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Das Geheimnis der Herkunft

von Doris Joachim (Zentrum Verkündigung der EKHN)

Predigtdatum : 24.12.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Heiligabend (Christvesper)
Textstelle : Lukas 2,1-14.(15-20)
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Wochenspruch:

"Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit." (Johannes 1, 14 a)

Psalm: 2

Lesungen

Altes Testament: Jesaja 9, 1 - 6

Epistel: Titus 2, 11 - 14

Evangelium: Lukas 2, 1 - 14 (15 - 20)

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 36, 1 -3. 6 + 7 Fröhlich soll mein Herze springen

Wochenlied: EG 37, 1 - 4 Ich steh an deiner Krippen hier

Predigtlied: EG 24, 1 - 6 Vom Himmel hoch

Schlusslied: EG 44, 1 - 3 O, du fröhliche

„Fürchtet euch nicht“, sagt der Engel zu den Hirten. Fürchtet euch nicht. Die Hirten fürchten sich nämlich sehr. Kein Wunder. Denn das ist kein niedlicher Engel mit Pausbäckchen, was sie da sehen. Der Engel Gottes tritt zu ihnen, stellt sich einfach vor sie und glänzt mächtig. Das muss eine gewaltige Erscheinung sein. Taucht da aus dem Nichts auf, bringt die Klarheit Gottes mit und hüllt die Hirten damit ein. Das mit der Klarheit Gottes muss man sich als sehr, sehr helles Licht vorstellen oder als Feuerglanz. Oft übersetzt man das griechische Wort, das da steht, mit „Herrlichkeit“ oder „Ehre“ Gottes. Die Hirten bekommen es hier mit Gott selbst zu tun, in Gestalt dieses Engels. Der scheint einen Sinn für Dramatik zu haben. Oder der, der das alles aufschreibt, der Evangelist Lukas. Der will beeindrucken, Gefühle locken, bei den Hirten und auch bei seinen Leserinnen und Lesern. Das machen gute Autoren so. Auf mich wirkt es jedenfalls.

(mit gehobener Stimme sprechend:) „Fürchtet euch nicht. Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren.“ (mit eher nachdenklicher Stimme wiederholend:) Denn euch ist heute der Heiland geboren. Mit diesem „Denn“ trete ich hinzu, zu diesen Hirten auf dem Feld. Lass mich einhüllen in den Glanz Gottes. Lass mich ergreifen von der Furcht – und von der Freude. Mysterium tremendum nennt man sowas. Ein Geheimnis, das einen erschauern lässt, das einen ergreift und Gänsehaut macht. Furcht und Freude gleichzeitig. Das gibt es. Das bringt Menschen in Be-wegung. So wie die Hirten. Die machen sich sofort auf und gucken nach, ob das denn alles wirklich so ist. Ob da ein Wickelkind in einer Futterkrippe liegt. Und ob das der Retter ist. Und ich laufe mit ihnen in diesen Stall, gucke auch nach. Sehe ein Baby und bin berührt wie die Hirten. Ich spüre: Zu diesem „euch“ gehöre ich auch. Euch, uns, mir ist der Heiland geboren. Allem Volk, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Mysterium tremendum – Furcht und Zittern, Freude und Bewegung. Warum diese Dramatik? Wieso muss der Engel einen so erschrecken, wenn er doch Freude verkündigen will? Vielleicht, weil das zusammengehört: So eine mächtige Erscheinung – und das neugeborene Kind armer Leute. Weihnachten ist nicht rührselige Dekoration. Nicht nur Lebkuchen, sondern auch Schwarzbrot. Nicht nur Kerzenschein, sondern auch der Feuerglanz Gottes, der gestandene Männer erschauern lässt. Die Herrlichkeit Gottes zu spüren – das kann einen zum Zittern bringen. Gott wird ein Kind – das bringt das Herz zum Springen. Ich glaube: Der Engel muss deswegen so mächtig auftreten, um alle Missverständ-nisse auszuschließen. Dies Kind ist nicht ohnmächtig und hilflos. Von diesem Kind geht eine Macht aus. Und zwar eine solche, die ganz anders ist als die Macht, die wir sonst kennen. Die gewaltlose Macht des Christus, die Könige auf die Knie bringt. Und wie geht das?

Eigentlich wissen wir es, wenn wir auf uns selbst schauen. In diesem Kind spricht Gott uns an, die ganz tiefen Schichten unserer Seele. Weihnachten lockt unsere Gefühle hervor. Freude, Weichheit, Rührung. In der Heiligen Nacht sind wir oft dünnhäutig, durchlässiger als sonst. Auch für die we-niger schönen Gefühle. Da spürt man die Einsamkeit viel mehr als sonst. Oder die Angst vor dem Streit, wenn die Fa-milie zusammenkommt. Da ist man sich so nah, wie sonst selten. Für manche ist das Stress. Viele spüren an Weihnachten diese Sehnsucht besonders: dass Frieden ist und Gerechtigkeit, dass alles gut wird, dass die Menschen freundlich sind, dass sich der Himmel und die Herzen öffnen. Und oft passiert das auch, an heiligen Abenden wie heute. Leuchtende Augen, bei Kindern wie Erwachsenen.

Oft tun wir das als kindisch ab. Oder als kitschig. Wozu die Rührseligkeit alle Jahre wieder? Dieses hilflose Kind in der Krippe verführt nur dazu, dass Menschen die Realität nicht mehr wahrnehmen. Aber ich glaube, das stimmt nicht. Die Sehnsucht nach Frieden ist groß. Gott hat sie uns ins Herz gegeben. Und: Gott spricht sie an, mit diesem Kind in der Krippe. Lockt sie hervor, damit wir sie stillen. Damit wir in Bewegung kommen und dafür sorgen, dass diese Welt heller wird und freundlicher. Das ist die Macht des Kindes im Stall.

Dazu will ich Ihnen etwas erzählen:

Eine junge Mutter hat ihr Baby im Arm und will gerade etwas aus dem Keller holen. „Da, halt mal so lange.“ Sie legt ihrem verdutzten Nachbarn das Kind in den Arm. Der hat noch nie ein Baby gehalten. Überhaupt ist der verschlossene Mann nicht gerade ein Kindernarr. Und jetzt liegt da ein Bündel Mensch in seinem Arm. 52 cm lang. Was für eine Verantwortung! Dass es nicht runterfällt! Dass er es nicht kaputt macht! Dass es sich wohlfühlt!

An Weihnachten feiern wir, dass Gott sich uns in die Arme legt. Als kleines, hilfloses Kind. Was für eine Verantwortung! Ob Gott sich wohlfühlt? Wie hält man ein Kind am besten? Bloß aufpassen, dass der Kopf gestützt wird! Dem Nachbarn werden die Arme schwer. Das Gewicht des Kindes – als trüge er die ganze Welt. Dann sieht er dem schlafenden Kind ins Gesicht. Seine Augen fühlen sich feucht an. Er ist gerührt. Auf eine Art, die er sich sonst selten erlaubt. Er fühlt sich, als trüge er den Frieden der ganzen Welt. Ein Kind öffnet das Herz eines Menschen, einfach dadurch, dass es da ist. Christus öffnet die Herzen der Menschen, einfach dadurch, dass er da ist. In seiner Hilflosigkeit steckt eine Macht, der wir uns kaum entziehen können.

Sowas Ähnliches haben einige Soldaten heute vor hundert Jahren erlebt, im 1. Weltkrieg, Weihnachten 1914, an der Westfront. Die Engländer haben einen besonderen Plan: Zuerst wollen sie die Deutschen in ihren Schützengräben mit Gesang schläfrig machen. Dann wollen sie einen Angriff starten. Nach dem ersten Weihnachtslied machen sie eine Pause. Plötzlich hören sie ein Weihnachtslied aus den deutschen Gräben aufsteigen. Und die Deutschen beginnen herüberzurufen: „Frohe Weihnachten, Engländer, wir schießen heute nicht.“ Die Engländer stoppen die Vorbereitungen für den Angriff. Sie rufen ähnliche Botschaften zurück. Sie möchten nicht mehr töten, die Deutschen auch nicht. Deutsche und Engländer wagen sich heraus aus ihren Gräben. Sie stellen Weihnachtsbäume auf. Sie zünden Kerzen an, zusammen mit dem Feind. Sie singen, sie schütteln sich die Hände, sie spielen Fußball miteinander. An anderen Abschnitten der Westfront passierte Ähnliches, auch mit den Franzosen. Über mehrere Tage hinweg. Die Generäle konnten es nicht verhindern.

Der Krieg ging trotzdem weiter. Aber das gab es eben auch: Gestandene Männer ließen sich anrühren von dem Kind in der Krippe. Auf den Schlachtfeldern die Klarheit Gottes und Engel, die sagen: Fürchtet euch nicht, ihr Franzosen, ihr Engländer, ihr Deutsche. Fürchtet euch nicht, ihr Menschen hier in der N.N.-Kirche! Denn euch ist heute der Heiland geboren.

Verfasserin: Pfarrerin Doris Joachim

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