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Das Magnificat der Maria als Lebensmotto

von Ralf Friedrich (Dieburg)

Predigtdatum : 21.12.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 4. Advent
Textstelle : Lukas 1,(39-45).46-55(56)
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Liedpredigt zu EG 308: Magnifcat der Maria, gedichtet von Erasmus Alber nach Lk 1, 46- 55

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Amen

Liebe Gemeinde,
wir werden heute am 4. Advent eine Liedpredigt zu dem vorgeschlagenen Predigttext gemeinsam gestalten. Eine Liedpredigt ist eine Predigt, in der der Text eines Liedes ausgelegt wird, und die Gemeinde singt jeweils die besprochenen Strophen. Wir werden das Lied "Mein Seel, o Herr, muss loben dich", die Nummer 308 im Gesangbuch, gemeinsam entdecken. Das Lied basiert fast wortwörtlich auf dem Magnificat der Maria in Reinform, den für heute vorgeschlagenen Predigttext aus dem Lukas-Evangelium.

Das Lied wurde von Erasmus Alber geschrieben. Erasmus Alber, Sohn eines katholischen Priesters, war der Reformator der Wetterau, ein überzeugter Lutheraner und auch für einige Zeit Pfarrer in unserer Nachbarschaft: in Babenhausen. Er lebte von 1500 bis 1553. Er starb in Neubrandenburg. Alber ist also während seines Lebens durch das deutsche Land gereist.

Erasmus Alber hat uns einige Kirchenlieder hinterlassen. Heute werden wir seine Version des Magnifikat der Maria in der Liedpredigt auslegen. Das Magnifikat ist unser heutiger Predigttext aus dem Lukasevangelium. Das Lukasevangelium ist das einzige Evangelium, welches 3 Lobgesänge oder Cantica enthält.

Die Benediktinermönche singen heute das Magnifikat der Maria immer noch in ihrer Vesper, wo es einen Höhepunkt darstellt. In der Ostkirche wird es morgens gesungen.

Das Magnifikat der Maria sollte nach Luther gemäß der katholischen Tradition auf dem 9. Psalmton gesungen werden.
Das Magnifikat der Maria gilt als einer der großartigsten biblischen Texte und hat zu immer neuer Auseinandersetzung angeregt. Es nimmt die Reich-Gottes-Verkündigung Jesu vorweg. Moderne Deutungen unterstreichen gern die Stärke Marias und den „revolutionären“ Aspekt ihres Liedes.

Für uns evangelische Glaubensbrüder und –schwestern ist Maria nicht eine überirdische „Gottgebärerin“, sondern eine Glaubenszeugin, eine die mit Jesus bis ans Kreuz mitzitternde und mitleidende Frau, die doch nach Ostern die sich zerstreuende JüngerInnen-Truppe zusammenhält. Deshalb kann das Magnifikat der Maria auch für uns heute ein Lebensmotto werden. Hören wir, wie so ein Lebensmotto heute für uns aussehen könnte.

Doch bevor wir in das Thema einsteigen, hören wir zuerst die Melodie des Liedes. Ich darf unseren Organisten Herrn Schrick bitten, die Melodie einmal zu spielen.

Die ersten 4 Strophen lauten:
1. Mein Seel, o Herr, muß loben dich,
du bist mein Heil, des freu ich mich,
daß du nicht fragst nach weltlich Pracht
und hast mich Arme nicht veracht.

2. und angesehn mein Niedrigkeit.
Des wird von nun an weit und breit
mich selig preisen jedermann,
weil du groß Ding an mir getan.

3. Du bist auch mächtig, lieber Herr,
dein große Macht stirbt nimmermehr;
dein Nam ist alles Rühmens wert,
drum man dich willig preist und ehrt.

4. Du bist barmherzig insgemein
dem, der dich herzlich fürcht' allein,
und hilfst dem Armen immerdar,
wenn er muß leiden groß Gefahr.

Sie war die älteste Tochter einer großen Familie. Ihr Vater wurde arbeitslos, ohne eigene Schuld. Die Familie wurde arm, Verkauf des eigenen Hauses, Einzug in eine Sozialwohnung. Ihre Eltern wurden traurig. Mit ihr war es anders. Sie unterstützte die Eltern, sprach ihnen Mut zu, sie ging zur Tafel und holte das Essen. Ihren Eltern war dieser Weg zu peinlich. Sie ging fast jeden Sonntag in die Kirche, sie war fröhlich und dankbar für die kleinen Dinge des Lebens. Unverständnis Zuhause war die Reaktion.

In der Schule waren ihre Leistungen gut. Sie bestand die Realschule mit sehr gut. Gerne hätte sie das Gymnasium besucht, doch ihre Eltern sagten: „Wir lieben dich und doch müssen wir dich bitten eine Ausbildung zu machen. Das Geld ist für uns alle knapp.“

Also begann Sie in einer Event-Agentur zu arbeiten. Dort wurde sie schnell erfolgreich. Ihre Ideen waren neu und sie war dankbar für ihre Chance. Ihre Ausbildung hatte sie als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Andere sagten, sie steht auf der Gewinnerseite des Lebens, und wiederum andere sagten, sie schleime sich nur durchs Leben. Die Armut ihrer Familie blieb vielen Menschen verborgen, genauso wie ihr Glaube.

Ihre Chance war für sie die Gnade und Segen Gottes. Ihr Erfolg im Leben hat ihren Glauben gestärkt. Ihr Umfeld wurde mehr und mehr geteilt. Auf der einen Seite Bewunderung, auf der anderen Seite Neid und Missachtung. Sie selbst blieb bescheiden, hörte auf ihr Herz anstatt auf die guten Ratschläge ihrer Kollegen und Freunde, weil sie Ratschläge halt als Schläge empfand.
Auf der Arbeit begannen die Kollegen mit Mobbing. Sie war verschlossen, machte beim Flurfunk nicht mit, kam ohne die Gerüchteküche aus. Während einer kirchlichen Veranstaltung lernte sie ein Mitglied des Aufsichtsrates der Firma kennen, für die sie arbeitete. Er mochte ihre ehrliche, erfrischende Art. Ihre Art, den Menschen zu sehen und nicht den Aufsichtsrat. Er ermöglichte es ihr das Abitur nachzumachen und mit einem Abendstudium anzufangen. Manchmal wirkt Gottes Barmherzigkeit durch Menschen in unserer Umgebung und durch Menschen, von denen wir es nicht erwarten.

Wir singen die Strophen 1 bis 4.

5. Der Menschen Hoffart muß vergehn,
mag nicht vor deiner Hand bestehn;
wer sich verläßt auf seine Pracht,
dem hast du bald ein End gemacht.

6. Du machst zunicht der Menschen Rat,
das sind, Herr, deine Wundertat';
was sie gedenken wider dich,
das geht doch allzeit hinter sich.

7. Wer niedrig ist und klein geacht',
an dem übst du dein göttlich Macht
und machst ihn einem Fürsten gleich,
die Reichen arm, die Armen reich.

8. Das tust du, Herr, zu dieser Zeit,
gedenkest der Barmherzigkeit;
Israel willst du Hilfe tun
durch deinen auserwählten Sohn.

Jetzt ist sie Abteilungsleiterin. Ihre Kollegen und Kolleginnen von früher haben die Firma entweder verlassen oder sind immer noch auf den Stellen, die sie vor Jahren auch schon hatten. Ihr Tratsch führte zu nichts.

Wer denkt, dass sie ein unterwürfiger Mensch ist, der irrt. Sie sagt frei heraus, was sie denkt und zeigt dabei gegenüber jedem Menschen Respekt. Ihre Kritik ist würdevoll und doch müssen ihre Chefs und Kollegen häufig schlucken. Manchmal ist halt nichts härter als die Wahrheit, wie es einem Werbespot dieses Jahr hieß; und die spricht sie charmant aus. Zu ihren Mitarbeitern genauso wie zu den Vorständen.

Sie hatte für alles, was ihr geschah, Gott gedankt und sie wundert sich immer noch, wie viel Erfolg sie im Leben hatte. Dennoch, ihr Lebensstil ist eher bescheiden. Ein gutes Gespräch mit Freunden ist ihr wichtiger als eine Mitgliedschaft in einem Golfclub. In der Frauenhilfe tätig zu sein, gibt ihr mehr als in einem der exklusiveren Wohltätigkeitsvereine. Ihre Familie unterstützt sie und ihr kleines Glück wurde noch gestärkt: Sie wurde Mutter eines kräftigen Jungen.

Ein bescheidenes Leben kann auch in unserer heutigen Zeit ein glückliches Leben sein. Dankbarkeit für die einfachen Dinge und Respekt gehören genauso dazu wie Gott zu loben. Das ist ihr Lebensmotto und dieses Lebensmotto wird sie sicher ihrem eigenen Sohn, ihrer eigenen Tochter oder vielleicht ihrem behinderten Kind, weitergeben.

Wir singen die Strophen 5 bis 8.

9. Wir haben's nicht verdient um dich,
daß du mit uns fährst gnädiglich;
zu unsern Vätern ist geschehn
ein Wort, das hast du angesehn.

10. Auch Abraham hast du geschworn,
daß wir nicht sollten sein verlorn,
uns zugesagt das Himmelreich
und unsern Kindern ewiglich.

11. Gott Vater und dem ein'gen Sohn,
dem Heilgen Geist in einem Thron
sei Ehr und Preis von uns bereit'
von nun an bis in Ewigkeit.

Die Dichterin Ingeborg Drewitz schreibt über dieses Lied der Maria:
„Maria entwirft hier das Programm für den Sohn - es ist das Programm der Bergpredigt, das Programm der immerwährenden Gegenwirklichkeit gegen Macht, gegen Reichtum, gegen Herrschaftswillen. Für die Hungernden, für die sozial Schwachen, für die Barmherzigen. Es ist das Programm der Gerechtigkeit. Maria und Elisabeth - eine der denkbaren Geschichten, die sehr viel von der Kraft der Frauen wissen, von dem, was sie weitergeben an Erwartung, an Vertrauen. Von dem, was sie die Kinder denken lehren. Oder muß es heißen, was wir die Kinder denken lehren könnten, was wir ihnen vorzuleben hätten? Gerechtigkeit, Hoffnung, Barmherzigkeit?“

Die Frau in unserer Predigt hat dieses Lied zu ihrem Lebensmotto gemacht. Vielleicht sind solche Lebensgeschichten die Ausnahme, oder vielleicht hoffentlich nicht? Auf jeden wird die Frau ihr Lebensmotto sicher an viele weiter geben.

Wir singen die Strophen 9 bis 11.

Das Wunderbare ist, dass jede und jeder von uns sicher Teile dieses Programms in sich hat. In drei Tagen feiern wir den Heiligen Abend und Weihnacht. Wir Christen freuen uns, dass unser Herr Jesus Christus geboren wurde. Mit dieser Freude verbunden wollen wir auch Gott danken.

Und wenn Sie noch kein Geschenk gefunden haben, dann schenken Sie doch einfach Gerechtigkeit, Hoffnung und Barmherzigkeit. Wirklich kostbare Geschenke in unserer Zeit.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen

Die Lieder für diesen Gottesdienst sind:
Eingang: EG38
Vor der Predigt: EG289 1 - 3
Nach der Predigt: EG289 4 + 5
Fürbittenliedruf: EG178,12
Segenslied: EG1, 4 + 5