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Das Geheimnis der Herkunft

von Ilse Junkermann (Magdeburg)

Predigtdatum : 24.12.2012
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Heiligabend (Christvesper)
Textstelle : Johannes 7,28-29
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Wochenspruch:

"Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit." (Johannes 1, 14 a)

Psalm: 2

Lesungen

Altes Testament: Jesaja 9, 1 - 6

Epistel: Titus 2, 11 - 14

Evangelium: Lukas 2, 1 - 14 (15 - 20)

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 36, 1.2.6 Fröhlich soll mein Herze springen

Wochenlied: EG 24, 1 - 3.6 Vom Himmel hoch, da komm ich her

Predigtlied: EG 46, 1 - 3 Stille Nacht, heilige Nacht

Schlusslied: EG 44, 1 - 3 O du fröhliche, o du selige

Liebe Gemeinde am Heiligen Abend,

so kennen wir Weihnachten: mit den alten Worten der Weihnachtsgeschichte und den vertrauten Weihnachtsliedern: „Des lasst uns alle fröhlich sein und mit den Hirten gehn hinein...“.

Doch können wir das so einfach, gleichsam umschalten auf Freude, weil jetzt Heilig Abend ist?

Dieser Gottesdienst kann zumindest ein Wendepunkt in diesen für manche sehr hektischen Tagen sein. Er kann ein Wendepunkt sein von der Arbeit zur Ruhe und von den Festvorbereitungen zur Festfreude.

Wie Sie wohl alle in diesen Gottesdienst gekommen sind? Schon nach einem gemütlichen Nachmittag in der Familie, vielleicht mit Besuchen? Oder sind Sie aus der Hektik all dessen gekommen, was noch zu tun war? Sind Sie gekommen mit der Sehnsucht, dass das Fest, der Heilige Abend, endlich beginnen kann? Dass Sie aus diesem Gottesdienst dann nach Hause kommen können in ein festliches Heim, in das die alte Weihnachtsstimmung dann endlich einkehrt? Sei es nun laut und fröhlich mit Kindern, oder still und leise – beides aber doch in einer seit langem vertrauten Weihnachtsstimmung, mit dem Geheimnis dieser Nacht umgeben – oder mit der Sehnsucht danach?

In all den Festvorbereitungen, die wir guten Willens und in bester Absicht tun, ahnen wir: Die besten Vorbereitungen und Absichten können noch nicht garantieren, dass das Fest auch gelingt. Vielleicht ist da bei dem einen oder der anderen etwas wie ein schlechtes Gewissen, dass die Hauptsache, der Mittelpunkt, zur Nebensache wird und nur noch am Rande vorkommt. Die meisten von uns, so denke ich, müssen sich mühen um dieses Fest. Es ist nicht mehr wie von selbst nur einfach schön wie in der Kindheit.

Nun sind Sie in diesen Gottesdienst gekommen und hoffen: ja, das hilft zur Festfreude. Die Weihnachtsgeschichte und die Weihnachtslieder, die kenne ich, der Christbaum, die Kerzen, all diese Festzeichen helfen auch mir, wieder beim Fest anzukommen. Gut, wenn das alles bekannt ist. Gut, wenn die Worte und Melodien vertraut sind. Gut, wenn ich weiß, worum es geht.

Allerdings: es gibt eine Kehrseite. Und diese Kehrseite wird uns ausgerechnet am Heiligen Abend auch vor Augen gehalten. Im Predigttext für den Heiligen Abend spricht Jesus davon und fragt auch uns: Kennt Ihr mich?

Hören wir aus dem siebten Kapitel des Johannesevangeliums die Verse 28 und 29:

„Da rief Jesus, der im Tempel lehrte: Ihr kennt mich und wisst, woher ich bin. Aber nicht von mir selbst aus bin ich gekommen, sondern es ist ein Wahrhaftiger, der mich gesandt hat, den ihr nicht kennt. Ich aber kenne ihn; denn ich bin von ihm, und er hat mich gesandt.“

Auch Jesus ist bei einem Fest, im Tempel in Jerusalem. An einem der höchsten jüdischen Festtage, dem volkstümlichen Laubhüttenfest, lehrte Jesus im Tempel.

O ja, sie warteten auf einen Helfer, den Gott zur Erlösung für sein Volk schickt. O ja, sie stöhnten unter der römischen Herrschaft. Wie sehr sehnten sie sich nach dem Messias, dem Gesandten Gottes, der Freiheit und Frieden und Gerechtigkeit bringt; vor dem jeder gleich ist und der, ja, für jeden ein Auge und ein Herz hat. Auf diesen Retter warteten die Menschen mit großer Sehnsucht. Aber – der soll es sein, der hier vor uns redet? Den kennen wir doch, das ist doch der Sohn von Joseph aus Nazareth. Auch wenn seine Worte die Sehnsucht anrührt – so einer von uns, der kann es ja nicht sein. Und sie schüttelten ihre Köpfe.

Jesus merkt ihre Fragen und Zweifel. Und er antwortet ihnen: ‚Ja, ihr kennt mich..., das soll heißen: ihr glaubt mich zu kennen. Aber in Wahrheit kennt ihr mich nicht. Mit Euren Augen gesehen komme ich aus Nazareth und bin Josephs und Marias Sohn. Aber mit Gottes Augen gesehen komme ich von ihm. Von ihm her lebe ich. Auf ihn zeige ich. Mit mir will sich Gott euch bekannt machen, wie Ihr es nicht erwartet.’

Heute feiern wir unser schönstes und volkstümlichstes Fest. Wie wäre es, wenn Jesus uns heute zurufen würde: ‚Ihr glaubt mich zu kennen, aber...’? Würde uns das ärgern? Oder: würden wir uns fragen lassen?

Ja, liebe Gemeinde, wie kennen wir ihn? Ganz gewiss kennen wir ihn als Kind in der Krippe. Ich denke, so kennen ihn die meisten Menschen. Wir kennen ihn auch als Mann am Kreuz.

Und wir kennen ihn als einen, der unterwegs ist zu den Menschen. Wir kennen ihn als den, der denen hilft, die Hilfe brauchen, wie Blinden und Lahmen. So viele Kranke hat er geheilt. Wir kennen ihn auch als einen, der schöne Geschichten wie die vom barmherzigen Samariter erzählt. Wir kennen ihn als einen, der mit Geschichten, mit Gleichnissen sagt, was zu tun ist und was vor Gott etwas gilt.

So kennen wir ihn. Wir wissen Namen und Herkunftsort und auch ein paar Taten und Worte. Wir kennen so manche Geschichten.

Aber kennen wir ihn so, dass wir in ihm den Retter erkennen?

Auch im Abstand von fast 2000 Jahren gilt ja die Frage: Hat er denn die Welt verändert? Sehnen wir uns denn nicht noch immer nach dem gleichen wie die Menschen damals: nach Freiheit und Frieden und Gerechtigkeit? Nach Harmonie und Geborgenheit? Ja, manches Mal können wir das, wenn wir Glück haben, erleben: in der Familie, an Festen wie Weihnachten, im Urlaub. Aber die Welt und die Menschen, sie sind doch nicht von Grund auf anders geworden mit dem Mann aus Nazareth?

Genau das ist die Frage: kennen wir ihn so, dass wir in ihm den Retter erkennen?

„Christ, der Retter ist da!“, so singen wir.

Christ, der Retter ist da – wie können wir das leben? Wie kennen und erkennen wir ihn?

Auch wir können leicht meinen, wir kennen ihn und seine Geschichte.

Wie fragen wir nach ihm? Begnügen wir uns mit dem, was wir von ihm wissen, eben den Namen und die Daten und die wichtigsten Geschichten?

Liebe Heilig-Abend-Gemeinde,

offenbar geht es beim diesjährigen Fest darum, dass wir neu nach Jesus fragen; dass wir so fragen, dass er uns etwas zu sagen hat. Dass seine Friedensworte uns so zu Herzen gehen, dass wir einander die Hände reichen - über alte Gräben und auch über frische Gräben hinweg.

So können wir ihn erkennen: dass er in unser Leben und in unsere alltäglichen Probleme und Lasten hinein spricht. Dass wir dem, der ihn gesandt hat, trauen und vertrauen: dem Wahrhaftigen, Gott, der die Wahrheit unseres Lebens kennt und der wahrhaftig unser Leben in der Hand hat. Ihn lassen wir wirken in unserem Leben: mit seiner Kraft der Liebe und mit seinem Willen zum Frieden.

Ja, das ist eine Provokation für die Menschen damals gewesen.

Und es ist eine Provokation für uns heute:

Dass in diesem Kind in der schäbigen Krippe und in dem Mann am Kreuz, als Verbrecher vor den Toren der Stadt dem Spott aller ausgesetzt, dass in diesem der ewige Gott zur Welt kommt und unter den Menschen ist und Gesicht zeigt.

Wie kennen wir ihn? Wie erkennen wir ihn?

Lasst uns neu nach ihm fragen! Lasst uns ihn neu erkennen! Lasst uns in der Heilig-Abend-Geschichte mehr sehen und erkennen als eine idyllische Szene, die uns anheimelt! Lasst uns darin uns selbst sehen lernen!

Mit Weihnachten, mit Jesu Geburt scheint in der Welt und auf unser Leben ein anderes Licht. Es ist nicht gleißend und blendend und kalt und unbarmherzig-entblößend. Es ist ein warmes Licht, es scheint friedlich und gnädig. Und es scheint an Orten, die bisher und bis heute im Dunkeln liegen, an Orten, die am Rande liegen und die man lieber vergisst: Das Hirtenfeld; die Wärmestube für Menschen ohne Obdach; die Straßenkinder. Es scheint auch in mein Gemüt, das tief im Innern resigniert ist und höchstens noch seufzt..., das keine Worte mehr findet, weil die Hoffnung so weit geschwunden ist oder weil die Trauer so groß ist oder die Enttäuschung.

Ja, Sie werden es heute Abend spüren, was Ihnen fehlt, wonach die Sehnsucht sich ausreckt, .... Drängen Sie es nicht weg. Denn das ist eine gute Wegfährte, ihn zu erkennen.

Denn darin liegt die Suche nach Wahrhaftigkeit. Dass ich das Schwierige und Schwere nicht wie mit einem rosa Zuckerguss überziehe; dass ich vielmehr mit Wahrhaftigkeit mich und mein Leben ansehen kann und dabei im Licht der Krippe Gottes Ja vernehme. Sein Ja zu meinem ganzen Leben mit all seinen Schattierungen.

Das ist Gottes Geschenk des Weihnachtsfestes: in all dem Vertrauten, mit all unserer Sehnsucht ihn neu kennenzulernen.

Lasst uns ein Ohr für seine Stimme haben, die uns sein Ja zu jedem Menschen, zu jedem einzelnen von uns, durch diese Heilige Nacht hören lässt.

Verfasserin: Landesbischöfin Ilse Junkermann

Am Dom 2, 39104 Magdeburg


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