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Das Geheimnis der Herkunft

von Thomas Kluck (64287 Darmstadt)

Predigtdatum : 24.12.2009
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Heiligabend (Christvesper)
Textstelle : Titus 2,11-14
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Wochenspruch:

„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.“ (Johannes 1, 14 a)

Psalm: 2

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 9, 1 – 6
Epistel:
Titus 2, 11 – 14
Evangelium:
Lukas 2, 1 – 14 (15 – 20)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 45
Herbei, o ihr Gläubigen
Wochenlied:
EG 23
Gelobet seist Du, Jesu Christi
Predigtlied:
EG 39
Kommt und lasst uns Christus ehren
Schlusslied:
EG 44
O du fröhliche

Hinführung:

Ein schöner und zugleich schwieriger Text für den Heiligen Abend. Der Kernsatz ist sicher genau richtig für die Heiligabendgemeinde: „Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten.“ Das ist es, was die Menschen hören wollen und sollen an diesem Abend, was sie brauchen zu diesem Fest – und was bei manchen für die nächsten 365 Tage reichen muss. Schwieriger ist es da schon mit den anderen Versen: Erziehung, Absage an die irdischen Begierden, Erlösung von Schuld. Zentrale Themen des christlichen Glaubens werden hier angesprochen, genug Stoff für eine ganze Predigtreihe. Ich entscheide mich, die Predigt auf das Kernthema „Gnade“ zu konzentrieren. Um diesen theologischen Begriff auch für Kirchenferne verständlich zu machen, erläutere ich ihn mit dem weihnachtlichen Thema „Geschenke“, gleichsam verpackt in einen Hingucker am Anfang und eine Schmunzelgeschichte am Schluss (bitte einen verpackten Ziegelstein mit auf die Kanzel nehmen!). Das Thema „Erziehung“ verhindert es hoffentlich, dass die Gnade, von der die Rede ist, allzu billig bleibt.

Liebe Gemeinde,

Weihnachten ist die Zeit der Erinnerungen. Schon relativ junge Menschen denken zurück an die Weihnachtsfeste ihrer Kindheit, an Wunschzettel und freudige Erwartung vor dem Weihnachtszimmer, an den Duft von Plätzchen oder leckerer Weihnachtsgans, mit dem das Haus erfüllt war. Und je älter man wird, so habe ich mir sagen lassen, umso stärker werden diese Erinnerungen.

Weihnachten kommen auch die Erinnerungen an die Menschen, die uns geprägt haben, die uns mitgegeben haben, was ihnen wichtig war und an denen wir uns orientieren, manchmal bis ins hohe Alter: unsere Eltern oder Großeltern, unsere Onkel und Tanten, manche Lehrer, die Pfarrerin, die mich konfirmiert hat oder ein prägender Jugendleiter oder Trainer. „Erziehung“ nannte man das früher.

Wenn Sie an diese Menschen zurückdenken, an ihre Erzieherinnen und Erzieher: welche Menschen haben Sie besonders geprägt? Wie haben sie sich verhalten? Waren es eher die ganz strengen? Die, bei denen klar war, wo es langgeht. Oder waren es eher die, die auch mal Gnade vor Recht ergehen ließen? Knallharte Alphatiere oder eher der Typ „Papa gnädig“?

Doch hören Sie den Predigttext für die heutige Christvesper. Er steht im Brief an Titus im 2. Kapitel, die Verse 11 bis 14:

11 Denn die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten.
12 Sie erzieht uns dazu, uns von der Gottlosigkeit und den irdischen Begierden loszusagen und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben,
13 während wir auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung warten: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus.
14 Er hat sich für uns hingegeben, um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen, das ihm als sein besonderes Eigentum gehört und voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun.

Liebe Gemeinde,

Heiligabend ist der Abend der Geschenke. Ich habe deshalb heute auch eines mitgebracht. (zeigt Geschenk) Es ist ziemlich schwer, auch nicht so ganz klein – möglicherweise ist es ja wertvoll. Ich lege es mal hier ab, wir haben sicher später noch Gelegenheit, es auszupacken. Und vielleicht ist darin ja noch eine Geschenkidee in letzter Minute, die Kurzentschlossene zuhause vor der Bescherung noch ganz schnell umsetzen können, wer weiß.

Heiligabend ist der Abend der Geschenke. Geschenke heißen Geschenke, weil man sie geschenkt bekommt. Das ist eigentlich keine besondere Weisheit. Aber eine notwendige Erinnerung in einer Zeit, in der die Kultur des Schenkens manchmal zu einer Kultur des Tauschens zu verkommen droht: Kann ich mich wirklich beschenken lassen? Oder halte ich mich doch auch hier lieber an das Motto: Wie du mir, so ich dir? Wenn du dies oder jenes leistest, bekommst du das von mir. Wenn Müllers uns letztes Jahr etwas im Wert von 50 € geschenkt haben, dann müssen wir uns dieses Jahr mit einer mindestens gleichwertigen Gabe revanchieren. Wer ein guter Kunde ist und bleiben soll, den beschenke ich als guter Geschäftsmann jetzt zur Weihnachtszeit.

Alles schöne Sitten, aber es hat noch nicht viel mit Schenken zu tun. Geschenke gibt es ohne Gegenleistung, seien sie nun vorher erbracht oder für die Zukunft erwartet. Schenken tut man einfach so – gratis, allein aus Gnade sozusagen.

Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten – das ist die Weihnachtsbotschaft auf den theologischen Punkt gebracht. Das große Geschenk Gottes an uns: Gott schenkt uns seinen Sohn – allein aus Gnade.

Dieser Teil des Predigttextes leuchtet uns ziemlich schnell ein, auch wenn unsere Kultur des Schenkens sich manchmal von dieser göttlichen Geschenkkultur entfernt hat. Die Gnade Gottes ist erschienen – deshalb sind die Kirchen heute voll.

Gott ist die Liebe – wo wäre das eindrucksvoller zu sehen und zu spüren als in dem Kind in der Krippe. Gott verheißt Frieden für die Welt – was könnte schöner sein, als heute in den Gesang der Engel auf den Feldern bei Bethlehem einzustimmen und diese alte Verheißung damit zur Verheißung für uns am Ende des Jahres 2009 werden zu lassen. Die Gnade Gottes ist erschienen, deshalb feiern wir fröhliche Weihnachten!

Heiligabend ist der Abend der Geschenke. Aber nicht nur zur Weihnachtszeit gibt es Geschenke. Alles, was im Leben wirklich wichtig ist, ist Geschenk. Zeitpunkt und Ort meiner Geburt, mein Elternhaus, meine Gesundheit, meine Lebens- und Entwicklungschancen, die Menschen an meiner Seite: all das habe ich nicht bei E-Bay ersteigert, es sind Geschenke Gottes für mein Leben auf dieser Erde.
Aber das größte Weihnachtsgeschenk ist, was hier im Predigttext gesagt wird: Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten. Gott wird Mensch, Gott nimmt unsere Schwäche, unsere Unvollkommenheit, unsere Schuld und unseren Tod auf sich, um uns von all dem frei zu machen. Gott hebt auf, was Mensch und Gott trennt. Gott wird einer von uns, damit wir nicht so bleiben müssen, wie wir sind. Und all das allein aus Gnade, völlig gratis: eben als Geschenk an uns.

Der Text geht aber noch weiter – und hier sind wir wieder am Anfang der Predigt: Die Gnade Gottes erzieht uns. Das scheint sich nicht so leicht mit der Weihnachtsbotschaft verbinden zu lassen. Erziehung und Geschenk, Erziehung und Gnade – passt das zusammen? Hat Erziehung nicht eher etwas mit Strenge zu tun? Mit Konditionierung, also mit dem Einüben bestimmter Verhaltensweisen, die belohnt oder bestraft werden, so dass sie dann schließlich erlernt werden, also auf Dauer das Verhalten bestimmen. So, wie früher der Nikolaus als Erzieher auftrat: den braven Kindern brachte er in seinem großen Sack etwas leckeres mit: Äpfel und Nüsse zum Beispiel. Und für die bösen Kinder war der Knecht Ruprecht dabei, der ihnen mit der Rute mindestens drohte, im schlimmsten Fall sogar den Hintern versohlte. Erziehung nach dem Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche.

Die Gnade Gottes erzieht uns. Ich denke, zu einer guten Erziehung gehört immer beides: viel Liebe, die auch mal Gnade vor Recht ergehen lässt, auf der anderen Seite aber auch Klarheit der Grenzen. Dazu braucht es keine Rute, aber doch klare Signale, was geht und was eben nicht geht. Wenn ich manchmal Eltern mit ihren Zweijährigen diskutieren höre, dann denke ich: ein bisschen mehr Klarheit täte manchen Kindern sicher gut, und dann auch ihren Eltern und allen, mit denen diese Kinder später einmal zu tun haben werden.
Zur erfolgreichen Erziehung gehört viel Liebe, es gehört aber auch dazu, klare Grenzen zu zeigen. Und auch darin, wie Gott mir als das große Gegenüber meines Lebens begegnet, finde ich beides: die Gnade, die sich in den großen Geschenken Gottes ausdrückt, mit denen Gott mein Leben reich macht, und das nicht nur zur Weihnachtszeit und nicht nur in diesem Leben; und die Grenzen, die mir früher oder später gezeigt werden: Grenzen in meinem Verhalten, in dem, was ich tun darf, und Grenzen meiner Möglichkeiten, in dem, was ich tun und erleben kann.
Unser Leben kann als ein solcher Erziehungsprozess verstanden werden. Gott erzieht uns durch das große Geschenk seiner Liebe, aber auch, indem er uns Richtung und Grenzen unseres Lebens vor Augen führt, was nicht immer ohne Schmerzen abgeht. So, wie man eben als Kind auch nicht ohne Schmerzen lernen kann, was eine heiße Herdplatte bedeutet – auch wenn die Eltern noch so gütig und liebevoll sein mögen. Außerdem gibt Gott uns in den Geboten Regeln, mit denen unser Leben gelingen kann. Das ist gemeint, wenn in dem Text die Rede davon ist, dass wir voller Eifer danach streben, das Gute zu tun und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben. Dazu erzieht uns die Gnade Gottes, sagt der Predigttext. Wenn wir uns vor Augen führen, was Gott für uns tut, dann ist ein solches frommes Verhalten die logische Konsequenz. Schon allein aus Dankbarkeit werden wir uns so verhalten, aber dann doch auch, weil Erziehung immer sehr viel mit Vorbild-Sein zu tun hat.

„Man kann seine Kinder noch so gut erziehen, sie machen einem doch alles nach.“, sagt der Volksmund, und die Erfahrung bestätigt das. Wenn die Gnade Gottes uns erzieht, dann doch wohl auch über diesen Mechanismus des Vorbild-Seins, wie es im Predigttext über unseren großen Gott und Retter Christus Jesus heißt: er hat sich für uns hingegeben, um uns von aller Schuld zu erlösen.

Tja, wenn das doch alles so einfach wäre. Und wenn das doch alle, wir alle, immer beherzigen würden: dankbar auf das große Vorbild Jesus Christus zu blicken und diesem Vorbild entsprechend zu leben.
Heiligabend ist der Abend der Geschenke. Heiligabend ist aber auch der Abend des Wartens. Die Gnade Gottes erzieht uns, während wir auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung warten: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus, so heißt es im Text. Die Gnade Gottes ist erschienen, als es zum ersten Mal Weihnachten wurde im Stall von Bethlehem. Seitdem ist die weltverändernde Kraft schon da, aber noch nicht für alle sichtbar. Wir warten noch darauf, dass wir selbst und alle Menschen wirklich erkennen, was Gott für uns getan hat – und dass diese Erkenntnis die Welt von Grund auf verwandelt: Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten.

Ach, so, da liegt ja noch unser Geschenk. Ob es den Ansprüchen an ein Geschenk gerecht wird? Die Geschenke sollen ja ein Hinweis sein, auf das große Geschenk, das Gott uns heute, am Heiligen Abend, macht. Vielleicht gibt es jemand, der mir helfen kann, es auszupacken, vielleicht eines von den Kindern. (auspacken)

Ein Ziegelstein – auf den ersten Blick vielleicht nicht das optimale Geschenk. Wenn ich den nachher meiner Frau unter den Baum legen würde, würde sie wahrscheinlich denken: na prima, ist ihm mal wieder nichts Besseres eingefallen. Aber auch ein solcher Ziegelstein kann ein sehr einfühlsames Geschenk sein und den Beschenkten große Freude bereiten, wie die folgende kleine Geschichte zeigt:
In diesem Jahr fiel Tick, Trick und Track, den drei Neffen von Donald Duck, überhaupt nichts ein, was sie ihrer Verwandtschaft zu Weihnachten schenken sollten. Sie hatten sich die Hirne zermartert, Kataloge gewälzt, Recherchen bei den zu Beschenkenden angestellt: keine Idee. Selbst das allwissende Pfadfinderhandbuch wusste diesmal keinen Rat. Es war aber auch zum Verrücktwerden mit dieser Familie: entweder waren sie wunschlos glücklich wie Oma; oder sie würden an jedem denkbaren Geschenk herummäkeln wie Onkel Donald; oder sie interessierten sich sowieso nur für Geld wie Onkel Dagobert. Tja, und Geld hatten die drei auch keines, wie das bei Jungs in diesem Alter manchmal vorkommt.

Am Morgen des 24. Dezember kamen sie in Donalds Keller zur Krisensitzung zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt: Was schenken? Als sie alles noch einmal durchdiskutiert hatten, fiel Tracks Blick plötzlich auf einen Stapel Ziegelsteine, die in der Ecke lagerten. „Ich hab's!“ rief er erfreut aus. „Oma hat doch im Winter immer so kalte Füße. Onkel Dagobert fliegen immer die Talerscheine weg. Und dann hat Kater Karlo auch noch Onkel Donalds Wagenheber geklaut. Das ist unsere Chance.“ –

Und dann kam die Stunde der Bescherung. Neben den Geschenken für die Neffen lagen auch drei Pakete unter dem Baum, die verdächtig die Form und Größe von Ziegelsteinen hatten. Als erste war Oma mit dem Auspacken dran. Sie nahm das Paket in die Hand. „Das ist aber schwer.“ sagte sie, während sie es in der Hand wog. Schließlich wickelte sie es behutsam aus – und ein Lächeln trat in ihr Gesicht: „Huch, ein Ziegelstein. Wie praktisch. Den kann ich im Ofen heiß machen und dann in mein Bett legen, ich habe doch jetzt im Winter immer so kalte Füße. Vielen Dank, Jungs!“ Und sie drückte Tick, Trick und Track je einen feuchten Kuss der Dankbarkeit auf die Schnäbel.

Jetzt war Onkel Dagobert an der Reihe. Er beäugte skeptisch das Paket. „Hoffentlich kein Elektrogerät, die Strompreise treiben einen ja in den Ruin.“ dachte er, packte dann aber doch vorsichtig sein Geschenk aus. „Oh, ein Ziegelstein, wie praktisch. Damit kann ich die Geldscheine auf meinem Schreibtisch beschweren, damit sie nicht wegfliegen, wenn meine neue Putzfrau mal wieder mein Büro lüftet. Dankeschön, Tick, Trick und Track.“

Onkel Donald guckte grimmig. „Alle haben etwas Praktisches bekommen. Aber für mich gibt es wahrscheinlich wieder mal eine Seidenmalerei-Krawatte aus der Pfadfinderstunde.“ dachte er und riss missmutig das Papier von seinem Geschenk. „Huch, ein Ziegelstein. Damit kann ich mein Auto aufbocken, wenn ich mal wieder einen Platten habe. Vielen Dank, ihr drei.“

Und so wurde es bei den Ducks doch noch ein richtig schönes Weihnachtsfest mit Geschenken, an denen alle ihre Freude hatten. Ein Abend der Freude über liebevoll ausgesuchte Geschenke und über die gelingende Gemeinschaft, die damit zum Ausdruck kommt. Einen solchen Abend wünsche ich auch Ihnen, liebe Gemeinde, vor allem aber einen Abend der Freude über Gottes großes Geschenk an uns: die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten.

Amen.

Verfasser: Pfarrer Dr. Thomas Kluck, Herdweg 122, 64287 Darmstadt

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