Menü

Das Gleichnis vom Wachsen der Saat

von Matthias Rost (Neudietendorf)

Predigtdatum : 04.02.2024
Lesereihe : VI
Predigttag im Kirchenjahr : Sexagesimae
Textstelle : Markus 4,26-29
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch: "Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, verstockt eure Herzen nicht." (Hebräer 3,15)

Psalm: 119,89-92.103-105.116

Predigtreihen

Reihe I: Apostelgeschichte 16,9-15
Reihe II: Hesekiel 2,1-5(6-7)8-10;3,1-3
Reihe III: Lukas 8,4-8(9-15)
Reihe IV: Hebräer 4,12-13
Reihe V: Jesaja 55,(6-7)8-12a
Reihe VI: Markus 4,26-29

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 197 Herr, öffne mir die Herzenstür
Wochenlied: EG 199 Gott hat das erste Wort
Predigtlied: EG 503,13+14 (Geh aus, mein Herz) Mach in mir deinem Geiste Raum
Schlusslied: EG 198 Herr, dein Wort, die edle Gabe

Predigttext: Markus 4,26-29

26 Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft 27 und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie. 28 Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. 29 Wenn aber die Frucht reif ist, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.

Predigt

Jesus wirft Seed Balls. Seed Balls? Das sind doch diese kleinen Lehmbällchen. So groß wie Pfirsiche. Oder kleiner.
Drinnen mit Humus – und vor allem Samen: Blumensamen, Gemüsesamen, Getreidesamen, was auch immer. Ganz kleine Samen. Die wirfst Du irgendwohin, wo es öde ist.
Auf eine trostlose Verkehrsinsel. Oder ins Brachland. Oder übern Zaun in einen langweiligen Garten. Und dann - vergiss sie am besten! Du schläfst und stehst auf, Nacht und Tag; kümmerst Dich nicht mehr drum.

Aber dann kommt der Regen. Und der Lehm wird weich und zerfließt und der Humus kommt raus. Die Frühlingsonne scheint, und der Samen keimt.

… und der Same geht auf und wächst – er, der Mensch, der Säemann, der Seedballwerfer, er weiß nicht wie.
Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.

Oder Kresse – oder Erdbeeren – oder Sonnenblumen.
Es ist eine Augenweide. Die Verkehrsinsel ein Blütentraum. Schmetterlinge im Kreisverkehr. Das Brachland verzaubert. Der Garten paradiesisch. Wenn Du Glück hast, kannst Du naschen von den Erdbeeren oder die Sonnenblumenkerne knabbern. Oder andere finden was. Oder die Vögel. Oder die Schnecken.
Verteile ein paar Seed Balls, und dann –: Lass wachsen!

Jesus wirft Seed Balls. Mehr tut er nicht. Heute nicht.
Weil Sonntag ist. Weil er ruht, wie sein und unser aller Vater ruhte am siebenten Tag. Ruhte von all seinen Werken, die er gemacht hatte.
Und weil mehr nicht nötig ist, mehr zu tun. Heute nicht.
Er macht es wie der Mensch in seinem Gleichnis, das er erzählt.
Streut Samen aufs Land, in unsere Herzen, auf dieses manchmal öde, manchmal gar so spröde Land, streut Samen in unsere Mitte, und dann? – hält er die Füße still und das Gesicht in die Sonne.
Heute jedenfalls schläft er und steht auf, Nacht und Tag. Mehr nicht. Den Samen überlässt er sich selbst.

Jesus wirft Seed Balls. Sein Gleichnis selbst ist so ein Seed Ball. So ein Samenball.
Und er spricht: Mit dem Reich Gottes ist es so! So ist es mit dem Gottesreich, mit seiner Herrschaft unter uns. Mit seinem Hiersein! Gottes Gegenwart in dieser Welt. So! wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft.

Warum schlafe ich manchmal so schlecht? Warum kann ich mich abends vom Schreibtisch nicht trennen?
Warum wache manchmal morgens lange vor dem Wecker auf mit vielen Gedanken und Sorgen und Unerledigtem im Kopf?
Warum wird meine To-Do-Liste immer länger?
Warum gibt es so viele ausgebrannte Pfarrer?
Warum machen gerade die Engagierten und um die Zukunft der Kirche Besorgten oft einen so gehetzten Eindruck?

„Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach euer Brot esst mit Sorgen. Denn den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf!“ (Ps 127,2) – Der Säemann  schläft und steht auf, Nacht und Tag, denn von selbst …!  … von selbst bringt die Erde Frucht. So ist es mit dem Reich Gottes! Mit Gottes Da-Sein in der Welt. Mit seinem Hier-Sein. Seiner Kraft! Seiner Herrlichkeit! So! Von Selbst!

„automatisch“ ist heute ein Wort des Evangeliums, „automatisch“ heißt die „gute Nachricht“! „von selbst“! – „Automatä“ steht da im Evangelium des Markus. Das Wort kommt sonst nur noch einmal in der Bibel vor: als für Petrus (Apg 12) in Begleitung des Engels die Gefängnistüren aufgehen: von selbst, automatisch, αὐτομάτη – Automatiktüren hatte das Gefängnis bestimmt noch nicht, aber von selbst öffnet sich die Tür für das Reich Gottes.

Ein Wort, das sonst für technische Perfektion steht, für höchste Produktivität, ist heute das reine Evangelium, das Trostwort für alle Angestrengten und Ausgebrannten, für alle, die von Sorge um die Kirche getrieben sind und morgens zu früh aufwachen.

Automatisch, Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.

Jesus wirft Seed Balls. Den Samen überlässt er sich selbst.
Wird er Erde finden. Wird es regnen? Wird die Sonne draufscheinen? Wird das Wunder geschehen, das Wunder des Lebens, des Wachsens, des Werdens? Wird das bei uns geschehen?

Ich male mir aus: Jesus wirft Seed Balls – und einer landet direkt auf dem Konferenztisch im Landeskirchenamt. Wo niemand es erwartet hat. Plopp. Zuerst dachten die Oberkirchenräte: Hier wurde nicht richtig saubergemacht. Aber dann keimt es, bricht hervor, sprießt zwischen den Aktenbergen, das Wunder des Lebens. Solche Pracht. Und sie blicken auf von ihren Papieren und Laptops und schauen einander verwundert in die Augen. Sie beschließen fröhlich eine „Fünfte Durchführungsverordnung zum Pfarrerdienstgesetz“. Die steht am nächsten Tag sogar schon in der Kirchenzeitung: „Schluss mit der 60-Stunden-Woche für Pfarrer und Pfarrerinnen. Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.

Und man liest weiter:
„Wachsen gegen den Trend“ – wer hat sich das ausgedacht?
„fröhlich schrumpfen?“ – wer hat sich selbst getröstet mit diesem Motto? Oder wer gedachte die mutlosen Kirchenchristen damit zu aufzubauen. Nein. Weder - noch.
Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.
Die Oberkirchenräte schließen ihre Sitzung und gehen ins Straßencafé. Mit dem Reich Gottes ist es so … Ist es so?

Ich male mir aus: Jesus wirft Seed Balls.
Einer landet im Ödland, in der ostdeutschen „Kirchenwüste“, da, wo nur noch 7 von 100 Leuten zur Kirche gehören oder 70 von 1000. Und auch von denen die meisten über 70. Da ist viel Ödland drumherum, viel Platz für Seed Balls. Und Zeit vergeht. Nacht und Tag. Viele Nächte, in denen die Pfarrerin nicht schlafen konnte. Obwohl sie völlig übermüdet war. Geweint hat sie und gedacht: das schaff ich nie. Die Arbeit turmhoch, und wird nie weniger. Sie hat noch die Tristesse vor Augen: die kleinen Grüppchen, die hässlichen Räume, die kalte Kirche im November, viel zu groß für die paar Hansln. Und wie sie abends todmüde aufs Sofa fiel, die traurigen Geschichten von den Leuten noch im Kopf. Mein Gott, wie ist das schwer, dein Himmelreich, die Arbeit hier.
Doch eines Tages reibt sie sich die Augen: es ist alles da, was sie ersehnte: zuerst der Halm, danach die Ähre, danach der vollen Weizen in der Ähre.
Das volle Kirchenschiff, der Kinderchor, die jungen Leute, die sich taufen lassen. Der Unterstützerkreis für die Geflüchteten, der Männerstammtisch und der frische Gottesdienst. – von selbst bringt die Erde Frucht.

Jesus wirft Seed Balls.
Manchmal fällt auch einer dahin, wo wir denken: Da wächst überhaupt nichts mehr. Nie mehr. In den Todeszonen und Ruinen. Da, wo der Boden steinhart und vergiftet ist.
Und plötzlich, unvermutet, womit keiner mehr gerechnet hat: eine Oase der Güte, ein Fleckchen Frieden, ein paar hoffnungsgrüne Halme.

Jesus wirft Seed Balls.
Einer fällt mitten in ein Gespräch. Ein Trostgespräch.
Rollt deinem Gesprächspartner in die Tasche. Oder ins Herz. Und geht auf im Humus, in der Herzenswärme. Schlägt Wurzeln im andern. Grünt und blüht und trägt hundertfältig Frucht. Du weißt nicht, wie.  Du hast doch gar nichts gemacht! Hast allenfalls ein Wort fallen lassen, das du selbst empfangen hast. Ja, genau. Aber Zeit vergeht und plötzlich ist die Wüste grün. Das Herz des andern ist getröstet. Die Öde fruchtbar. Ein Paradiesgarten ist in der Welt. Mit dem Reich Gottes ist es so …

Und eins von diesen geheimnisvollen Samenbällchen fällt manchmal in mich selbst hinein. Und heimlich keimt es, sprosst und grünt. Es blüht und leuchtet in diversen Farben. Exoten sind darunter, mir selbst noch unbekannte Glaubensblüten. Und Früchte reifen. Schön für mich. Und nahrhaft für die anderen. Zuerst der Halm, danach die Ähre, danach der vollen Weizen in der Ähre.

Hilf mir und segne meinen Geist
mit Segen, der vom Himmel fleußt,
dass ich dir stetig blühe;
gib, dass der Sommer deiner Gnad
in meiner Seele früh und spat
viel Glaubensfrüchte ziehe.

Mach in mir deinem Geiste Raum,
dass ich dir werd ein guter Baum,
und lass mich Wurzel treiben.
Verleihe, dass zu deinem Ruhm
ich deines Gartens schöne Blum
und Pflanze möge bleiben.

(Geh aus mein Herz und suche Freud, EG 503,13+14)

Jesus wirft Seed Balls. Und wir? Was tun wir unterdessen?
Wir werden graben und jäten (aber nicht zu viel!). Und wir werden nicht an den Pflänzchen zerren, die hier und da hervorkeimen. Wir werden gießen und schauen.
Wir werden Zäune bauen, aber nicht zu hoch, nur um die Grenzen zu markieren. Wir werden alte Mauern einreißen.
Wir werden beten und arbeiten. Wir werden lieben und hassen und leiden und hoffen und leben und glücklich sein. Wir werden lachen mit den Lachenden und weinen mit den Traurigen.
Wir werden dem Bösen widerstehen.
Und uns im Menschlichen bewähren.
Aber so, durch all dies, durch uns … kommt das Reich Gottes nicht. Sein Reich, sein Wille, seine Kraft, sein Name, seine Gegenwart in der Welt. Kommt! - aber nicht durch uns. Nicht durch unser Tun und nicht durch unser Lassen. Nicht durch unsere Anstrengung und unsere Ermüdung, Nicht durch unser Lieben und Leiden. Was wächst und reift, ist alles nicht auf unserm Mist gewachsen. Sondern: von selbst. Gott allein die Ähre!

Jesus wirft Seed Balls. Der Samen, den er sät: Wird er denn Boden finden. Wird es regnen? Wird die Sonne draufscheinen? Wird das Wunder geschehen, das Wunder des Lebens, des Wachsens, des Werdens? Von selbst? Wird das bei uns geschehen?
Ja, es geschieht schon immerzu.

Wenn aber die Frucht reif ist, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.
Plötzlich taucht da eine Sichel auf, ein scharfes Werkzeug. Und ich erschrecke. Sichel oder Sensenmann: das ist hier die Frage. Da ist einer der die Sichel schickt. Der holt die Ernte ein. Und sieht, was da zuletzt zu holen ist. Ist das der Sensenmann, der mit scharfem Schnitt in mein Leben fährt und fragt: Na, Kleiner, was hast du denn vorzuweisen. Und ich steh da, ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr? (EG 382) Aber da vergeht das dunkle Bild und ich wache auf und sehe: Es ist ein Erntefest, und ich bin ein Teil davon.
Und es wird Brot gebacken. Und Wein wird eingeschenkt. Der Tisch gedeckt, und alles ist bereit. Und es wird ausgeteilt und empfangen. Es ist ein Vorgeschmack des Himmels.
Erntedankfest wird gefeiert. Zu jeder Jahreszeit. Erntedankfest im Gottesreich. Die Ernte ist da. Auch heute.
Amen.

Verfasser: Pfarrer i. R. Dr. Matthias Rost, Jena


Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de