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Das Geheimnis der Herkunft

von Winfried Anslinger (Homburg)

Predigtdatum : 24.12.2017
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Heiligabend (Christvesper)
Textstelle : Jesaja 9,1-6
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Wochenspruch:

"Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit." (Johannes 1, 14 a)

Psalm: 2



Lesungen

Reihe I: Lukas 2, 1 - 14 (15 - 20)

Reihe II: Titus 2, 11 - 14

Reihe III: Johannes 3, 16 – 21

Reihe IV: Jesaja 9, 1 - 6

Reihe V: Johannes 7, 28 - 29

Reihe VI 1. Timotheus 3, 16



Liedvorschläge

Eingangslied: EG 27 Lobt Gott, ihr Christen alleg-leich

Wochenlied: EG 23 Gelobet seist du, Jesus Christ

Predigtlied: EG 54, 1 - 3 Hört der Engel helle Lieder

Schlusslied: EG 46, 1 - 3 Stille Nacht, heilige Nacht



Predigttext Jesaja 9, 1 – 6

Der Friedefürst wird verheißen

1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.

2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.

3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ih-rer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians.

4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn daher geht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.

5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst;

6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth.





Liebe Gemeinde,



ein Kind kommt auf die Welt. Wer freut sich da nicht?

Die Eltern werden beglückwünscht, alle Verwandten wollen es sehen, man beugt sich über die Wiege und macht „Hei-teitei.“ Bei der Tauffeier senken sich segnende geistliche Hän-de über‘s Familienidyll, anschließend geht es zum Fünf-gangmenu ins Restaurant. Welches Bild kann mehr Glück ausdrücken als ein Tauf-Erinnerungsfoto mit Baby auf dem Arm?



Durch diese Glücksanmutung ist auch Weihnachten zum Fa-milienfest geworden. Das heutige Baby liegt zwar unbequem im zugigen Stall auf Heu und auf Stroh und Josef steht ein wenig unbeholfen herum, weil er im Smalltalk mit gekrönten Häuptern nicht so geübt ist. Doch um die Weihnachtskrippe gruppiert sich zweifellos eine Idealfamilie mit Haustieren und viel Besuch. Und da der Sohn sich bald als hochbegabt her-ausstellen wird, bleibt eigentlich kaum ein Wunsch offen. Weihnachten strahlt Glück, Zufriedenheit, Geborgenheit aus. Selbst wenn es draußen Stein und Bein gefroren hat, der Wind am Laden rüttelt - davon wird alles nur noch gemütli-cher.



Jesaia konnte das alles nicht wissen, als er 500 Jahre vor der Geburt zu Bethlehem seine Weissagung zu Papier brachte. Erstaunlich, dass auch er schon ein Kind ins Spiel bringt. Das Kind, von dem er spricht, scheint gleichfalls bedeutsam zu sein, das erkennen wir auch ohne Engelschor - ein Kind, von dem viel abhängt.



Was kann von einem Kind abhängen? Schaut mal, was unse-re Lara schon alles kann! Im Kindergarten lernen die Kleinen schon englisch! Tolles Konzept! Wenn das Kind in der Schule dann aber nicht die erwarteten Einser bringt, bricht für man-che Eltern eine Welt zusammen. Sie fühlen sich persönlich beleidigt und ziehen gegen Lehrer und Schule zu Feld.



Da wird manchmal zu viel abhängig gemacht von einem Kind, zu hoch waren die Erwartungen. Es hat nicht die Auf-gabe, elterlichen Ehrgeiz zu befriedigen oder Ziele, die seine Eltern nicht schafften, zu erreichen. Kinder sind „Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst“, heißt es in einem bekannten Text.



Und trotzdem: Sind Kinder nicht das größte Glück? Auf das wir alle Hoffnung setzen?

Dem Propheten Jesaia jedenfalls scheinen solche Gedanken nicht fremd. Das Kind, von dem er spricht, meint zwar zu-nächst keine bestimmte Person. Er denkt in Dynastien, in Herrscherfamilien. Für ihn ist das Kind ein Symbol. Wenn ein König einen Sohn hat, dann ist das mehr als ein familiäres Ereignis, denn der Sohn wird einmal sein Nachfolger. Als künftiger Herrscher kann er eine neue Epoche einleiten. Da können sich mit einem neuen Namen große Umbrüche ver-binden. Historische Vorgänge, die von politischen Hoffnungen begleitet sind, die aber auch zu Krieg und Mordio führen können. Tief greift der Prophet in den Farbtopf seiner Phan-tasie, um uns an seinen politischen Visionen teilhaben zu las-sen:



Licht scheint auf im Land der Finsternis. Wie die Morgenröte kommt es über die Berge und strahlt die dunklen Gestalten an, die es zu erwarten scheinen. Wärme löst die Beobachter aus ihrer Erstarrung. Ein ganzes Land steht auf. Tausende erwachen und laufen durch die Straßen.

........

Jubel ertönt, Sprechchöre skandieren. Militärstiefel werden auf Haufen geworfen und angezündet. Die Spitzel und beam-teten Mörder lassen Reißwölfe laufen, doch die fassen die Aktenberge nicht. Mauern werden eingerissen und Wildfrem-de liegen sich in den Armen. Der Guckkastenwelt unseres Fernsehens sind und waren solche Bilder nicht fremd. Auch nicht in ihrer Zwiespältigkeit. Zwischen Hoffnung und Schre-cken und all den Überraschungsmomenten.

Uralt ist Jesajas Vision vom Friedensreich, das urplötzlich anbricht, wenn niemand mehr damit rechnet. Uralt ist aber auch die Vision vom Weltuntergang, den die Menschen selbst verschulden.

.......

Doch Jesaia lässt sich seine Hoffnung nicht kaputt machen von Skeptikern, die sagen: Vorsicht, da kann was passieren! Ach was, das sind Träume! Werden Sie endlich mal wach, stellen Sie sich der Realität!

Nein, sagt er sich. Wenn diese Welt von Gott regiert wird, dann ist nicht alles entschieden. Dann werden immer wieder neue Zeiten anbrechen, wo alles anders wird. Und zwar bes-ser!



In seiner symbolischen Geburtsankündigung drückt sich ein grundlegender Optimismus aus: Ein künftiger Herrscher, von Gott gesandt, wird alles in Ordnung bringen. Es werden spektakuläre Dinge passieren, aber alles geht gut aus. Das Kind, der Hoffnungsträger, ist gerade auf die Welt gekom-men. Er ist mehr als ein Königssohn, der ein politisches Amt ausübt. Er ist ein Weltheiland, der am Ende der Zeit die Welt zurecht bringt. Darum legt ihm Jesaia diese Herrschertitel bei, die uns etwas verwundern: Wunderrat und Gottheld, Ewigvater und Friedefürst.



Römische Kaiser ließen sich ähnlich benennen. Heute gibt es kein Pendant dafür, weil man von der Politik keine Weltret-tung mehr erwartet. Zu oft wurde man enttäuscht, und schaut man genau hin, war schon Kaiser Augustus aus der Weihnachtsgeschichte kein echter Friedenskaiser. Die voran-gegangenen Bürgerkriege hatten 200 000 Menschenleben gekostet.



Der Friedefürst des Jesaja soll demgegenüber ohne Gewalt auskommen. Mit himmlischen Heerscharen herrschen und dem Recht zum Durchbruch helfen. Das ist ungleich mehr, als Menschen in den 2 500 Jahren seither fertiggebracht ha-ben. Aber auch bei Jesu Geburt singen die himmlischen Heerscharen wieder vom Frieden auf Erden. Die Hoffnung lässt sich offenbar nicht auslöschen.



Beide Erwartungen, die des Jesaja und die der Weihnachts-geschichte, enthalten einen tüchtigen Schuss Utopie. Wie jede Erwartung, die etwas taugt, ein kräftiges Moment von „Noch Nicht“ enthalten muss.

Dieses Noch Nicht macht die Geburt Jesu zu einem Datum der Hoffnung, zu einem Datum mit Blickrichtung Zukunft, trotz aller Rückschläge.

Hoffnung, die etwas taugt, wird immer über das irdisch Mög-liche hinaus reichen.

Manche sagen darum, es sei alles Unsinn. Es wird den Leuten ein Floh ins Ohr gesetzt. Versprechungen gemacht, die man hinterher nicht halten kann. Die am Ende zu Verletzungen führen.



Diese Skeptiker haben nichts verstanden. Mit der Hoffnung ist das so wie mit Obstbäumen. Werden sie nicht beschnit-ten, wachsen sie auch. Werden sie beschnitten, wachsen sie schneller und bringen mehr Frucht. Ohne Hoffnung leben wir auch. Wir vermeiden Enttäuschungen. Wir machen‘s uns gemütlich. Aber es wird irgendwann langweilig. Hoffnung ist eine treibende Kraft, die manchmal Enttäuschungen bringt, zu schmerzhaften Einschnitten führt, aus den Wunden aber sprießt Neues. Sie macht aus den Menschen mehr. Manche Wunden kommen durch‘s Leben sowieso. Wer sich nicht entmutigen und einschüchtern lässt, hat mehr von allem.



Aber es ist eine heikle Sache mit Mut und Hoffnung. Weil es nicht immer leicht ist, gute Triebe von Wildwuchs zu unter-scheiden, den es auch reichlich gibt.



Aus schönen Erwartungen werden leicht Heilslehren, die er-neut Militärstiefel anziehen wollen, dass die Länder unter ihrer Last erdröhnen. Oder – falls es an Mitteln fehlt – blan-ker Terror, der aus der Ohnmacht heraus zerstören will. Diese Irrwege enden in jedem Fall mit Enttäuschungen.



Enttäuschungen können auch aus persönlichen Erwartungen kommen, wenn man zu viel erhofft, oder wenn man alles von einer bestimmten Sache abhängig macht. Der Herrgott lässt sich nicht zwingen.

Wenn Glückserwartungen ins Gegenteil kippen, liegt die Schuld meist bei uns.



Jesaias Friedefürst und das Christkind halten sich da raus. Ihr Reich ist glücklicherweise nicht ganz von dieser Welt. Es hat seine Hauptstadt im himmlischen Zion, wohin wir nicht gelangen können, nicht einmal in unseren kühnsten Träu-men. Sie bewohnen das Haus der Zukunft.



Doch weil ein Abglanz herüber fällt und das Land davon er-hellt wird, kommen Könige aus dem Morgenland und huldi-gen. Machen aus dem palästinischen Paar auf der Durchreise ein Königspaar und die wissen gar nicht, wie ihnen geschieht. Denn wenn Gott tatsächlich einmal eingreift, merken wir das nie direkt.



Für uns bleibt die Idealfamilie von Bethlehem in der Ferne. Wir spüren die Zwiespältigkeit, die solchen unerreichbaren Idealbildern innewohnt. Diese „heilige Familie“ logiert nicht nebenan. Sie wohnt schon im Land von morgen.



Trotzdem steht die Krippe bei uns in vielen Familien unterm Weihnachtsbaum. Offenbar gibt es eine Ahnung davon, dass es notwendig und sinnvoll ist, Ideale zu pflegen, utopische Bilder, auf die man sieht. Man muss nur richtig damit umge-hen und die Erwartungen auch hier nicht überspannen.



Damit der Weihnachtsfriede nicht misslingt, damit die Ge-schenke weder enttäuschen, noch beschämen. Kleine Ge-schenke erhalten die Freundschaft, zu große können viel mehr kosten als auf dem Preisschild steht.



Es gibt auch ein Leben diesseits der elterlichen Opferrolle, die sich an Weihnachten in der Angst vor schnöseligem Nase-rümpfen der Jungen manifestiert. Oder in der Angst von Partnern, heute das Falsche zueinander zu sagen. An einem Tag, wo alles stimmen muss und alles Kritische unter der Decke zu bleiben hat.



Denken wir daran: Das Familienfest kann nicht besser sein als die Familie, in der wir leben. Aber die vorhandene Familie kann besser werden, wenn jeder seine Rolle darin bedenkt, auch seine Fehler.

….....

Heute vor einer Woche, am 4. Advent, wurde wieder das Friedenslicht aus Bethlehem an einer kleinen Flamme in der Geburtskirche Jesu angezündet und in alle Welt getragen. Jetzt brennt es in zahlreichen Kirchen, sogar in vielen Häu-sern. Friedenslicht in einer Welt voller Gewalt und Krieg. Ein kleines Wunder, von Menschen gemacht. Darum kann es heute nur heißen: Fürchtet euch nicht. Es ist viel mehr mög-lich als ihr glaubt. Und der, auf den wir heute sehen, mag sein Teil noch dazutun. Frohe Weihnachten.

Amen



Zwei mögliche Fürbittengebete

Vorschlag 1:



Allmächtiger Gott,

Wir glauben, du bleibst nicht im Jenseits,

fern von aller Welt.

Vielleicht bist du uns näher als jeder sich vorstellen kann.

In Jesus Christus machst du dich begreifbar,

und wir dürfen am heutigen Abend dabei sein,

wenn an dein Kommen erinnert wird.



Jesus wurde in eine Familie geboren,

seine Eltern mussten mit Sorgen leben.

Wie nah ist das vielen heutzutage.

Wenn sich die Wirtschaft immer mehr nach den Regeln von

Spielcasinos richtet,

wenn Kurzarbeit und prekäre Arbeitsverhältnisse um sich greifen,

wenn ganze Länder bankrott sind,

sind wir alle betroffen.

Wir bitten dich um Zuversicht trotz dieser unsicheren Zeiten.

Lass unsere Wertschätzung nicht von wirtschaftlichem Erfolg

abhängig werden.

Beschenke uns mit Gelassenheit.



Hell leuchtet dein Licht in unsere Nacht.

Das Licht unseres Lebens.

Wenn wir in den kommenden Tagen Grund zum Lachen

haben,

wenn wir gelobt werden und andere freimütig loben,

wenn wir uns nach einem Streit wieder versöhnen können.

Wenn sich jemand hinter uns stellt,

wenn etwas neues geschieht, das uns gemeinsam voran

bringt,

dürfen wir dahinter dein lächelndes Einvernehmen vermuten.

Beschenke uns mit denkwürdigen Augenblicken.



Lass von unseren Händen Freude ausgehen,

unseren Mund die richtigen Worte finden,

gib unseren Augen aufmunternde und verständnisvolle

Blicke,

führe in diesen Tagen Familien und Freunde zusammen,

damit fröhliche Momente aufleuchten.

Beschenke uns mit Talenten der Zuneigung.



Wir bitten dich für alle, die heute hoffnungslos sind.

Die Wichtiges verloren haben.

Die sich selbst verloren haben.

Denen das Dach über dem Kopf fehlt.

Denen die Zukunft düster scheint.

Die krank und mutlos sind.



Allen, die sich in finsterer Nacht wähnen

schenk Kraft und neuen Mut.



Erfülle uns mit dem Gefühl,

mitten im Leben vom Licht deiner Güte umfangen zu sein.

Damit man dich auch künftig loben und bekennen kann

als Macht des Daseins, die alle Dingen zum Guten wenden

kann.

Amen





Vorschlag 2:



Gott,

Lange warst du unterwegs zu uns.

Immer wieder.

Offenbar lässt Du dich nicht entmutigen.

Wir haben zu danken für das Licht von der Krippe.

Es fällt in dunkles Terrain,

es offenbart Zwiespältiges auch,

doch es lenkt den Blick.

Er fällt auf alles, was jenseits unserer menschlichen

Hoffnungen noch übrig bleibt.

Und das ist so bedeutsam,

dass auch die Gegenwart davon erhellt wird.



Schenke uns Freude am Abglanz deiner Herrlichkeit

heute am Heiligabend, in den Familien, und später.

Wir bitten dich für alle, die hoffnungslos sind.

Die alles verloren haben. Die sich selbst verloren haben.

Denen das Dach über dem Kopf weg geschossen wird.

Die sich vor Terror fürchten.

Denen die Zukunft düster scheint.



Gib ihnen Kraft und Mut, der Kräfte weckt.

Erweise dich als Macht des Friedens und der

Versöhnung in aller Welt.

Bleibe bei uns zu aller Zeit.

Amen





Verfasser: Pfarrer i.R. Winfried Anslinger

Emilienstraße 45, 66424 Homburg




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