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Der barmherzige Samariter

von Christof Schmidt (57648 Unnau)

Predigtdatum : 05.09.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 11. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Johannesbrief 4,7-12
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Wochenspruch:

Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. (Matthäus 25,40)

Psalm: 112,5-9

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 4,1-16a
Epistel:
1. Johannes 4,7-12
Evangelium:
Lukas 10,25-37

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 169
Der Gottesdienst soll fröhlich sein
Wochenlied:
EG 343
Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ
Predigtlied:
EG 268
Strahlen brechen viele aus einem Licht
Schlusslied:
EG 419
Hilf, Herr meines Lebens

Liebe Gemeinde!
Wer von uns weiß schon wirklich, was Liebe ist? Fragt man fünf Leute, was Liebe ist, bekommt man wenigstens zehn verschiedene Erklärungsversuche.
Fragt man den Pfarrer, dann sagt der garantiert etwas so Frommes oder etwas so Theoretisches, dass man es sich kaum behalten kann. Fragt man einen Konfirmanden, kriegt er rote Ohren oder er muss furchtbar lachen. Fährt man die B 414 entlang, sieht man Menschen, die Liebe kaufen und verkaufen in ihren Wohnmobilen. Viele Erwachsene meinen, man könne Liebe machen und andere behaupten, sie sei neben dem Fußball und dem Bier eine der schönsten Nebensachen der Welt. Für die meisten Menschen ist Liebe wohl schlicht und ergreifend das, was unsere Massenmedien unter diesem Begriff verkaufen.
Wissen Sie, wenn Sie alle Zeitungen gelesen, alle Filme gesehen und alle TalkShows zu Thema angeschaut haben endlich, was Liebe ist?
Die Bibel sagt:
7 Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott.
8 Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.
9 Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. 10 Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden. 11 Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben. 12 Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.

Liebe Gemeinde, es wäre vermessen und geradezu arrogant, wollte ich hier den Anschein geben, ich könnte eine erschöpfende biblisch-theologische Antwort auf die Frage geben, was denn Liebe sei. Mir sind aber drei Dinge aufgefallen, die mich dieser Antwort vielleicht ein Stückchen näher bringen: Es ist etwas über den Ursprung der Liebe, etwas über das Wesen der Liebe und etwas über die Wirkung der Liebe.
1. Gott ist die Liebe.
Du bist die Sonne für mich, o sole mio... heißt es in einem italienisch Liebeslied. Jemand sagt zu dem Menschen, den er liebt: Du bist für mich die Sonne; wenn du kommst, dann wird es hell in meinem Leben, ohne dich wäre es in mir finster und leer. Ein Mensch identifiziert den andern als Inbegriff dessen, was bewirkt: Du bist die Sonne, du machst es warm und hell für mich, von dir her gewinnen die Dinge meines Lebens ihre Farbe. Hinter solchen Worten sehe ich eine ganz entschiedene und tiefe Bewunderung, eine letzte und höchste Wertschätzung und eine liebevolle Begeisterung unter Menschen, die miteinander ihr Leben teilen.
Gott wird hier identifiziert als der Inbegriff der Liebe. Gott ist die Liebe. Mehr Liebe auf einmal geht nicht, das ist Gott, der Gott der Bibel, der Schöpfer, der Vater im Himmel.
Wenn sich irgendwo auf der Welt Liebe ereignet und sei es im allerkleinsten Zusammenhang, dann ist da etwas von Gott. Liebe ist das entscheidende Kriterium für Gott, wenn es etwas gibt, womit sich Gott beschreiben lässt, dann ist es seine abgrundtiefe Liebe zum Menschen, die er unablässig unter Beweis stellt, die sich in so vielen Dingen zeigt, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes unbeschreiblich ist.
Lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott  so heißt es hier. Dass wir Menschen Gottes und seiner Kirche sind, das soll dann seinen Ausdruck finden, dass die Liebe, die von Gott ist, unter uns zum Ausdruck, zum Fließen und zur Verwirklichung kommt. Wo man sich wirklich und ernsthaft auf diesen Gott bezieht, da muss einfach Liebe spürbar, erlebbar und reichlich vorhanden sein.
Wo Gott als der Lebendige und Gegenwärtige geglaubt wird, da darf und kann eben nicht die Lieblosigkeit und die Gleichgültigkeit grassieren, da ist es unmöglich, in der Unversöhnlichkeit zu verharren und aus den Hinterhalten besserwisserischer Rechthaberei aufeinander zu zielen.
In seinem Büchlein „Das l x l der Gemeindeentwicklung“ beschreibt Christian Schwarz acht Qualitätsmerkmale wachsender Gemeinden, eines davon nennt er liebevolle Beziehungen.
Schwarz schreibt: Glaubwürdig gelebte Liebe verleiht einer Gemeinde eine sehr viel größere Ausstrahlungskraft, als alle Marketingbemühungen der Welt es vermögen.
Das, was uns gut tat und das, was uns als Einzelnen und als Kirche verändern und aus ungezählten Problernlagen heraushelfen kann, hat Gott längst geschenkt und möchte es auch heute in seiner Gemeinde und durch seine Gemeinde verströmen: die Liebe, die er ist! Gott ist die Liebe, wenn man das an uns noch nicht ablesen und es in unserer Nähe nicht spüren kann, dann sind wir von Blockaden umringt, die wir uns nicht mehr leisten können, dann muss etwas passieren.
Das ist kein Spaß mehr, was um uns herum in dieser Gesellschaft pausenlos geschieht, schauen Sie sich die Detonationen in Ehen und Familien an, die Untergänge der Kinder, längst bevor sie eigene Lebensentscheidungen treffen konnten; den Lärm der immer zahlreicher werdenden Gewaltbereiten, die immer schrankenlosere Kriminalität, die sinkende Achtung vor der Würde, der Unversehrtheit und dem Eigentum des Andern.
Darf es in solcher Zeit an den Oasen der Liebe Gottes fehlen? Dürfen wir so tun, als käme es nicht so sehr darauf an, ob unter uns die Liebe lebt oder nicht? Wo sollen sie heil werden, wo sollen sie Trost finden und wo ein neues Ja zum Leben  all die, die Gott hebt und von denen er will, dass sie nicht verloren werden? Gott ist die Liebe und er will es auch durch uns hindurch sein  unsere Gemeinde, eine Filiale des Backofens seiner großen Liebe  ist uns dieser Gedanke etwa zu anstrengend?
2. Die Liebe sucht, vergibt und belebt
Es heißt hier, dass Gott uns durch Jesus Christus aufgesucht hat mitten in unserer Welt. Das ist das Wesen der Liebe Gottes, dass sie sozusagen den Problemgehalt unseres Lebens anzieht, dass sie es ganz gezielt darauf anlegt, nicht mit den Harmlosigkeiten abgespeist zu werden, sondern an die wirklich gravierenden Themen heranzukommen mit der Option, uns zu verändern, uns zu erleichtern und uns zu lieben.
Es ist das Wesen der Liebe, dass sie von Gott ausgeht, dass sie ihm keine Ruhe lässt, sie sucht uns, sie will hinein in unsere Lebensverhältnisse, sie muss die Ursache sein und immer wieder werden, wenn wir uns untereinander lieben.
Das gilt für alle Felder des Lebens. Gottes Liebe ist im Spiel, wenn Mann und Frau ihre Liebe zueinander erleben in einem Reichtum, der ein ganzes Leben umspannt. Die Liebe in einer Ehe ist Geschenk Gottes und Abglanz seiner Liebe. Wer das zu einem Produkt menschlicher Gedanken und Gefühle degradiert, lebt an der Wahrheit vorbei. Dasselbe gilt für die Freundschaft unter Menschen, es gilt für die Eltern- und Kinderliebe, und genauso ist jedes Mal die Liebe Gottes auf dem Plan, wenn irgendwo in unserer Mitte Versöhnung geschieht, wenn rostige Türen vor den Herzen aufspringen und etwas wieder ins Lot kommt was lange durch Lieblosigkeit und Hass entstellt und verformt und in Unordnung war.
Gottes Liebe sucht, sie vergibt und sie belebt  ist das auch ein bestimmendes Wesensmerkmal der Liebe unter uns?
Ich denke, mit uns Menschen ist es, wie mit einem Hefeteig. Steht ein Hefeteig in einem kalten und zugigen Raum, dann geht er nicht richtig, ist er schon ein wenig aufgegangen und bekommt dann Zug oder Kälte, dann hört er auf zu gehen. Befinden wir uns in einem Klima der Lieblosigkeit, sind unsere Beziehungen gestört durch den Mangel an Liebe, dann müssen wir kümmern, dann blüht unser Leben nicht, dann ist alles mühsam und widrig.
Geraten wir aber in das Kraftfeld echter lebendiger Liebe, dann wird alles anders, dann geht es uns wie einem Hefeteig, der im Warmen steht, dann gehen wir auf, dann entfalten wir uns und nehmen neu Gestalt an, werden brauchbar, dann verlassen wir vielleicht sogar unsere vertrauten Gefäße und bewegen uns aufeinander zu, dann wird es bunt und lebendig.
Gott beschenkt uns mit seiner zurechtbringenden und belebenden Liebe  aber wir dürfen sie nicht voreinander verbergen, sie muss sich äußern in unserer Freundlichkeit, in unserer Großzügigkeit miteinander, in unserer Achtung und Fürsorge füreinander und in einem sich stetig erwärmenden Klima der Beziehungen in dieser Gemeinde.
3. Die Liebe baut Persönlichkeiten und Gemeinden.
Wirkungslose Liebe gibt es nicht, sondern bestenfalls lieblose Wirkungen. Zwischen diesen beiden Alternativen spielt unser Leben  privat und als Gemeinde. Liebe verändert, indem sie aufbaut, sie investiert in Menschen und lässt sich vom Augenschein nicht irritieren, sie sieht mehr, als das, was unmittelbar geschieht.
Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, ...
An der gelebten Liebe in der Gemeinde wird etwas von Gott sichtbar, Liebe ist Gegenwart Gottes, Gott ist unter uns in dem Maße, in dem Liebe konkret und wirklich wird und dann entsteht und dann wächst Gemeinde. Zur Illustration eine Begebenheit aus der Gefängnisseelsorge:
In einem Gefängnis saß ein Schwerverbrecher seine lebenslange Strafe ab. Er war voller Hass und Bitterkeit, verschlossen und grob. Immer wieder versuchte der Gefängnisseelsorger mit ihm zu sprechen und ihm nahe zu kommen. Er wurde getreten, angespuckt, bekam das Essen ins Gesicht geschüttet und Flüche an den Kopf geworfen. Siebzehn lange Jahre bemühte sich der Seelsorger mit außerordentlicher Liebe um den Mann. Eines Tages, als er in die Zelle kam, brach der Häftling weinend vor dem Seelsorger zusammen und sagte: „Seit siebzehn Jahren bin ich nun zu ihnen wie ein Teufel, und sie haben mich immer als Menschen behandelt. Nun will ich auch ein Mensch werden.“
Das war der Anfang einer langen grundlegenden Verwandlung eines Menschen.
Die Liebe des Seelsorgers, die in dem hasserfüllten Verbrecher das sah, was noch werden könnte, verwandelte den Mann. Die Augen der Wahrheit sehen, was ein Mensch ist und nicht ist. Aber die Augen der Liebe sehen das, was ein Mensch noch werden kann, wenn er geliebt wird. Das war das Geheimnis der Liebe Jesu.
Liebe Gemeinde, so nämlich, dass ein Mensch nach dem andern verändert und aufgebaut wird durch die Liebe Gottes, so wächst sein Reich in dieser Welt, und nur so kann Gemeinde gebaut werden.
Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott.
Das ist eine bedenkenswerte Einladung. Sie eröffnet eine wohltuende und schöne Perspektive. Bleibt nur die Frage, ob wir dieser Einladung folgen. Amen.

Verfasser: Pfr. Christof Schmidt, Kirchweg 12, 57648 Unnau

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