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Der Heiland als Zeichen, dem widersprochen wird; für viele ist er Licht und Heil

von Günter Knoll (Herrenberg)

Predigtdatum : 27.12.2020
Lesereihe : III
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Sonntag nach dem Christfest
Textstelle : Lukas 2,(22-24).25-38(39-40)
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Wochenspruch: Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. (Johannes 1,14b)

Psalm: 71,1-3.12.14-18

Lesungen

Reihe I: Matthäus 2,13-18(19-23)
Reihe II: Hiob 42,1-6
Reihe III: Lukas 2,(22-24)25-38(39-40)
Reihe IV: 1. Johannes 1,1-4
Reihe V: Jesaja 49,13-16
Reihe VI: Johannes 12,44-50

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 35 Nun singet und seid froh
Wochenlied: EG 36, 1-3.6 Fröhlich soll mein Herze springen
Predigtlied: EG 37, 1-4.9 Ich steh an deiner Krippen hier, EG 49, 1-4 Der Heiland ist geboren
Schlusslied: EG 34 Freuet euch ihr Christen all

Predigttext Lukas 2, 25-32

25 Und siehe, ein Mensch war in Jerusalem mit Namen Simeon; und dieser Mensch war gerecht und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war auf ihm.
26 Und ihm war vom Heiligen Geist geweissagt worden, er sollte den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen.
27 Und er kam vom Geist geführt in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz,
28 da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach:
29 Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast;
30 denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen,
31 das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern,
32 ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.

Hinführung

  1. Ich beziehe mich in der Predigt nicht auf den von der Perikopen-Ordnung für den 1. Sonntag nach dem Christfest vorgesehenen Text in voller Länge (Lukas 2,25-38), sondern nur auf die Verse 25-32. Ich schlage vor, auch nur diese Verse als Predigttext zu lesen.
     
  2. Simeon, die Hauptgestalt dieser Nach-Weihnachts-Geschichte, spricht in seinem Jesus-Hymnus zwar einerseits für sich, dessen Warten auf den Heiland sich „gelohnt“ hat, andererseits spricht er als Repräsentant der Kirche. In der Kirche sind all diejenigen versammelt, die in Jesus von Nazareth den Messias und Heiland der Welt erkannt haben.
     
  3. Die Simeon-Geschichte legt es den Hörern und Lesern nahe, ihr Glück wie Simeon darin zu finden, dass Gott in diesem Kind das Heil bereitet hat. Freilich, aus eigener Kraft findet man zu diesem Glück nicht. Es wird einem geschenkt durch den Heiligen Geist.
     
  4. Wenn es sich aber ereignet, „dass ich“ – wie es im Katechismus als Antwort auf die Frage „Was heißt glauben?“ heißt – „in Jesus Christus Gott als meinen Vater erkenne und liebe“, dann soll ich meinen Jubel nicht zurückhalten. Dann sind vielmehr Psalmen und Hymnen und geistliche Lieder angesagt. Dann darf man sich auch verzückt hinreißen lassen und diesem Heiland ergeben.
     
  5. In Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium gibt es Arien, Chöre und Rezitative, die für mich Ausdruck einer Jesus-Begeisterung sind, die der Jesus-Begeisterung des Simeon verwandt sind. Sie sind vom gleichen Geist beseelt wie der Hymnus des Simeon. Mystik hat Platz im Christentum! Wer selbst einen (musikalischen) Zugang zu Bachs Weihnachtsoratorium hat, sollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, im Schlussteil der Predigt eine der zitierten Arien (z.B. „Ich will nur dir zu Ehren leben, mein Heiland …“) einzuspielen. Der Sonntag nach Weihnachten darf einen solchen hymnischen musikalischen Akzent haben. Wem andere Musik mit gleichem hymnischem Charakter näher liegt als Bachs Weihnachtsoratorium, möge gerne diese Musik einspielen und in die Predigt einbauen.
     
  6. Es liegt mir daran, die Bezeichnung, oder besser noch die Kennzeichnung „Heiland“ für Jesus zu rehabilitieren. Die Simeon-Geschichte bietet dafür eine gute Grundlage. Viele Weihnachtslieder unseres Gesangbuchs besingen den „Heiland“ Jesus Christus. In der Verkündigung aber ist dieses Wort ganz außer Gebrauch gekommen, was ich sehr schade finde.

Gliederung

I. Ein Mensch im Glück
II. Jesu Eltern danken Gott für sein Geschenk
III. Das Warten wird belohnt
IV. Wir haben den Heiland gesehen
V. Herz und Seele sind verzückt

Ziel

Begeisterung über die Geburt Jesu auf die Gemeinde überspringen lassen.

Predigt

I. Ein Mensch im Glück

Liebe Gemeinde!
Im Tempel in Jerusalem erhebt ein Mann seine Stimme und ruft aus:
„Herr, nun lässt du deinen Diener
in Frieden fahren,
wie du gesagt hast;
denn meine Augen haben
deinen Heiland gesehen,
das Heil, das du bereitet hast
vor allen Völkern,
ein Licht zur Erleuchtung der Heiden
und zum Preis deines Volkes Israel.“ (1)

Wie ich mir einen glücklichen Menschen vorstelle? So – genau so! So wie diesen Simeon, dessen Worte wir gerade gehört haben. Ein glücklicher Mensch, der muss so sein wie dieser Simeon. Man hat immer von ihm als einem alten Mann gesprochen, obwohl vom Alter dieses Menschen überhaupt nichts zu erfahren ist im Lukasevangelium und auch sonst nicht in der Bibel. Es ist nur von einem Mann die Rede, der Simeon heißt.

II. Jesu Eltern danken Gott für sein Geschenk

Die Geschichte, wie sie Lukas aufgeschrieben hat, folgt unmittelbar im Anschluss an die Weihnachtsgeschichte. Da wird von einer Zeremonie erzählt. Es ist ein Ritus, dem sich jüdische Familien nach der Geburt ihres ersten Sohnes unterzogen haben. Da war eine Reise nach Jerusalem fällig, und zwar zum Abschluss der Reinigungszeit für die Mutter. Wenn sie einen Jungen zur Welt gebracht hatte, war das nach 33 Tagen. Und dort, im Tempel in Jerusalem hatte man den Erstgeborenen zu präsentieren. Damit zeigten die Eltern: Dieses unser Kind gehört im eigentlichen Sinne nicht uns, den Eltern, sondern es gehört Gott. Wir bringen Gott, was ihm gehört. Die sogenannte Darstellung im Tempel war so etwas wie ein Dankopfer. Es machte unmissverständlich klar: Gott hat uns dieses Kind geschenkt, es ist sein Kind, uns nur anvertraut. Wir schulden ihm unseren Dank dafür, und diesen Dank wollen wir abstatten.

So ganz anders als unser Taufritus ist das nicht. Sie merken den Zusammenhang. Also: Auch die Eltern Jesu gingen zur Darstellung Jesu, ihres Erstgeborenen, nach Jerusalem in den Tempel und haben diesen Ritus vollzogen. Und dann geschah Folgendes:

(Lesen des Predigttextes Lukas 2, 25-32)

III. Das Warten wird belohnt

Liebe Schwestern und Brüder,

Simeon, ein frommer und gottesfürchtiger Mann. Er befolgte Gottes Gebote und vertraute ganz auf ihn. Er war also ein rechter Israelit. Und er wartete auf den „Trost Israels“. Gewiss konnte er im Gebet zu Gott sagen: „Herr, ich warte auf dein Heil und tue nach deinen Geboten“ (2). Das scheint das besondere Kennzeichen dieses frommen und gottesfürchtigen Mannes gewesen zu sein, dass er auf den „Trost Israels“ wartete. Er saß nicht einfach nur herum, sondern er lebte in gespannter Erwartung. „Und der heilige Geist war auf ihm.“ Das ist ein ganzes Bündel von Aussagen, die diesen Simon kennzeichneten: fromm, gottesfürchtig, in gespannter Erwartung auf den Trost Israels, den Tröster (3). Und dann kommt’s auch schon: „und der heilige Geist war auf ihm“. Dieser heilige Geist hatte ihm die Verheißung eingegeben: Du wirst den Christus Gottes, den Gesalbten, den „Heiland“, den Erretter, den Erlöser noch zu deinen Lebzeiten sehen. An diese Verheißung, an dieses Wort hatte sich Simeon gehalten, nicht aus eigener Kraft, sondern in der Kraft Gottes durch den heiligen Geist. Und nun war der Augenblick da.

Die Eltern brachten das Kind Jesus in den Tempel. Es war diesem Kind nicht anzusehen, was Besonderes sein sollte. Es war eines unter vielleicht hunderten an diesem Tag. Aber für den Simeon war es klar: dieser ist’s. Das nennt man einen Propheten, einer, der so vom Geist Gottes, vom heiligen Geist erfüllt ist, dass er erkennt, wie er erkannt ist, dass er sieht, was andere ohne den heiligen Geist nicht sehen, und dass er ausspricht, was ihm der Geist Gottes eingibt. Er wendet sich diesem Kind Jesus zu. Er nimmt es auf seine Arme und bricht in einen Gottesjubel aus. Nennen Sie es Verzückung, nennen Sie es mystischen Augenblick, nennen Sie es Glaubensgewissheit, Seligkeit, Heilsgewissheit. Simeon jedenfalls war überwältigt von dem, was ihm da widerfuhr, und er konnte nicht anders, als seinem Herzen Luft machen und Gott in den höchsten Tönen loben und preisen:

„Herr, nun lässt du deinen Diener im Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“

IV. Wir haben den Heiland gesehen

Kaum jemand kann ungerührt bleiben, wenn er diese Worte hört und diese Szene vor Augen hat. Lebenslanges Warten erfüllt sich in einem Augenblick und zwar in so unmittelbarer Gewissheit, dass man als Hörer oder Leser dieser Geschichte selber ganz hingerissen ist. Dieser Simeon ist im Glück, und er zieht mich in dieses Glück hinein.

Wie ich mir einen glücklichen Menschen vorstelle? So – genau so! „Meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“ Seine Augen, die Augen Simeons – und nicht auch meine Augen? Sehe ich nicht hier und heute in diesem Gottesdienst mit Simeons Augen? Dazu feiern wir doch Gottesdienst, dass sich das ereignet, was sich schon zu biblischen Zeiten immer wieder ereignet hat und auch in der Zeit der Kirche immer wieder neu ereignet. Gott wird uns gegenwärtig. Christus ist gegenwärtig. Der Heilige Geist wirkt. Gott redet mit mir, er redet mit uns, jetzt. Simeon ist selig. Selig ist, wer diesen Jesus von Nazareth als den Heiland erkennt: Du bist der Heiland – Du bist mein Heiland – Du bist der Heiland der Welt. Gott, ich danke Dir, dass Du meine Sehnsucht erfüllst. Ich warte nicht mehr vergeblich. Es ist keine Selbsttäuschung, es ist keine Vertröstung, es ist vielmehr Wirklichkeit: Er ist’s! – Er ist’s!

Wie sagt Petrus, als ihm das in der Begegnung mit Jesus aufgegangen ist? „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes!! (4). Der Heilige Gottes, der Heiland. „In keinem andern ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.“ (5)

V. Herz und Seele sind verzückt

Vielleicht klingt manchen von Ihnen das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach in den Ohren. Es ist ein Werk voller Hymnen, in denen Gott angebetet und gelobt wird. Man darf sie genießen. Herz und Seele dürfen mitgehen, sich in die Musik versenken, verzückt auffahren in die höchsten Höhen. Der Heiland lässt die Herzen höher schlagen. Es ist wie bei einer Hochzeit, und Jesus ist der Bräutigam, dem sich die Braut hingibt. Der Bräutigam schenkt sozusagen alles Glück, das sich die Braut, die Kirche, die Gläubigen von ihm erwarten.

Simeon ist gleichsam der Stellvertreter aller Gläubigen. Er spricht in seinem Lobpreis aus, was jeder und jede, die zu Jesus gefunden hat, singen und sagen kann: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“ In Frieden – das meint im umfassenden Sinne: versöhnt, ohne Angst, voller Hoffnung, gelassen, in der Gewissheit des ewigen Lebens, in der Freude der Gemeinschaft der Kinder Gottes.

Ich schließe hymnisch mit Worten aus dem Weihnachtsoratorium, zunächst Worte, die uns der Chor zuruft.

„Fallt mit Danken, fallt mit Loben vor des Höchsten Gnadenthron!
Gottes Sohn will auf Erden Heiland und Erlöser werden,
Gottes Sohn dämpft der Feinde Wut und Toben.“

Und dann die Erzählung, das Rezitativ:

„Immanuel, o süßes Wort!
Mein Jesus heißt mein Hort,
mein Jesus heißt mein Leben.
Mein Jesus hat sich mir ergeben,
mein Jesus soll mir immerfort
vor meinen Augen schweben.
Mein Jesus heißet meine Lust,
mein Jesus labet Herz und Brust.“

Danach die sogenannte „Echo-Arie“, wo der Todesschrecken sich noch einmal breitmachen möchte:

„Flößt, mein Heiland, flößt dein Namen auch den allerkleinsten Samen
jenes strengen Schreckens ein?
Nein, du sagst ja selber nein. (nein!)
Sollt ich nun das Sterben scheuen?
Nein, dein süßes Wort ist da!
Oder sollt ich mich erfreuen?
Ja, der Heiland spricht selbst ja!“

Und die Seele, meine Seele antwortet voller Vertrauen und Hingabe:

„Ich will nur dir zu Ehren leben,
mein Heiland, gib mir Kraft und Mut,
dass es mein Herz recht eifrig tut!
Stärke mich, deine Gnade würdiglich
und mit Danken zu erheben.

Ich will nur dir zu Ehren leben,
mein Heiland, gib mir Kraft und Mut,
dass es mein Herz recht eifrig, recht eifrig tut.“

Amen.

Anmerkungen zur Predigt:
(1) Der Lobgesang des Simeon, Lukas 1,29-32
(2) Psalm 119,166
(3) Es ist hier dasselbe Wort wie in Jesu Verheißung des Heiligen Geistes: „   der Tröster, den mein Vater senden wird …“. Johannes 14,16 und 26
(4) Johannes 6,68.69
(5) Apostelgeschichte 4,12

Eingangsgebet

Herr unser Gott,
du hast uns deinen Sohn Jesus Christus geschenkt.
Licht geht von ihm aus,
Liebe strahlt warm in unsere Welt.
Öffne uns Augen und Herzen,
lass uns sehen und spüren,
wie groß deine Liebe ist.

Höre uns, wenn wir dir in der Stille sagen,
was uns freut und was uns sorgt.

Fürbittengebet

Jesus Christus,
du bist die Stimme des lebendigen Gottes,
Licht und Gleichnis seiner Herrlichkeit –
du hast dein Leben nicht geschont,
du hast dein Blut und deine Seele geopfert;
um uns zu suchen, bist du ausgegangen,
um uns zu finden, bist du gestorben.
Wir bitten dich,
von dir gestärkt, von dir beseelt,
lass uns einander tun
nach deinem Beispiel.
Gib uns die Kraft, um füreinander
so gut wie Gott zu sein.

Du bist von unserem Geschlecht,
Blut von unserem Blut,
bekleidet mit dem Namen Gottes,
ein Mensch wie wir,
erhoben in das Licht Gottes,
bist du Gottes Sohn.
Sei aber nun nicht unauffindbar für uns,
nicht unnahbar und entrückt.
Bitte für uns mit deiner menschlichen Stimme
und sende deinen Geist,
dass wir das Leben erlangen
und eine Erde schaffen,
die bewohnbar ist,
und ihm begegnen,
der dein Vater, unser Vater ist
jetzt und in Ewigkeit.

Nach Huub Oosterhuis

Verfasser: Pfarrer i.R. Günter Knoll, Wengertsweg 48, 71083 Herrenberg


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