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Der dankbare Samariter

von Andreas Piontek (99974 Mühlhausen)

Predigtdatum : 12.09.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 12. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Römer 8,(12-13).14-17
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Wochenspruch:

Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.(Psalm 103,2)

Psalm: 146 (EG 757)

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 28,10-19
Epistel:
Römer 8, (12-13) 14-17
Evangelium:
Lukas 17,11-19

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 302
Du, meine Seele, singe
Wochenlied:
EG 365
Von Gott will ich nicht lassen
Predigtlied:
EG 369
Wer nur den lieben Gott lässt walten
Schlusslied:
EG 171
Bewahre uns, Gott

Hinführung
Es ist zu empfehlen, das ganze 8. Kapitel des Römerbriefes im Zusammenhang zu lesen, bevor man sich in die Verse 14-17 vertieft. Denn mit diesem Kapitel wird mit dem Thema „Befreiung“ der Höhepunkt des ganzen ersten Briefteils deutlich. Dazu dann noch, wenn möglich, J. S. Bachs Motette „Jesu, meine Freude“ hören. In dieser Motette hat Bach Römer 8 unnachahmlich in Musik gesetzt. Bach ist es gelungen, eine triumphierende Grundstimmung durchzuhalten. Er, Gott, hat uns freigemacht, und so können wir uns treiben lassen von SEINEM Geist.
Vom Geist Gottes sich treiben lassen, das setzt uns in Bewegung. Bach bringt das in einer Fuge, die mit furiosem Tempo einsetzt.
Die Predigt nimmt zum einen das auf, was uns in unserer alltäglichen Situation bewegt, zum anderen soll aber vor allem der Blick darauf gelenkt werden, wie gut es ist, wenn uns Gottes Geist treibt. Umgangssprachlich hat das Wort „Geist“ unterschiedliche Bedeutungen. Eine mögliche Übersetzung des griechischen Wortes ist auch „Wind“.
Das lädt ein, bildhaft zu reden. So wird dem Hörer ein Raum eröffnet für Assoziationen, in dem er sich selbst schöpferisch einbringen kann. Es entsteht im Zusammenwirken von Prediger und Hörer die wirkliche Predigt, eine Predigt, die wirkt.
[12 Wir sind nicht dem Fleisch schuldig, dass wir nach dem Fleisch leben. 13 Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben. Denn:]
14 welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. 15 Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! 16 Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. 17 Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.

Liebe Gemeinde,
Gottes Geist ist die treibende Kraft in unserem Christsein. Und es wäre doch auch gut, wenn da mehr in Bewegung käme.
Wir ruhen uns gemächlich aus und leben vom Kapital. Viele zehren von ihrer Kinderfrömmigkeit ein Leben lang. Sie wachsen im Glauben nicht mit. Ihre Gotteserfahrung bleibt in einer kindlichen Welt. Sicher, diese oft schlichte, vertrauende Frömmigkeit ist ein gutes Erbe, aber unser Glaube wird in spannungsreichen Situationen, in bewegenden Konflikten zu einem neuen Wagnis, zu einem kühnen Vertrauen herausgefordert. Der Glaube muss mitmachen und den gestiegenen Anforderungen entsprechen. Das aber, was uns im Leben oft treibt, ist nicht der Geist Gottes. Ich denke dabei an die Pflichten im Beruf, die uns zu erdrücken drohen. Ich denke an die Ängste und Sorgen vieler vor der Zukunft. Jeder und jede von uns weiß am besten, was ihn im Moment so alles umhertreibt.
Bei dem vielen Hin- und Hergetriebensein wünschen wir uns aber manchmal regelrecht, uns einfach einmal wohltuend treiben lassen zu können. So etwa wie ein Segelboot auf dem Wasser. Es gleitet so langsam hin und kommt ans Ziel. Schön und erholsam kann es sein, sich einfach treiben zu lassen, die Segel in den Wind zu setzen und das Boot in die Strömung. Einmal nicht selber treten und Wind machen müssen, sondern sich von fremder Kraft treiben und tragen lassen und dann auch mit dem Wind und mit dem Strom gut vorankommen. Ich denke, das würde uns auch gut bekommen.
Liebe Gemeinde,
wie der Wind das Segelboot treibt, so können auch wir uns treiben lassen vom „Wind Gottes“. Die Übersetzung „Wind Gottes“ klingt zwar erst einmal fremd, ist aber auch eine mögliche. Denn das griechische Wort für „Geist“ kann auch mit „Wind“ übersetzt werden. Mit dieser Bedeutung im Hinterkopf können wir dann auch sagen: Gottes Geist kann uns voranbringen, wenn wir uns nur von ihm treiben lassen, wenn wir also – um im Bild des Segelbootes zu bleiben – nicht vergessen, die Segel zu hissen.
Gottes Geist allerdings treibt uns nicht umher wie unsere ureigensten Pflichten und Ängste, die uns nur an den Rand der Katastrophe bringen. Gerade aber deshalb, weil mit zunehmendem Fortschritt die Ängste immer größer werden, ist der Geist Gottes so wichtig. In vielen Bereichen des Lebens nimmt die Angst zu. Die Angst vor dem Alter, die Angst vor Krankheit, vor den Auswirkungen der anstehenden Reformen, Angst vor der Arbeitslosigkeit, Angst vor der Zerstörung der Mitwelt, Angst vor sozialer Kälte, Angst vor Vereinsamung. Aber auch die Angst vor dem Urteil der anderen über mich. Wie viele Menschen sehen sich so am Ende ihrer Kraft. Ihr Leben ist in einer „Sackgasse“.
Liebe Gemeinde,
in diese „Sackgasse der Angst“ will uns der Geist Gottes nicht treiben. Nicht, dass wir die Ängste nicht hätten, der Geist Gottes aber lässt uns die Angst überwinden. Er schafft uns Freiraum in jeder Klemme, in der wir festsitzen können. Unser Rücken wird freigehalten. Und dort, wo wir uns blind hin- und hertreiben lassen, steht der lebendige Gott nahe bei uns. Wir sind nicht allein. Gott ist bei uns und geht mit uns. Er schafft Raum zum Weitergehen und Luft zum Atmen. Jeder Ort, so hat August Hermann Francke einmal gesagt, jeder Ort ist unmittelbar zu Gott. Francke, der die pietistische Frömmigkeit entscheidend mitprägte, sagte damit, ganz gleich, wo du hinkommst, Gott ist schon da. Gott bleibt uns unauffällig nahe. Denn für ihn sind wir seine geliebten Kinder. Paulus schreibt: „Die der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder“. Gott ist zu uns also wie Vater und Mutter.
Eine kurze Geschichte macht deutlich, wie es sein kann zwischen Gott und uns, wenn wir uns treiben lassen von seinem Geist.
Hoch über dem Marktplatz einer kleinen Stadt hatte ein Seiltänzer sein Seil gespannt und machte dort oben seine gefährlichen Kunststücke. Gegen Ende seiner Vorstellung nahm er eine Schubkarre und fragte einen Zuschauer: „Trauen Sie mir zu, dass ich diese Karre über das Seil schicke?“ „Warum nicht?“ antwortete dieser. „Würden Sie sich dann mir anvertrauen und sich in die Schubkarre setzen und von mir über das Seil fahren lassen?“ fragte darauf der Seiltänzer. Ängstlich zog sich der Zuschauer zurück. Denn dazu fehlte ihm dann doch der Mut. Soweit ging sein Vertrauen nicht.
Da meldete sich ein kleiner Junge freiwillig. „Ich setze mich in die Karre“ rief er, und kletterte hinauf. Unter dem gespannten Schweigen der Zuschauer schob er das Kind in der Karre über das Seil. Als sie am anderen Ende angekommen waren und der Junge wieder unten war, da fragte ihn ein Zuschauer: „Sag mal, hattest du keine Angst dort oben?“ Der Junge lachte nur und antwortete: „Nein, denn der mich über das Seil geschoben hat, ist mein Vater!“
Liebe Gemeinde,
als Kinder Gottes können wir so vertrauen wie der Junge in der Geschichte. So voller Vertrauen sein, mit leeren Händen dastehen und alles erwarten – so wie es Kinder eben tun – das lässt uns trotz vieler Ängste hoffnungsvoll leben. Sich beschenken lassen, ohne zu rechnen und dankbar sein über Kleinigkeiten – auch das können Kinder immer noch mehr als Erwachsene – macht das Leben wahrhaft glücklich.
Für Gott sind wir seine geliebten Kinder, zweifellos erwachsen, aber eben doch bedürftig. Wir brauchen den Freiraum, der uns die Angst überwinden lässt. Wir brauchen einen, der uns den Rücken freihält. Und wir brauchen einen, dem wir bedenkenlos vertrauen können.
Liebe Gemeinde,
lassen wir uns doch von all dem treiben, nicht von den Kräften dieser Welt, die an uns zerren, sondern von dem Geist Gottes. So wird Gott zu uns sein wie Mutter und Vater.
Amen.

Verfasser: Sup. Andreas Piontek, Bei der Marienkirche 9, 99974 Mühlhausen

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