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Der Gottessohn

von Kurt Rainer Klein (55288 Schornsheim)

Predigtdatum : 04.01.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 2. Sonntag nach dem Christfest
Textstelle : 1. Johannesbrief 5,11-13
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Wochenspruch:

Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. (Johannes 1,14b)

Psalm: 138,2-5

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 61,1-3 (4.9) 11.10
Epistel:
1. Johannes 5,11-13
Evangelium:
Lukas 2,41-52

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 34
Freuet euch, ihr Christen alle
Wochenlied:
EG 51
oder EG 72
Also liebt Gott die arge Welt
O Jesu Christe, wahres Licht
Predigtlied:
EG 66
Jesus ist kommen
Schlusslied:
EG 35,1-3
Nun singet und seid froh

11 Das ist das Zeugnis, dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn. 12 Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.
13 Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.

Vorbemerkungen:
Der Mensch hat Lebensträume, die durch eine allgegenwärtige Werbephilosophie gelenkt sind: Jugendlichkeit, Sportlichkeit, Reichtum, Erfolg. Neben dieser künstlichen Welt gibt es Lebenswelten, die sich durch Behinderung, Krankheit, Erfolglosigkeit auszeichnen. Allen Menschen gemeinsam ist die Sehnsucht nach Vollkommenheit. Medizin und Gentechnik nehmen diese Sehnsucht auf.
Der 1. Johannesbrief spricht vom ewigen Leben, das mit Jesus Christus identifiziert wird. Die Ausführungen der Predigt wollen deutlich machen, dass ewiges Leben keine quantitative, sondern eine qualitative Dimension ist. Diese Dimension, dieser Lebensraum ist erfüllt von dem „Gott der Liebe“, der uns in Jesus von Nazareth begegnet.
In der Nachfolge Jesu eröffnen wir diesen Lebensraum der Liebe für andere, wo immer wir uns Menschen zuwenden. Ein Beispiel hat Jesus selbst gegeben mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Das eine oder andere aktuelle Vorortbeispiel solcher menschlichen Zuwendung als „Verweltlichung“ des ewigen Lebens kann der Predigt eingefügt werden.
Ewiges Leben beginnt im Hier und Jetzt und ist immer nur gebrochen da, wie auch das Gedicht von Marie-Luise Kaschnitz anspricht. Ewiges Leben ist mehr als unsere Sehnsucht.

Liebe Gemeinde,
Wer sich Werbeanzeigen in Illustrierten einmal genauer ansieht, wird einen Eindruck vom Leben erhalten. Leben heißt jung und attraktiv sein. Leben bedeutet erotisch und anziehend sein. Leben ist ausgerichtet auf Glücklich- und Freisein. Leben ist geprägt von materiellem Reichtum und Konsumfähigkeit. Leben ist ausgerichtet auf Leistungsfähigkeit und Erfolg.
Das ist Leben. Leben in einem ganz eng gesteckten Rahmen. Die Faszination, die solche Menschenbilder ausüben, ist unbeschreiblich: Man muss schlank sein und darf nicht alt werden. Falten sind verpönt und schlechte Laune unerträglich. Fitness- und Sonnenstudios profitieren ebenso wie Schönheitschirurgen und Imageberater. Pillen werden geschluckt, die uns die Jugendlichkeit erhalten sollen. Bücher werden gelesen, wie man ein glückliches Leben führt bzw. seine erste Million macht.
Die Zahl der Unzufriedenen nimmt zwangsläufig zu. In einer auf Äußerlichkeiten bedachten Gesellschaft spielt das Aussehen eine große Rolle. Wenn das Gesicht nicht dem gerade aktuellen Schönheitsideal entspricht und wenn der Körper nicht die Idealmaße hat, also aus dem eng gesteckten Rahmen fällt, werden innere Zweifel wach, die das Leben aus der Balance zu bringen vermögen. Wenn man seinen eigenen - oft überhöhten – Ansprüchen nicht gerecht wird, fällt man in ein Stimmungstief.

Lebenswelten
Aber es gibt auch eine ganz andere Seite des Lebens:
Er stellte einen Mehrfachbehinderten in ihre Mitte und fragte: „Wie hoch schätzt ihr diesen Menschen?“
Sie dachten an die nicht unbeträchtlichen Kosten für seine Pflege und Ausbildung und an den winzigen Anteil am allgemeinen Wertzuwachs und schwiegen.
Da sah er sie der Reihe nach an und sagte: „Dieser Mensch ist wertvoller als euer ganzer Etat für Soziales! Er ist Gottes Geschöpf, einmalig und unaustauschbar. Er ist Person; das weist seine Gottebenbildlichkeit aus. Auf seine Weise verherrlicht er Gott, der ihm auf göttliche Weise zugetan ist - in persönlicher, vorbehaltloser, unbegrenzter Liebe.“
Sie hatten einer nach dem anderen zu Boden geschaut, aber jetzt - wie unter sanftem Zwang - hoben sie alle die Köpfe, und staunend erkannten sie einen bisher nicht wahrgenommenen Glanz auf dem Gesicht dieses einen, der in ihre Mitte gestellt worden war.
Es gibt sie auch: Menschen mit einer Behinderung, ob angeboren oder durch einen Unfall. Sie sprengen jeden Rahmen eines Menschenbildes, das erstrebenswert erscheint. Aber auch sie leben und gehören zu unserem Leben dazu. Auch sie sind Geschöpfe Gottes und nicht als lebensunwertes Leben zu betrachten. Sie verkörpern nicht selten das Leiden, das wir heute gerne aus unserer Welt verbannen möchten. Gesundheitliche Beeinträchtigungen passen nicht in eine Vollkommenheit anstrebende Welt. So werden sie als Störung empfunden, wie ein Gerichtsurteil vor Jahren belegt, das Urlaubern, weil sie mit einer Gruppe behinderter Menschen in einem Hotel verbringen mussten, einen Genussnachteil bescheinigte und Geld vom Reiseveranstalter zurückerstattete.
Lebenssehnsüchte
Nicht mehr alt werden, sondern ewig jung bleiben wollen. Keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, sondern Makellosigkeit haben. Niemals leiden, sondern immer glücklich sein. Ist das das Leben, das wir anstreben? Die Medizin und Molekularbiologie machen rasche Fortschritte. Schon erscheint am Horizont die Vision, sich eines Tages die Eigenschaften seiner Kinder aussuchen und mögliche Krankheiten von vorne herein ausschließen zu können. Ganz zu schweigen von der Vision eines Lebens, das nicht nur Jahrzehnte, sondern Jahrhunderte dauert. Ist das das Leben, das wir ersehnen?! Ist das die Gesellschaft, die wir uns vorstellen können?!
„Und das ist das Zeugnis, das uns Gott das ewige Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn.“
Erinnern wir uns an den Schriftgelehrten, der zu Jesus kommt mit der Frage nach dem ewigen Leben. Jesus verweist ihn auf das, was er von Kindesbeinen an gelernt und verinnerlicht hat. Ja, sagt er, die Gebote hält er. Also, gibt Jesus ihm zur Antwort, dann handele danach und du wirst leben. Aber wer ist mein Nächster, fragt er. Und Jesus erzählt ihm die Geschichte vom barmherzigen Samariter, der als Fremder dem zum Nächsten wird, der seine Hilfe braucht.
Hier erfahren wir, wie Jesus das ewige Leben als einen Raum definiert, der von Liebe und Zuwendung erfüllt ist. (Der Gipfel des Gleichnisses besteht darin, dass ein Ausländer dem unter die Räuber Gefallenen wieder auf die Beine hat.) Jesus gibt - wie wir das vielleicht erwarten würden - keine Zeitangabe. Ewiges Leben ist für Jesus keine Quantität der Zeit, sondern vielmehr eine Qualität Gottes. Nicht anders sieht das der 1. Johannesbrief, der es immer wieder auf den Punkt bringt: „Gott ist Liebe!“
Lebensräume
„Gott ist Liebe!“ Das ist die Qualität des ewigen Lebens: Gott, der ewig ist, ist Liebe! Er verkörpert das Ewige in der Liebe, die sich zuwendet! Dieses ewige Leben begegnet uns in seinem Sohn. Begegnet uns in dem, der sich den Benachteiligten dieses Lebens zugewandt hat. Seine Parteinahme für die, die aus dem Rahmen von Schönheits- und Erfolgsidealen gefallen sind, begegnet uns auf Schritt und Tritt in den Evangelien und stößt uns an, das Ewige in dieser Zuwendung der Liebe zu entdecken.
„Wer den Sohn hat, der hat das Leben!“
Verstehen wir das Haben nicht falsch. Wir können ihn nicht haben, wie ein Ölbild oder eine Aktie. Aber wir können ihn haben in dem Sinne, dass sein Geist der Liebe uns durchdringt. Und dieses Durchdringen seines Geistes gibt uns ewiges Leben. Jetzt schon beginnt es. Hier und heute an dem Platz, an dem wir stehen. Mitten im Leben. Wo wir Partei nehmen für einen, der selbst zu schwach ist, seine Stimme zu erheben. Wo wir Grenzen überschreiten und Trennungen aufheben. Wo wir über unseren eigenen Schatten springen. Da durchdringt das ewige unser zeitliches Leben.
Marie-Luise Kaschnitz bringt das in ihrem Gedicht „Auferstehung“ zur Sprache:
Manchmal stehen wir auf
Stehen wir zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserem lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut.
Nur das Gewohnte ist um uns.
Keine Fata Morgana von Palmen
Mit weidenden Löwen
Und sanften Wölfen.
Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken
Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.
Und dennoch leicht
Und dennoch unverwundbar
Geordnet in geheimnisvoller Ordnung
Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.
Vom Glanz der Auferstehung her fällt der Geist des ewigen Lebens auf unser Leben und durchdringt uns. Es ist ein gebrochener Glanz! Noch mischt sich unsere irdische Verhaftung in Angst, Neid, Borniertheit ein und versucht die Strahlen des Glanzes ins Nichts zu lenken.
Doch es ist ein angebrochenes ewiges Leben, das wir in dem Glauben an den Sohn ergriffen haben. Er hat uns in seiner bedingungslosen Zuwendung eines deutlich gemacht: „Gott ist Liebe!“
Wo immer wir uns Menschen zuwenden, „stehen wir auf - mitten am Tage“ und sind „geordnet in geheimnisvoller Ordnung“ und „vorweggenommen in eine Haus aus Licht“. Amen.

Verfasser: Pfr. Kurt Rainer Klein, Pfaffenwaldstraße 21, 55288 Schornsheim

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