn es nur schon vorüber wäre.

Kann auch sein, daß Sie denken:

Eigentlich wär's ja ganz nett. Es wird bestimmt schön. Wenn da bloß nicht dieser Termin im Weg wäre! Aber der ist nun mal wichtig. Und zu verschieben geht es nicht. Aber die Einladung kommt ja wieder. Für diesmal muß ich mich entschuldigen. Sie werden es verstehen, ich habe ja einen guten Grund.

Ja, liebe Gemeinde; das ist so richtig mitten aus dem Leben gegriffen: Es ist nicht so einfach mit den Einladungen. Eigentlich sollte es uns nicht schwerfallen, uns in diejenigen hineinzuversetzen, die mit einer Einladung so ihre Schwierigkeiten haben.

Auf der anderen Seite könnte ich ja aber auch mal den Versuch machen, den Gastgeber zu verstehen, dem eine Entschuldigung nach der anderen ins Haus flattert: Einer ist verhindert, weil es um den Kauf eines Grundstücks geht, jemand anderer weil er eine neue Anschaffung für seinen Betrieb über die Bühne bringt, ein dritter, weil es sein Hochzeitstag ist. Alles wirklich triftige Gründe. Aber, so mag sich der Gastgeber vielleicht doch fragen, muß das alles denn gerade auf diesen Tag fallen? Habe ich nicht rechtzeitig genug eingeladen und auch noch mal an die Einladung erinnert?

Und da kann er sich des Verdachtes nicht völlig erwehren, daß manch einem der Gäste sein Entschuldigungsgrund gerade recht ist; um nicht zu sagen: Der eine oder andere benutzt einen Vorwand, um sich drücken zu können.

Der Verhinderungsgrund mag noch so triftig sein: Die Enttäuschung über eine Absage ist verständlich und zutiefst menschlich. Es ist ein häufig anzutreffendes Thema beim Besuch alter Menschen zu ihrem Geburtstag: Mindestens ebenso wichtig wie die Freude über die Anwesenden ist das Gespräch über die Abwesenden. Da werden dann Fotos gezeigt von der Enkelin, die in der Abschlußprüfung steckte, vom Schwiegersohn, der so weit weg wohnt, und von der Schwester, die krank ist. Die Enttäuschung sitzt tief bei allem Verständnis.

Oder in unserer Geschichte, die Jesus erzählt, sogar der Unmut der Gastgebers: Richtig zornig wird er irgendwann, als noch eine und noch eine Absage ihn erreicht, so daß er schließlich sagt: Jetzt habe ich mich so gefreut und mit Hingabe alles vorbereitet, immerhin auch mit beträchtlichem Aufwand: Das soll nicht umsonst gewesen sein. Also telefonieren wir schnell ein wenig herum und schauen, wer spontan Lust hat, mit mir zu feiern. Sollen die anderen bleiben, wo der Pfeffer wächst. Wir werden's uns schon irgendwie gemütlich machen.

Nicht nur das Beispiel mit der Einladung zum festlichen Abendessen ist mitten aus dem Leben gegriffen, sondern auch das, was Jesus mit dieser Geschichte deutlich machen möchte: Gottes Einladung gilt allen Menschen, aber gerade denen, die sich ihm besonders nah fühlen, kommt sie oftmals ungelegen. Mit weiten Armen möchte Gott die Menschen bei sich empfangen und begrüßen, mit ihm und bei ihm soll das Leben ein Fest sein: Ich weiß das, und trotzdem habe ich soviel anderes im Kopf. Oder, genauer gesagt: Das, was mich beschäftigt, was mir unheimlich wichtig ist, mir schlaflose Nächte bereitet, sei es aus Freude oder aus Sorge, das lenkt mich von Gott ab. Meine Familie, mein Beruf, mein Konto, mein Hobby, meine Gesundheit: Alles nimmt mich voll in Beschlag. Was wird aus meinem Arbeitsplatz? Wie lange tut's das Auto noch? Wohin mit den Kindern, wenn wir beide arbeiten müssen? Wo buchen wir den nächsten Urlaub? In welche Schule soll die Tochter nach dem Wechsel gehen? Was wird aus unserer Rente?

Die Reihe der Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen. Was ich sagen will: All das ist mehr oder weniger wichtig. Jeder trägt Verantwortung, und jeder möchte das Leben genießen. Darum sind wir so beschäftigt. Aber: Ist denn all das, womit wir uns auslasten und uns von Gott ablenken lassen, an sich etwas schlechtes? Was uns ausfüllt, uns Freude macht oder einfach getan werden mußt - ist das denn gegen Gott gerichtet? Muß es denn so sein, daß ich mich zu entscheiden habe zwischen Gott und meiner Wohnung, zwischen Gott und meiner Familie, zwischen Gott und meinem Hobbies, zwischen Gott und meinem Beruf?

„Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott", sagt Martin Luther, und er bringt mich damit auf die Spur, wie Jesus es mit seiner Beispielgeschichte meint. Gleichzeitig denke ich an den Satz aus dem Lukasevangelium, der uns als Losung, als Motto dieses Jahres aktuell begleitet: 'Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?'

Ganz sicher möchte Jesus uns zum Nachdenken anregen, wie wir es mit der Einladung Gottes halten, und dabei können wir entdecken: Alles, was uns am Leben hält und unserem Leben Inhalt und Sinn gibt, haben wir doch letztlich nur Gott zu verdanken! Alles, was wir kennen, was wir schaffen und uns leisten, was wir zuwege bringen und worauf wir stolz sind, ist doch Gottes gute Gabe. Seine Einladung und unsere Verhinderungsgründe brauchen überhaupt nicht im Widerspruch zueinander zu stehen. Das Leben leben als ein Fest mit Gott, der uns dazu einlädt, heißt garnicht, auf alles mögliche verzichten zu müssen, sondern Gott nicht außen vor zu lassen, ihn als den Geber aller Fähigkeiten und Gaben zu erkennen und ihn in alles, was mich beschäftigt, mit einzubeziehen. Die Einladung Gottes anzunehmen; heißt nicht, alles stehen und liegen zu lassen, sondern ihn in Verbindung zu bringen mit den großen und kleinen Freuden und Verpflichtungen, die in meinem Kalender stehen oder mich dauerhaft begleiten.

Freilich, es hat immer wieder Menschen gegeben, und es gibt sie heute noch, die sich von Gottes Einladung in einer Weise betroffen fühlen, daß sie unter ihr ganzes bisheriges Leben einen Schlußstrich ziehen und sich ganz direkt und unmittelbar als Gottes Mitarbeiter engagieren lassen. Die Bibel erzählt von solchen Menschen immer wieder; die bekanntesten sind wohl die Jünger, die sich von ihren Fischernetzen, von ihrer Arbeit und ihrer Familie wegholen lassen, um mit Jesus mitzugehen. Das kann nicht für alle der richtige Weg sein. Nur unter eines werde ich dennoch den Schlußstrich ziehen, wenn ich Gottes Einladung folge: Unter meinen Irrtum, ich hätte alles, worauf ich stolz sein kann, aus eigener Kraft erreicht. Unter meinen Irrtum, ich hätte auf alles, was ich brauche, einen selbstverständlichen Anspruch. Unter meinen Irrtum, ich müßte alles, was mich belastet, ganz allein bewältigen. Nein, Gott gibt die Kraft zur Leistung und zum Erfolg. Gott gibt das tägliche Brot, und Gott läßt mich mit meinen Sorgen nicht im Stich.

Also, nicht alles stehen und liegen lassen ist das, was Gott mit seiner Einladung bewirken möchte. Aber die Einstellung zum Leben ändert sich. 'Dabeisein ist alles' heißt dann nicht mehr: Bloß nichts verpassen. 'Dabei sein ist alles' heißt dann: Mit Gott zu leben ist das, worauf es ankommt. In allen Freuden, Sorgen und Entscheidungen mit ihm zu rechnen, das ist alles. Und so weist ja Gottes Einladung weit über unsere Gegenwart hinaus: Das Leben mit Gott ist nicht ein Fest, das irgendwann mit einem Kater endet. Gott lädt ein zu einem Fest, das einmal in die zukünftige Vollkommenheit seines Reiches münden wird, in der uns nichts mehr von ihm zu trennen vermag. Dabeisein ist alles, möchte Jesus uns wissen lassen, und er denkt dabei besonders auch an das, was uns über das Ende der Zeit hinaus auf Gottes Fest erwartet.

Amen.

Liedvorschläge:

EG 166 / 363 / 328 / 555 / 426 / 623

Pfr. Andreas Rose

Nordhäuser Str. 33

64380 Roßdorf


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