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Der Freudenmeister

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 14.01.2001
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 2. Sonntag nach Epiphanias
Textstelle : Markus 2,18-20.(21-22)
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Wochenspruch:

Das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. (Joh 1,17)

Psalm: 105,1-8

Lesungen

Altes Testament:
2. Mose 33,17b-23
Epistel:
Römer 12, (4-8) 9-16
Evangelium:
Johannes 2,1-11

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 441
Du höchstes Licht, ewiger Schein
Wochenlied:
EG 5
oder EG 398
Gottes Sohn ist kommen
In dir ist Freude
Predigtlied:
EG 66
Jesus ist kommen
Schlusslied:
EG 562
Segne und behüte

18 Die Jünger des Johannes und die Pharisäer fasteten viel; und es kamen einige, die sprachen zu ihm: Warum fasten die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer, und deine Jünger fasten nicht?
19 Und Jesus sprach zu ihnen: Wie können die Hochzeitsgäste fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten. 20 Es wird aber die Zeit kommen, dass der Bräutigam von ihnen genommen wird; dann werden sie fasten, an jenem Tage. [21 Niemand flickt einen Lappen von neuem Tuch auf ein altes Kleid; sonst reißt der neue Lappen vom alten ab, und der Riss wird ärger. 22 Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißt der Wein die Schläuche, und der Wein ist verloren und die Schläuche auch; sondern man soll neuen Wein in neue Schläuche füllen.]

Liebe Schwestern und Brüder!
Ich habe von einem Traum gehört: Einige jüngere Leute haben über das Leben der Kirche gesprochen und was denn nun das entscheidende sei, damit die Kirche Kirche wäre. Einige haben sich stark gemacht für soziale Gerechtigkeit. Einige haben sich stark gemacht für nachbarschaftliche Aufmerksamkeit. Einige haben mehr Konsequenz beim Bibellesen gefordert. Und dann sagte jemand: Eigentlich müssten wir in der Kirche beim Gottesdienst viel mehr Freude rüberbringen! Und dann guckte sie - es war eine Frau - ihren Pfarrer an und sagte: Ehrlich, du solltest ruhig einmal am Altar tanzen! Da hat der Pfarrer, der diesen Traum hatte, noch im Schlaf aufgestöhnt und sehr laut gesagt: „Also das tue ich mir und der Gemeinde nicht auch noch an - dass ich im Gottesdienst tanze!“
Zugegeben, das ist ein etwas verrückter Traum und vielleicht können Sie jetzt nur mühsam ein Lächeln oder Kopfschütteln unterdrücken. Aber das Thema dieses Traumes ist ein Grundthema des Lebens und Glaubens. Das Thema dieses Traumes heißt: Wie sieht Leben aus, das der Gegenwart Gottes entspricht?
Ich finde in unserem Predigtwort zwei Antworten auf diese Frage.
Die erste Antwort heißt: Fasten
Das ist die Antwort, die die Jünger des Johannes und die Pharisäer geben: Wir können uns nur so auf die Begegnung mit Gott vorbereiten, dass wir fasten. Wer fastet, der gesteht damit ein, dass sein Leben vor Gott immer neu in Ordnung gebracht werden muss. Wer fastet, der verzichtet um Gottes willen auf Lebensmöglichkeiten und Lebensgenüsse. Wer fastet, der macht damit sein Leben auf für Gott, weil er sich selbst nicht mehr mit allem und jedem zustopft und vollstopft.
Seien wir nicht zu voreilig im Verurteilen dieser Gedanken. Fasten ist heute wieder „in“. Ich kenne eine Menge Leute, die sagen: Nur wenn ich regelmäßig faste, komme ich an meine inneren Kraftquellen heran. Wenn ich das Leben in vollen Zügen genieße, dann werde ich ganz äußerlich, dann werde ich irgendwann ein Opfer meiner Triebe und der Dinge, die ich mir leisten kann.
Und so fasten sie dann - und die einen verzichten für Wochen auf das Fernsehgerät, weil sie nicht verblöden wollen, sondern endlich wieder einmal eigene Gedanken denken möchten. Die anderen verzichten über Wochen hin auf Bier und Wein, weil das dem Bauch gut tut und auch dem Denkvermögen, weil der Kopf ganz neue Klarheit gewinnt. Wieder andere machen ein „Wörterfasten“ und gehen einmal für einige Zeit in ‚Tage des Schweigens’, weil sie nur so zu sich selbst finden können, dass sie einmal dem Lärm um sich herum entfliehen.
Dahinter steht jedes Mal der Gedanke: Durch solches Fasten ebne ich den Weg zu einem tiefer gegründeten, echteren Leben. Einen Schritt weiter heißt der Gedanke: Durch solches Fasten ebne ich den Weg zu Gott. Der Weg zu Gott und mit Gott - das sagen alle Religionen - ist kein Weg der gefälligen Selbstbedienung und kein Weg so mal eben mit linker Hand. Dieser Weg kostet Opfer und Anstrengung und Verzicht.
Ich glaube, dass viele bis heute genauso über den Weg zu Gott denken: Du musst dich anstrengen und ins Zeug legen. Du musst fasten. Dabei ist das „Fasten“ nicht immer wörtlich gemeint. Es steht für die Anstrengungen, die wir unternehmen, um Gott zu gefallen: Beten, in die Kirche gehen, Bibellesen, für „Brot für die Welt“ spenden, sich sozial engagieren, sich für den Frieden in der Welt einsetzen, sich für die Armen und Schwachen einsetzen.
Wenn Sie einmal auf der Straße fragen, was denn das Wesentliche am Christentum sei, bekommen sie in acht von zehn Fällen vermutlich die Antwort: Nächstenliebe. Das ist so eine Art „Fasten“: Statt sich Zuhause in den Fernsehsessel zu legen und die Füße bei einer Flasche Bier oder Wein hochzunehmen, sind Christen immer unterwegs zu einer alten Frau oder zu einem einsamen Kind oder halten an bei einem Autofahrer, der eine Reifenpanne hat. Sie wissen zwar auch nicht, wie man so etwas repariert, aber sie halten an und machen ihm Mut - und wenn sie missionarische Christen sind, dann sagen sie ihm noch: „Siehst du, du brauchst Jesus.“
Das alles ist mit dem Stichwort „Fasten“ gemeint: der Mensch muss sich ins Zeug legen und auf manche Annehmlichkeit des Lebens verzichten, damit er vor Gott bestehen kann.
Die zweite Antwort heißt: „Feiern“
Um vor Gott bestehen zu können - so sagt Jesus - musst du nur eines tun: Lass dich hineinrufen in seine Freude. Lass Dich beschenken mit dem Leben, das er gibt.
Das hat Jesus nicht nur gesagt. Er hat es mit seinen Jüngern gelebt. Wir finden ihn auf der Hochzeit von Kana bei denen, die ein Fest feiern. Wir finden ihn bei den Kindern, die sich um ihn drängen, weil es bei ihm gut sein ist. Wir finden ihn auf dem Weg durch die Felder, wie er den Jüngern die Augen öffnet für die Schönheit der Schöpfung und sie lehrt, dass alles Natürliche ein Gleichnis ist für die Güte Gottes. Wir finden ihn als den, der den Jüngern ein Bild von Gott malt, das nicht den strengen Richter zeigt, sondern den gütigen Vater, nicht den wilden Jäger, sondern den helfenden Hirten. Wir sehen ihn in einer unglaublichen Leichtigkeit das Leben verschenken - an die, die gerade bei ihm sind.
Wenn wir Jesus anschauen und seine Art zu leben, dann sehen wir: Wir dürfen unser ganzes Leben - einschließlich seiner Chancen und Aufgaben, einschließlich seiner Gefahren und Gefährdungen - aus Gottes Hand nehmen, so wie er es gibt: als sein Geschenk, uns zugute.
Dieses Feiern des Lebens, dieses Leben aus dem Geschenk hat einen sachlichen Grund, den Jesus benennt: Ihr geht der Gegenwart Gottes nicht erst entgegen, sondern ihr lebt jetzt schon in seiner Gegenwart!
Wenn Sie beim Lesen genau zugehört haben, dann haben Sie mitbekommen, dass Jesus auf die Frage: „Warum fasten deine Jünger nicht?“, sagt: Wenn der Bräutigam da ist, dann wird Hochzeit gefeiert.
Dieses Bild von der Hochzeit ist ein uraltes Bild der Erwartung Israels an seinen Gott. Im Alten Testament wird immer wieder mit diesem Bild ausgedrückt, wie Israel mit Gott verbunden ist: wie eine Frau mit ihrem Mann. Die Propheten haben den Abfall Israels von seinem Gott als Ehebruch beschrieben. Wenn das Volk anderen Göttern nachläuft und das erste Gebot bricht, dann betreibt es in der Bildersprache der Propheten Hurerei.
Das alles führt dann zur Vorstellung, dass Gott einmal kommen wird und das Volk als seine Braut zur Hochzeit führen wird. So dachten auch die Pharisäer. Und dann würde, so die Vorstellung, nach diesem Kommen Gottes oder genauer: mit diesem Kommen Gottes, ein Fest ohne Ende beginnen.
Nun merken Sie, was Jesus sagt, wenn er sagt: Wie sollen die Hochzeitsleute fasten, wenn der Bräutigam da ist? Er sagt nicht mehr und nicht weniger als: In mir ist diese Hochzeit und Heilszeit da. Wer mit mir lebt, der darf dieses Fest ohne Ende schon anfeiern. Wer mit mir lebt, der hat keinen Grund mehr, ängstlich zu fasten, sich vor Gott lieb Kind machen zu wollen. Wer mit mir lebt, der ist schon in der Gegenwart Gottes, der schmeckt schon sein Heil und atmet schon den Geist der Freiheit.
Darum heilt er Kranke, darum vergibt er Sünde, darum richtet er Traurige auf, darum gibt er einer Witwe ihr Kind zurück, darum schenkt er Mutlosen neue Kraft. Wer ihm mit offenen Händen und einem fragenden Herzen entgegenkommt - der erfährt bei ihm Hoch-Zeit seines Lebens.
Das ist die Haltung, zu der uns Jesus führen will: dass wir in der Freude leben, weil wir in seiner Gegenwart schon alles empfangen, was zum Leben nottut: Frieden und Glück, Freundschaft und Vergebung, Mut und Versöhnung, Hoffnung und den langen Atem, der den Weg durch die Welt im Vertrauen auf Gott gehen lässt.
Das ist die Haltung, zu der uns Jesus helfen will - dass wir uns beschenken lassen - zuallererst mit seiner Freundschaft und seiner Liebe.
3. Keine Flickschusterei
Wenn das aber wahr ist - dann kann die christliche Gemeinde nicht mehr zurück auf den Weg des Fastens. Wenn das wahr ist, dass wir in Jesus mit überfließenden Leben beschenkt sind, dann können wir nicht mehr hergehen und neue Kartenhäuschen für den Eintritt in die Gemeinschaft mit Jesus aufrichten. Das meint: Neuer Wein in alte Schläuche schütten: Du musst erst einmal nachweisen, dass du es ernst meinst mit Jesus, bevor du Eintritt gewährt bekommst.
Das wird wohl auch kaum jemand bewusst tun, aber unbewusst tun wir das nur allzuoft. Wir tun das, wenn wir unsere Vorliebe für bestimmte Lieder in der Gemeinde durchdrücken. Wir tun das, wenn wir unseren Sprachstil in der Gemeinde durchsetzen, wenn wir unseren Denkstil und unseren Glaubensstil in der Gemeinde durchdrücken. Wir tun das, wenn wir unsere Art zu beten für allein richtig halten, wenn wir so tun, als könnte Gottesdienst nur in der Form gehalten werden, wie wir das seit 50 Jahren tun oder als sei das Abendmahl nur mit dem Gemeinschaftskelch oder nur mit dem Einzelkelch richtig gefeiert.
Wo immer wir die „Kultur“ unserer Gemeinde oder gar unserer Gruppe in der Gemeinde mit dem Evangelium verwechseln und die Anpassung an diese Gemeindekultur zur Einlassbedingung für andere machen, da schütten wir neuen Wein in alte Schläuche, da verderben wir neue Kleider durch alte Flicken.
Jesus aber will uns beschenken mit der Freude an seiner Nähe. Wo er nahe ist, können wir leer werden, um uns seinem Einfluss neu zu öffnen. In seiner Nähe beflügelt uns die Phantasie seiner Liebe. In seiner Nähe können wir uns öffnen für den anderen, auch den, der uns ganz fremd ist und mit ihm nach neuen Wegen fragen, die ihm guttun für seinen Glauben. Uns wachsen neue Lieder und neue Worte zu. In seiner Nähe bestimmt uns nicht mehr die Angst, die immerzu fragt, ob sie auch genug geleistet hat und sich abgrenzt, sondern die Hoffnung auf neue Entdeckungen und neue Erfahrungen. In seiner Nähe können wir über Schuld hinwegfinden, weil wir seiner Vergebung glauben, lernen wir, mit Versagen umzugehen, weil er sich uns auch dann nicht versagt.
Aus dieser Nähe heraus lieben wir die Erde und hoffen doch zugleich auf das Fest ohne Ende, das uns Jesus in der Ewigkeit des Vaters versprochen hat. Dessen Anfang erleben wir schon hier - in einer Welt voller Furcht und Angst, voller Misstrauen und Abgrenzung, voller Verzagen und Versagen. In diese Nähe voller Freude ruft uns Jesus - dich und mich. Amen.

Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg

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