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Das Opfer Abrahams

von Sabine Hertzsch (Großobringen)

Predigtdatum : 17.03.2024
Lesereihe : VI
Predigttag im Kirchenjahr : Judika
Textstelle : 1. Mose 22,1-14(15-19)
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Wochenspruch: "Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele." (Matthäus 20,28)

Psalm: 43 (EG 724)

Predigtreihen

Reihe I: Johannes 18,28-19,5
Reihe II: Hebräer 13,12-14
Reihe III: Hiob 19,19-27
Reihe IV: Markus 10,35-45
Reihe V: Hebräer 5,(1-6)7-9(10)
Reihe VI: 1. Mose 22,1-14(15-19)

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 91 Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken
Wochenlied: EG 97 Holz auf Jesu Schulter
Predigtlied: EG 365 Von Gott will ich nicht lassen
Schlusslied: EG 434 Der Friede des Herrn

Predigttext: 1. Mose 22,1-14(15-19)

1 Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. 2 Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde. 3 Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. 4 Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne. 5 Und Abraham sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen. 6 Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander. 7 Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer? 8 Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander. 9 Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz 10 und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete. 11 Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. 12 Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen. 13 Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich im Gestrüpp mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt. 14 Und Abraham nannte die Stätte »Der HERR sieht«. Daher man noch heute sagt: Auf dem Berge, da der HERR sich sehen lässt.

(15 Und der Engel des HERRN rief Abraham abermals vom Himmel her 16 und sprach: Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der HERR: Weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont, 17 will ich dich segnen und deine Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und deine Nachkommen sollen die Tore ihrer Feinde besitzen; 18 und durch deine Nachkommen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast. 19 So kehrte Abraham zurück zu seinen Knechten. Und sie machten sich auf und zogen miteinander nach Beerscheba und Abraham blieb daselbst.)

Predigt

Liebe Gemeinde,

es stockt einem der Atem. Halt ein!, möchte man rufen. Das geht doch nicht! Wie ein tiefer Abgrund, wie ein Krater eines Vulkans, so kommt einem die Geschichte von Abraham und Isaak vor. Die Geschichte, in der Abraham von Gott aufgefordert wird, seinen Sohn zu opfern. Beim Lesen fühlt es sich so an, als ob ich am Rande des Abgrundes entlang gehe. Ich kann hineinspähen und die Tiefe erahnen. Ich gehe ein bisschen weiter, schaue von einer anderen Stelle. Es sieht von hier aus anders aus, fühlt sich anders an, aber es bleibt ein Abgrund. Man kann die Geschichte lesen, sie zu verstehen, fällt schwer. Die Abgründe des Menschlichen und Göttlichen sind zu tief und bodenlos, als dass ein Mensch sie alle verstehen könnte. Erstaunlich, dass dieser Text in der überarbeiteten Reihe der Predigttexte erhalten geblieben ist. Judika, so der Name dieses Sonntags: „Gott, schaffe mir Recht“. Gehen wir also auf die Suche nach dem, was recht ist!

Abraham erhält einen Auftrag von Gott. Geh … und opfere deinen Sohn!

Ohne Widerrede beugt er sich diesem Auftrag. Er geht früh am Morgen los, bereit, seinen Sohn zu opfern. Es muss ein qualvoller Weg gewesen sein, den die beiden miteinander gehen. Abraham wird in dieser Geschichte nicht als Glaubensheld beschrieben, viel zu leise wird erzählt, ohne großes Pathos: Hier bin ich, mein Sohn. … Und gingen die beiden miteinander. Uns begegnet ein zutiefst erschütterter Vater, der etwas tut, von dessen Richtigkeit er nicht überzeugt ist. Es ist eine Geschichte, die einem Menschen das Äußerste abverlangt. Abraham soll den Willen Gottes höherstellen als den Schutz seines Sohnes.

Man möchte gar nicht beginnen, diese Geschichte auf Gefühle hin zu deuten. Man wage sich vorzustellen, was denn in jenem Isaak vorgegangen sein mag. Er wird es doch nicht vergessen können, dass sein Vater mit ihm hinaufgegangen ist auf den Berg. Er wird es doch mitbekommen haben, dass das eine Art Prüfung Gottes war. Darf man danach fragen, was für ein Bild von Gott bei jenem heranwachsenden Knaben geblieben ist? Ein Gott der Liebe wohl nicht.

Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und opfere ihn zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde, spricht Gott zu Abraham. Den einzigen Sohn fordert Gott von Abraham. Den Sohn, auf den Abraham und seine Frau Sarah lange gewartet haben. Den Sohn, der für Abraham und Sarah die Zukunft, die Hoffnung und das Leben ist. All das scheint infrage gestellt zu sein. Die Zukunft, die Hoffnung, das Leben.

Das ist eine Erfahrung, die Menschen bis heute immer wieder machen müssen. Der Beginn des Krieges in der Ukraine vor zwei Jahren hat die Bewohner vor eine ähnliche Situation gestellt. Alles schien infrage gestellt, die Zukunft, die Hoffnung und das Leben. Auch Gott. Es gibt nicht wenige, die angesichts großen Leids den Glauben an Gott verlieren. Mancher hat das bei uns nach dem Krieg auch gesagt: Ich kann an keinen Gott mehr glauben.

Abgründe im Leben. Es gibt sie. Was tut man, wenn man am Abgrund steht. Was tut Abraham? Die Bibel erzählt: Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. Abraham tut einfach, was ihm gesagt ist. Man könnte nun allerlei vermuten. Möglicherweise hat er geahnt, dass es nicht zum Äußersten kommen würde.

Gewiss war Abraham ein gehorsamer Mann des Glaubens, der getan hat, was ihm Gott befahl. Er konnte aber auch streiten, so etwa, als es darum ging, die Einwohner von Sodom zu retten. Gott will die Stadt Sodom vernichten wegen der Sündhaftigkeit der dort lebenden Menschen. Aber Abraham führt ein Streitgespräch mit Gott: Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen? Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein (1. Mose 18,23 f.) Bis auf 10 Gerechte handelt Abraham herunter und Gott sieht ab von seinem Tun.

Im Blick auf die Opferung seines Sohnes widersetzt sich Abraham nicht. Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit. (1. Mose 15,6), so wird an anderer Stelle von Abraham erzählt. Abraham gilt als Vorbild im Glauben auch wegen seines bedingungslosen Gehorsams.

Betrachtet man den Text mit historischem Abstand, so ist zu sagen: der Opferkult war damals üblich. In sehr alter Zeit gab es sogar Kinderopfer. Dagegen gebietet die Geschichte Einhalt. Gott will keine Menschenopfer. Der Text bezeugt die Ablösung des Menschenopfers durch das Tieropfer. Sehr viel später wird von den Eltern von Jesus erzählt werden, dass sie anlässlich der Geburt ihres Sohnes zwei junge Tauben als Opfer im Tempel darbringen. So der Blick in eine längst vergangene Zeit.

Das Leben zurechtbringen, indem man Gott Opfer darbringt, das entspricht nicht unserer heutigen Glaubenspraxis. Es stellt sich die Frage, in welcher Weise wir das Leben zurecht bringen in außergewöhnlichen Situationen. Besonders dann, wenn man Schlimmstes befürchten muss. Besonders dann, wenn man sich an der Grenze zwischen Leben und Tod bewegt. Hier kann man sich den Glauben eines Abraham zum Vorbild nehmen. Ein Glaube, der festhält an dem, was verheißen ist.

Es geht um unseren Glauben, der nicht verloren gehen darf. Erschüttert werden, das darf der Glaube, aber nicht verlorengehen. Ist doch der Glaube „eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“ (Hebräer 11,1)

Gott versuchte Abraham, so beginnt die Geschichte. Plötzlich erscheint die Bitte im Vaterunser in einem anderen Licht: Und führe uns nicht in Versuchung! Es ist ein Gebet wert, nicht in derartige Prüfungen kommen zu müssen, wie sie dem Abraham gestellt worden sind. Und wenn doch? Vielleicht hilft es, sich deutlich zu machen: Es ist ein Ausnahmezustand, in dem ich mich befinde. Es ist ein Ausnahmezustand, in dem ich durchaus fragen kann: Wo bist du Gott? Und wo bin ich? Vielleicht ist es dann letztlich die Stimme des Engels, die mich leben ließ. (1. Mose 22,11) Da rief ihn der Engel des Herrn vom Himmel.

Amen.

Verfasserin: Pastorin Sabine Hertzsch, Bad Berka


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