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Das vornehmste Gebot

von Tobias Eichenberg (39576 Stendal)

Predigtdatum : 25.09.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 16. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Markus 10,17-27
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Wochenspruch:

Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe. (1. Johannes 4,21)

Psalm: 1 (EG 702)

Lesungen

Altes Testament:
2. Mose 20,1-17
Epistel:
Römer 14,17-19
Evangelium:
Markus 12,28-34

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 333,1-3
Danket dem Herrn!
Wochenlied:
EG 397
oder EG 494
Herzlich lieb hab ich dich, o Herr
In Gottes Namen fang ich an
Predigtlied:
EG 352,1-5
Alles ist an Gottes Segen
Schlusslied:
EG 333,4-6
Groß ist der Herr

Einführende Überlegungen:
Angesichts der Frage nach den Vorbedingungen des ewigen Lebens antwortet Jesus mit denjenigen aus den Zehn Geboten, die sich auf das Verhältnis zu Mitmenschen beziehen (den sog. Geboten der zweiten Tafel). Als der Frager diese Gebote für seine Person als erfüllt ansieht, stellt Jesus das Defizit seines Lebens fest, indem er ihn beauftragt, seine Güter zu verkaufen und den Armen zu geben. An dieser Forderung scheitert der Mann - und die Frage der Jünger gilt heute ebenso: Wer kann dann in das ewige Leben hinein gerettet werden?

Liebe Gemeinde,
was beschäftigt Sie heute am letzten Septembersonntag, wenn Sie zum Gottesdienst kommen?
Ist es eine Gewohnheit für Sie, einfach dabei zu sein? Blicken Sie vielleicht schon auf die Ernte zurück – auch wenn der Erntedanksonntag in vielen Gemeinden noch bevorsteht? Oder kommen Sie mit einer besonderen Last auf dem Herzen und wünschen, dass Gott sich darum kümmert?
Es ist gut, wenn wir mit Erwartungen zu Gott kommen. Jesus hat manchmal Menschen nach ihren Erwartungen gefragt, ehe er handelte. Wir dürfen erwarten, dass Sein Wort in unser Leben hinein geschieht, dass es uns aufrichtet und wichtige Dinge in unserem Leben bewegt. Auch wenn es oft andere Schwerpunkte setzt als wir! Hören wir in dieser Erwartung auf den Predigttext aus dem Markusevangelium, Kapitel 10, Verse 17-27.
17 Als Jesus sich auf den Weg machte, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? 18 Aber Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. 19 Du kennst die Gebote: »Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; ehre Vater und Mutter.« 20 Er aber sprach zu ihm: Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf. 21 Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach! 22 Er aber wurde unmutig über das Wort und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter.
23 Und Jesus sah um sich und sprach zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen! 24 Die Jünger aber entsetzten sich über seine Worte. Aber Jesus antwortete wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist’s, ins Reich Gottes zu kommen! 25 Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme. 26 Sie entsetzten sich aber noch viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann dann selig werden? 27 Jesus aber sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist’s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.
In unseren Tagen erleben wir ein wachsendes Interesse an Religion. Viele Gruppen, ja sogar Firmen bieten Antworten auf Fragen des Lebens an. Vielleicht kennen auch Sie Menschen, die sich zurückgezogen hatten, nun aber wieder nach dem Glauben oder der Kirche fragen. Was sagen wir ihnen, wenn sie wissen wollen, was wirklich wichtig ist? In einer solchen Situation hat sich Jesus auch oft befunden, und Evangelium und Predigttext des heutigen Sonntags erzählen gleich zweimal solche Begebenheiten.
„Was ist aus deiner Sicht wichtig, Jesus, um das ewige Leben zu bekommen?“, fragt jemand. Leben, das das Sterben überdauert, das in Gottes Herrlichkeit beständig bleibt. Leben, das nicht durch Krankheit und Leid beeinträchtigt werden kann, das man von ganzem Herzen ersehnt?
Der Mann, der so fragt, spricht Jesus sehr höflich als „guter Meister“ an. Damit drückt er sowohl seine Ehrfurcht als auch gutes Benehmen aus. Doch Jesus erwidert: „Gut ist allein Gott!“ Damit weist er den Mann von sich weg auf Gott hin. Und im gleichen Atemzug beantwortet er seine Frage: Gottes Gebote sind entscheidend, und er ruft sie ihm in Erinnerung: Nicht die Ehe brechen, nicht töten, nicht stehlen, nicht über andere falsche Aussagen machen. Auch keinem anderen etwas von seinem Eigentum nehmen. Sogar die Eltern ehren, gehört dazu.
Wir kennen diese Gebote meist in der Zählung nach Luther als Nr. 4 bis 10. Zwar ist die Reihenfolge etwas anders, als Jesus sie nennt. Aber im Inhalt sind es genau diese Regeln, die das Leben, den Besitz und die Ehre anderer schützen und die Ehe und die Eltern. Man hat sie auch Schutzzäune genannt, Schutzzäune für menschliches Zusammenleben: Wo keiner tötet, braucht niemand um sein Leben zu fürchten. Wo keiner stiehlt oder hinter dem Eigentum anderer her ist, kann man sich sicher fühlen. Wo keiner falsche Aussagen macht, wird jeder zu seinem Recht kommen. Und wo die Ehe heilig gehalten und respektiert wird, bleiben die Familien heil und die Kinder ohne Schaden. Und wo die ältere Generation in Ehren gehalten wird, hat sie einen menschenwürdigen Lebensabend zu erwarten.
Wo wäre unser Land, wenn diese Gebote ernst genommen würden? Riesige Geldsummen für Strafverfolgung und -verurteilung, Sicherheitsvorkehrungen und Versicherungen könnten gespart werden. Die Sozialkassen wären von vielen Aufgaben entlastet, die das Auseinanderbrechen von Familien mit sich bringt. Und Frieden zwischen den Generationen würde das Miteinander prägen. Wären nicht auch die Güter gerechter verteilt, wenn keiner anderen etwas wegnähme? Wir wären eine glückliche Gesellschaft! Es scheint wie eine Utopie.
Versuchen Sie, nach Gottes Geboten zu leben? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie wichtig das für menschliche Gemeinschaft ist? Meist sagen wir: „Ich bemühe mich, ein anständiger Mensch zu sein und niemandem etwas zuleide zu tun.“ Sicher ist das schon eine Menge in einer Zeit, wo viele nur auf ihr eigenes Fortkommen sehen – ohne Rücksicht auf andere.
Aber wir müssen eingestehen, dass auch bei uns nicht immer alles klappt. Manchmal reden wir doch über andere etwas, was nicht ganz als sicher gilt. Nachher stellt sich heraus: Wir haben Unwahres verbreitet. Manchmal nehmen wir es mit dem Eigentum anderer nicht so genau, wenn wir etwas gut gebrauchen können, oder wenn wir Geld sparen wollen. Da wird der Versicherung oder dem Finanzamt nicht die volle Wahrheit mitgeteilt, weil wir Vorteile daraus ziehen.
Wenn wir ganz aufrichtig sind, erreichen wir keine hundertprozentige Erfüllung der Gebote Gottes. Schon gar nicht, wenn wir sie so verschärft anwenden, wie Jesus es in der Bergpredigt tut: Töten beginnt schon dort, wo jemand über einen anderen zornig ist. Ehebruch beginnt dort, wo jemand in Gedanken sich mit einer fremden Frau beschäftigt. Was würde von unserem anständigen Menschsein übrig bleiben, wenn alle unsere Gedanken schon als vollbrachte Taten gezählt würden? Wahrscheinlich müssten wir uns schämen und sagen: Was mir da schon alles passiert ist, habe ich ja gar nicht geahnt! Wir müssten an Gottes Maßstäben scheitern, obwohl sie uns bekannt sind!
Der Mann, der Jesus angesprochen hat, ist sich dagegen seiner Sache sicher: „Das habe ich alles von Jugend auf erfüllt.“ Wir sollten an dieser Antwort nicht zu schnell zweifeln. Im jüdischen Volk gab es Gruppen von Menschen, die sich ganz intensiv um die Beachtung der Gebote Gottes kümmerten. Vom frühen Morgen bis zum Schlafengehen war alles durch genaue Regeln festgelegt, um auf keinen Fall Gottes Willen zu verfehlen. (Wir lesen ja auch in der Bibel, wie genau man auf die Einhaltung des Sabbats achtete, die in den Geboten befohlen wurde.) Vielleicht gehörte der fragende Mann zu einer solchen Gruppe und konnte deshalb mit gutem Gewissen sagen: „Das hab ich alles erfüllt.“ Und somit habe ich Anspruch auf das ewige Leben – nicht wahr, Jesus?, folgern wir weiter.
Von Jesus wird erzählt, dass er den Mann anschaut und liebt, ehe er weiter mit ihm spricht. Vielleicht hat er sein Äußeres betrachtet, vielleicht ihn in die Arme geschlossen. Auf jeden Fall wendet er sich ihm persönlich zu. Das drückt aus: Du bist mir wichtig, ich steh auf deiner Seite, auch wenn ich jetzt etwas Hartes sagen muss!
Auch heute dürfen wir erwarten, dass Jesus auf unserer Seite ist. Er will niemanden verurteilen, sondern auf alle persönlich eingehen, die zu ihm kommen. Er macht ja auch dem Mann seine Gesetzestreue nicht madig oder hinterfragt sie. Er stellt nur liebevoll fest, was ihm fehlt. Genauer, was er zuviel hat: Besitz, Eigentum. Wenn er das alles verkauft und den Armen gibt, dann kann er nicht nur ungehindert Jesus nachfolgen, sondern wird einen Schatz im Himmel haben. Das ewige Leben wäre ihm ganz sicher, er hätte noch mehr. Mit dieser Antwort mutet Jesus dem Mann unwahrscheinlich viel zu. Alles, was sein Leben sichert, soll er aufgeben und zugunsten der Armen verkaufen. Um eine totale Sicherheit bei Gott zu haben, muss er seine Sicherheiten auf Erden total drangeben. Was ihn hindert, ist nicht ein Mangel, sondern ein Zuviel.
Diejenigen, die mit Jesus durchs Land zogen, gaben ihren Besitz, ihre Umgebung und vieles andere auf. Ihre berufliche Karriere, etwa als Fischer, war zu Ende. Stattdessen hatten sie bei Jesus ein Leben mit wechselnden Aufenthaltsorten, mit viel Arbeit ohne Entlohnung, manchmal auch mit Ablehnung oder Verfolgung. Aber durch dieses Leben haben sie etwas bewegt in der damaligen Welt. Die Botschaft, die sie zunächst ins eigene, dann in andere Länder trugen, hat Menschen und schließlich das feindliche römische Reich verändert. So wurden die Namen der Jünger Jesu viel bekannter als die der reichsten Menschen ihrer Zeit. Der Weg, auf den Jesus sie rief, war etwas anderes als eine menschliche Karriere. Aber er erfüllte ihr Leben und wurde für Millionen Menschen entscheidend.
Zu solch einem Weg lud Jesus auch den Mann ein, der den Weg zum ewigen Leben wissen wollte. Aber er musste sich entscheiden, was ihm wichtiger war: Willst du das ewige Leben auch um den Preis des eigenen Reichtums haben, oder soll es nur eine zusätzliche Sicherung zu allem anderen sein? Im Grunde heißt die Frage: Ist dir Gott wichtiger als alles andere, woran dein Herz hängt? Vertraust du ihm mehr als allem Geld und Gut?
Wahrscheinlich haben Sie gemerkt, dass Jesus nach dem ersten Gebot fragt: Ist Gott Herr deines Lebens, auf den du dich ganz verlässt? Mit dieser Frage hat er den wunden Punkt getroffen. Der hochanständige Mann geht traurig weg. Dieser Preis ist ihm zu hoch. Und wahrscheinlich würden wir genau so handeln, wenn es um unseren Besitz ginge. Wir würden wohl sagen: Das ist zuviel, Jesus, das kannst du nicht verlangen! Und wir würden auf unsere Weise weggehen und sagen: Der ist mir zu extrem!
Die Jünger Jesu waren genauso erschrocken über diese Begebenheit wie wir. Hätte nicht Jesus bei einem Bewerber etwas mehr auf dessen Lage eingehen sollen? Aber Jesus benennt das Problem noch einmal in aller Schärfe: Für Reiche ist es sehr schwer, in Gottes Herrschaftsbereich zu kommen. Ihr Reichtum ist der Hinderungsgrund. Ein bepacktes Kamel passt nicht durch ein Nadelöhr. In manchen griechischen Handschriften steht der Text etwas anders: Leichter geht ein Schiffstau durch ein Nadelöhr! Ob nun Schiffstau oder Kamel – beides ist zu viel. Also keine Chance für die Reichen in Gottes Reich?
Menschlich gesehen ist es so. Aber bei Gott gibt es Möglichkeiten. Zu den Jüngern gehörten damals nur wenige Reiche. Einer von ihnen, Josef von Arimathäa, stellte sein Felsengrab zur Bestattung für Jesus zur Verfügung, andere unterstützten Jesus und später die Gemeinde mit ihrem Besitz. Ihnen allen war eins gemeinsam: Sie hielten ihr Geld und Gut nicht fest, sondern setzten es dort ein, wo es Gottes Reich und den Armen diente. Damit drückten sie aus: Nicht mehr Besitz regiert unser Leben, sondern Gott der Herr! Er steht an erster Stelle. Weil wir ihm gehören und ihm alles verdanken, ist auch unser Besitz zu seiner Verfügung. In dieser Haltung lebten sie das erste Gebot: Er ist allein Gott, auf den wir uns verlassen. Nichts anderes soll ihn aus dieser Position drängen!
Unser heutiger Predigtabschnitt stellt uns vor die Frage: Genügt es uns, ein einigermaßen anständiges Leben zu führen, aber Gott möge sich doch bitte nicht in unsere privaten Angelegenheiten einmischen? Verglichen mit der übergroßen Mehrheit der Weltbevölkerung sind wir in Deutschland alle reich. Manchmal beruhigen wir unser Gewissen mit ein paar Euro Spenden. Aber es geht um mehr: Sind wir bereit, in allen Lebensbereichen Gott, den Herrn, den Vater Jesu Christi, regieren zu lassen? Martin Luther schrieb: „Der, von dem du alles Gute erwartest und zu dem du in Not fliehst, ist dein Gott.“
Wenn wir mit Ernst Christen sein wollen, dann steht nicht mehr und nicht weniger auf dem Spiel als dieser Entschluss: Ich will, dass er, Gott der Herr, der Herr auch in meinem Leben ist!. Meine Sicherheit und meine Hilfe suche ich bei ihm, auch wenn das in unserer Zeit nicht modern erscheint.
Wo mich Dinge belasten, da bringe ich sie vor ihn, damit er sich kümmert. Selbst das Misslungene meines Lebens darf ich unter seine Vergebung bringen. Was mir aber an Gutem gehört, gehört ihm ebenso. In allen Bereichen gehöre ich zu ihm und er zu mir. Er ist in meinem Lebenshaus zu Hause, wie ich einen Platz in seinem Haus habe, den mir niemand nehmen kann.
Wir sind eingeladen, so mit ihm zu leben. Nehmen wir diesen Sonntag zum Anlass, uns neu dazu zu entschließen! Das wird Auswirkungen auch auf unsere Gemeinde und Umgebung haben. Gott schenke uns, dass durch seine Kraft gelingt, was bei Menschen unmöglich ist. Amen.

Verfasser: Pfarrer Dr. Tobias Eichenberg, Schulstr.4, 39576 Stendal

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