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Der Heiden Heiland

von Andreas Volkmann (39112 Magdeburg)

Predigtdatum : 26.01.2003
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 3. Sonntag nach Epiphanias
Textstelle : Matthäus 8,5-13
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Wochenspruch:


Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. (Lukas 13,29)

Psalm: 86,1-11.17

Lesungen

Altes Testament:
2. Könige 5, (1-8) 9-15 (16-18)
Epistel:
Römer 1, (14-15) 16-17
Evangelium:
Matthäus 8,5-13

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 69
Der Morgenstern ist aufgedrungen
Wochenlied:
EG 293
Lobt Gott, den Herrn, ihr Heiden all
Predigtlied:
EG 293
Lobt Gott den Herrn, ihr Heiden all
Schlusslied:
EG 74
Du Morgenstern, du Licht vom Licht

5 Als Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn 6 und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen. 7 Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen. 8 Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. 9 Denn auch ich bin ein Mensch, der Obrigkeit untertan, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er's. 10 Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden! 11 aAber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; 12 aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern. 13 Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.

Liebe Gemeinde,
jung und dynamisch, so will uns die Gesellschaft; und gesund noch dazu, kreativ und leistungsfähig. Wer diese Kriterien nicht erfüllt, wird aufs „Abstellgleis“ geschoben. Wir brauchen uns doch nur umzuschauen: Wer über 45 ist, hat schlechte Karten auf dem Arbeitsmarkt, wer nicht ausreichend qualifiziert ist, erst recht. Und wer sich nicht flexibel genug zeigt – aus welchen Gründen auch immer – hat kaum eine Chance, wieder ins Arbeitsleben integriert zu werden. Dies aber ist nach den Wertvorstellungen unserer Zeit die Voraussetzung dafür, in der Gesellschaft anerkannt zu sein. Und diese Wertvorstellung prägt auch unser eigenes Selbstverständnis: ohne festes Arbeitsverhältnis bin ich weniger wert.
Wir können uns also gut vorstellen, wie einem jungen Menschen zumute ist, der wie gelähmt zuhause sitzt, weil sich nichts mehr bewegt. Oder der womöglich tatsächlich krank ans Bett gefesselt ist, weil er nach einem Arbeitsunfall, nach einer Klettertour in den Bergen, vielleicht auch durch eine Polio-Infektion wirklich gelähmt ist. Da wird die Motivation zum Leben schon auf eine harte Probe gestellt; wenn sie nicht sogar ganz verloren geht. Und Hoffnungslosigkeit macht sich breit.
Da ist es schon ein besonderer Glücksfall, wenn sich andere Menschen um einen sorgen. Wenn sie sich um einen kümmern und sich für einen einsetzen. So wie in der neutestamentlichen Überlieferung des Matthäus der Offizier der römischen Besatzungsarmee in Palästina, der Hauptmann von Kapernaum in der Geschichte unseres heutigen Predigttextes.
Welchen Grund er hat, sich in dieser Weise für seinen Mitarbeiter einzusetzen, bleibt uns verborgen. Wahrscheinlich ist das auch gar nicht so wichtig. Ob es Mitleid gewesen ist oder die Sorge, einen so zuverlässigen Mann zu verlieren, ob es Verantwortungsbewusstsein gewesen ist oder das, was wir im Lichte des Evangeliums „Nächstenliebe“ nennen? Wir erfahren es nicht. Viel wichtiger scheint der Weg zu sein, auf dem er Hilfe sucht und Heilung für ihn findet.
Der Weg führt ihn zu Jesus.
Dieser Weg zu Jesus ist sicherlich kein gerader Weg gewesen. Wessen Weg zu Jesus - und mit ihm - verläuft schon völlig geradlinig? Gewissheit und Zweifel wechseln einander immer wieder ab, Vertrauen und Enttäuschung erleben ein ständiges auf und ab, Zuversicht und Hoffnungslosigkeit streiten miteinander. Das erlebt wohl jeder. Und das ist auch ganz normal. Die einmal gefundene Antwort auf unsere Frage sucht eine ständige Bestätigung: Kann Jesus wirklich helfen? Macht die Begegnung mit ihm, unsere Zuwendung zu ihm und seine Zuwendung zu uns unser Leben wirklich heil?
Der Hauptmann von Kapernaum ist sich ganz bestimmt auch nicht sicherer als wir. Deshalb mag für ihn der Weg zu Jesus auch ein Wagnis gewesen sein. Aber er ist dieses Wagnis eingegangen. Und es hat sich gelohnt! So wie es sich für jeden lohnt, dieses Wagnis des Glaubens an Jesus einzugehen. Denn was ist Glauben anderes, als das hoffende Vertrauen, das uns letztlich zur Gewissheit wird; das hoffende Vertrauen darauf, dass Jesus unser Leben heilen und er allein unsere Lebensumstände heil machen kann.
Nehmen wir ein Beispiel, wie das unseres Bibeltextes. Ein junger Mann – nehmen wir an, er ist 27 Jahre alt – hat sich noch nie ernsthaft mit dem Glauben auseinander gesetzt. Bis er eine große Leere in seinem Leben spürt. „Das kann doch nicht alles gewesen sein“, fragt er sich. „Jahrelang jeden Morgen zur Arbeit und nach acht Stunden Feierabend, abends vorm Fernseher, manchmal mit Freunden. Und dann macht die Firma pleite. Da muss doch noch was kommen.“ Die Firma ist noch pleite. Aber er hat inzwischen Kontakt zu einer Kirchengemeinde gefunden, dort ein Glaubensseminar besucht und sich taufen lassen. Jesus hat sich zu ihm auf den Weg gemacht. Und er ist der Begegnung nicht ausgewichen. Heute lässt er keine Gelegenheit aus, mit anderen über seinen Glauben zu reden. Das füllt ihn mehr aus als der neue Job, den er wieder gefunden hat, und gibt seinem Leben einen Sinn. „Endlich“, wie er sagt.
Dieser junge Mann ist Jesus nicht aus dem Weg gegangen. Anders der Hauptmann von Kapernaum: der ist sogar auf ihn zugegangen. Was aber beide miteinander verbindet, ist die Erfahrung: Jesus kann das Leben eines Menschen - gerade wenn es in Wanken geraten ist - heilen, denn er gibt ihm wieder - vielleicht auch einen neuen - Sinn.
Aus unserem Predigttext erfahren wir darüber hinaus, dass das nicht nur für unser eigenes Leben gilt. Denn der Hauptmann kommt nicht in eigener Sache zu Jesus. Er bittet für seinen kranken, aus der Bahn geworfenen Mitarbeiter. Er tut Fürbitte für ihn, tut dies mit äußerstem Nachdruck und tut das - wie wir erfahren - nicht umsonst.
„Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!“, zeigt Jesus sich beeindruckt. Diese Feststellung ist eine kritische Anfrage an seine Zuhörer damals, an die Menschen des auserwählten Volkes Gottes in Israel seiner Zeit: Wie haltet Ihr’s eigentlich mit eurem Glauben?
Diese Feststellung ist aber zugleich auch eine kritische Anfrage an die Kirche unserer Tage. Und damit, liebe Gemeinde, ist sie eine Anfrage an jeden Einzelnen von uns: Wie haltet Ihr es eigentlich mit Euerm Glauben? Wie groß ist Eure Hoffnung? Und wie stark ist Euer Vertrauen da hinein, dass allein Jesus eurem Leben Kraft und Stärke geben, dass allein er euer Leben heilen und eure Lebensumstände heil machen kann?
Ob wir uns „Gottes Kinder“ nennen dürfen, entscheidet sich noch immer an unserer Offenheit ihm gegenüber. Diese Offenheit wird damit zur Gretchenfrage für uns. An ihr entscheidet sich nämlich, ob wir überhaupt bereit sind, auf Jesus zugehen. Und an ihr entscheidet sich dann, ob er in unseren Häusern überhaupt Platz findet und dann unter uns Wohnung nimmt.
Das aber will Jesus: Wohnung nehmen in unseren Häusern und in unseren Herzen. Wenn wir ihm die öffnen, dann sind wir es ihm auch wert, dass er unter unser Dach eingeht, dass er uns gesund macht und unsere Lebensumstände heilt. Alle anderen Wege, die uns die zahlreichen modernen, selbsternannten Heilsbringer anbieten, führen nur in die Irre: die Versprechungen der raubeinigen Parteistrategen mit ihren waghalsigen Ideologien auf tönernen Füßen, die zweifelhaften Vorhersagen der sternengläubigen Astrologen mit ihren nichtssagenden Horoskopen, die raffinierten Mechanismen der hochbezahlten Werbestrategen mit ihren verlockenden Botschaften.
Wir möchten dem widerstehen. Und wir können es! Wenn wir nicht blindlings modernen Trends folgen, die uns nur in die Irre leiten. Damit soll nicht der Entwicklung und dem Fortschritt widersprochen oder Einhalt geboten werden. Damit soll aber der Blick auf das gelenkt werden, was uns seit jeher trägt: darauf, dass wir unsere Gemeinschaft untereinander pflegen und stärken; die Gemeinschaft, die in der Gemeinschaft mit Jesus gründet und die auf die Gemeinschaft aller Gläubigen in Zeit und Ewigkeit zielt.
Ich will den Kreis unserer Gedanken schließen:
Unsere Gesellschaft verlangt nach gesunden Menschen. Jesus wünscht sich die auch. Nur ist die Definition dessen, was wir unter „gesund“ verstehen und was Jesus unter „gesund“ versteht, sehr verschieden. Unsere Gesellschaft meint, wer gesund ist, muss jung und dynamisch sein. Ganz anders dagegen Jesus. In seinen Augen ist gesund, wer auch in seiner Seele heil ist, wer für sein Leben einen Sinn gefunden hat und wer den Sinn seines Lebens darin sieht, miteinander und füreinander zu leben, füreinander da zu sein und sich gegenseitig zu tragen und zu ertragen.
Dazu muss man nicht „jung und dynamisch“ sein in dem oberflächlichen Sinn, wie ihn der Arbeitsmarkt und die Werbewirtschaft verstehen und uns einreden wollen. Vielmehr ist es das Ziel Jesu, uns bewusst zu machen und bewusst zu halten: Wirklich wichtig ist es, dass wir unseren Glauben stärken, unser hoffendes Vertrauen also darauf, dass allein Jesus, der Sohn Gottes, unserem Leben Halt und Hilfe geben kann.
Wo der Glaube uns dahin trägt, da macht er, „dass du wieder jung wirst wie ein Adler“. Da macht er auch, dass wir den tieferen Sinn erkennen, der unserem Leben das Ziel vorgibt. Und da schenkt er uns die Kraft und die Dynamik, aus der heraus wir unseren Mitmenschen den Glauben zu vermitteln, der schon dem Mitarbeiter des Hauptmanns von Kapernaum neue Hoffnung und neues Leben geschenkt hat und der auch dem Leben unserer nahen und unserer fernen Nächsten Halt und Hilfe geben will und geben kann.

Verfasser: Pfr. Andreas Volkmann, Humboldtstr. 6b, 39112 Magdeburg

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