Menü

Der Herr der Naturmächte

von Martin Bender (55128 Mainz-Bretzenheim)

Predigtdatum : 28.01.2001
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Letzter Sonntag nach Epiphanias
Textstelle : Jesaja 51,9-16
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:

Kommt her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern. (Psalm 66,5)

Psalm: 107,1-2.23-32

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 51,9-16
Epistel:
2. Korinther 1,8-11
Evangelium:
Markus 4,35-41

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 70
Wie schön leuchtet der Morgenstern
Wochenlied:
EG 244
oder EG 346
Wach auf, wach auf, ‘s ist hohe Zeit
Such wer da will ein ander Ziel
Predigtlied:
EG 377
Zieh an die Macht, du Arm des Herrn
Schlusslied:
EG 340
Ich will dem Herrn singen

9 Wach auf, wach auf, zieh Macht an, du Arm des HERRN! Wach auf, wie vor alters zu Anbeginn der Welt! Warst du es nicht, der Rahab zerhauen und den Drachen durchbohrt hat? 10 Warst du es nicht, der das Meer austrocknete, die Wasser der großen Tiefe, der den Grund des Meeres zum Wege machte, dass die Erlösten hindurchgingen? 11 So werden die Erlösten des HERRN heimkehren und nach Zion kommen mit Jauchzen, und ewige Freude wird auf ihrem Haupte sein. Wonne und Freude werden sie ergreifen, aber Trauern und Seufzen wird von ihnen fliehen.
12 Ich, ich bin euer Tröster! Wer bist du denn, dass du dich vor Menschen gefürchtet hast, die doch sterben, und vor Menschenkindern, die wie Gras vergehen, 13 und hast des HERRN vergessen, der dich gemacht hat, der den Himmel ausgebreitet und die Erde gegründet hat, und hast dich ständig gefürchtet den ganzen Tag vor dem Grimm des Bedrängers, als er sich vornahm, dich zu verderben? Wo ist nun der Grimm des Bedrängers? 14 Der Gefangene wird eilends losgegeben, dass er nicht sterbe und begraben werde und dass er keinen Mangel an Brot habe. 15 Denn ich bin der HERR, dein Gott, der das Meer erregt, dass seine Wellen wüten - sein Name heißt HERR Zebaoth -; 16 ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt und habe dich unter dem Schatten meiner Hände geborgen, auf dass ich den Himmel von neuem ausbreite und die Erde gründe und zu Zion spreche: Du bist mein Volk.

Liebe Gemeinde!
Ein etwas eigenartiger Text ist das schon, der uns heute zur gemeinsamen Betrachtung vorgegeben ist. Wenn ein Prophet Gott wachruft, dann ist das schon etwas seltsam. „...Zieh’ Macht an, du Arm des Herrn!“ Das heißt, dass sich Gott eine Rüstung anziehen soll für den Kampf, der von ihm für sein Volk verlangt wird. Das Ganze ist ein Hilfe-Schrei aus der Gott-Verlassenheit. Wo bist du denn, du Gott, der du die Welt geschaffen hast, der du die Ungeheuer besiegt hast, du, der du das Volk aus der Gefangenschaft heraus geführt hast. Ja, wenn Du erst einmal eingreifen wirst, dann wird es uns auch wieder besser gehen.
Was ist die Situation, in dieser Text entstanden ist?
Es ist die Babylonische Gefangenschaft, in der sich das Volk Israel befindet. Es ist eine grausame Situation. Die Führungsschicht des Volkes ist gefangen weggeführt worden - mit den Priestern und den anderen geistigen Führern und allen, die etwas auszurichten haben am Ergehen des Volkes - sie alle sind in Babylon, das einfache Volk ist in der Heimat geblieben. Nun sind sie also zerrissen: Die Daheimgebliebenen sind hilflos, weil ihnen jede Führung und damit alle Ordnung für ein Überleben als Volk fehlt. Es ist Anarchie in jeder Beziehung.
Und die „Oberen Zehntausend“, die Intelligenzschicht, die Priester und alle die, die das Leben des Volkes aufrechterhalten könnten, sind zur Untätigkeit verurteilt. Sie sind matt gesetzt. Mehr noch: Sie dürfen nicht mehr nach ihrem Glauben leben. Es ist so ziemlich das härteste Schicksal, das ihnen widerfahren kann. Trotzdem haben sie in dieser Zeit ihre Gottesdienste gefeiert, wenn auch nicht unbedingt in der traditionellen Form.
Aus solch einem Gottesdienstritus dürfte auch unser heutiger Text-Abschnitt stammen. Denn da ist der Hilferuf an Gott, der Lobpreis und demgegenüber die Zusage Gottes, dass er der Tröster, der Helfer seines Volkes ist. Frage an uns: Kennen wir das nicht auch aus unserem eigenen Leben oder von Menschen, die es uns zu berichten wussten, dass man sich so ganz und gar von Gott und allen guten Geistern verlassen fühlt: Wo bist du denn, wenn es dich gibt, dann zeig’ dich doch - beweise, dass es dich noch gibt! - So hilf uns doch, wenn du kannst!
Wach endlich auf, du verschlafener Gott und zieh’ deine Rüstung an und begib dich in den Kampf für dein Volk, dem du Schutz und Hilfe versprochen hast!
Hast du nicht vor Urzeiten alle bösen Geister besiegt und Gerechtigkeit und Heil geschaffen? - Und wer war es denn, der die Fluten zerteilt hat, als unsere Vorfahren aus Ägypten geflohen sind? So wie du es damals gekonnt hast, so soll es auch jetzt uns ergehen. Ja, so soll es uns ergehen - so wird es uns ergehen. –
Plötzlich schlägt der Hilferuf um in die Zusage. So, wie damals das Volk der Juden durch das Schilf-Meer zog und in die Freiheit kam, neue Heimat fand im verheißenen Land; so werden die Gefangenen als Erlöste heimkehren nach Zion; d.h. nach Jerusalem.
Bis hierher war es noch die Aussage des Priesters, der in mehr oder weniger geheimem Gottesdienst gesprochen hat. Doch nun spricht Gott persönlich zu seinen Menschen. „Ich bin euer Tröster! - Wer bist du denn, dass du dich vor Menschen gefürchtet hast! - Traut ihr mir denn gar nichts mehr zu? - Was sind denn das für Kreaturen! Schaut sie euch doch einmal an - sie sind doch alle vergänglich, und die Tage Ihrer Macht sind doch so begrenzt!“
Und nun folgt wieder das Gebet des Priesters mit dem Lob Gottes und gleich darauf Gottes Zusage an sein Volk und an den Propheten. Es ist - wie gesagt - ein eigenartiger Text. So vielgestaltig und wechselnd In seinen Bestandteilen. Aber gerade dies ist auch Ausdruck der Vielfalt dessen; was sich noch heute in unseren Gottesdiensten ereignet, sofern wir sie recht feiern. Auch unser Gottesdienst besteht aus Anrufung Gottes um Hilfe für uns selbst und Fürbitte für andere, aus Loben und Danken. Und im Gottesdienst redet Gott zu uns in unsere jeweilige Lebens-Situation hinein.
Nun wird sich mancher unter uns fragen, was denn dieser oder jener Text mit seinem persönlichen Leben zu tun haben mag. So manches, was wir an Predigt-Texten hören, erscheint uns doch oft recht weit hergeholt. Das mag uns im Einzelfall sogar ganz zu Recht so erscheinen, aber so manches Mal werden wir es erleben, dass uns hinterher aufgeht, was da noch an Bedeutung für uns persönlich drin war. Und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass so manches bei uns zum einen Ohr hinein- und gleich zum anderen wieder hinausgeht. Auch das Volk der Juden hat damals Gottes Zusage nicht mehr ernst genommen, als sie Jahre um Jahre warten mussten, bis es so weit war. Ein halbes Jahrhundert hat es gedauert, bis sie wieder in ihre angestammte Heimat zurückziehen durften.
Gott hat es ihnen nicht leicht gemacht. Das tut er auch heute noch so. Er erspart uns nicht alle Beschwernisse. Und wenn wir dann denken, so langsam wäre es genug der Qualen und Mühsalen, dann hat Gott oft ganz andere Vorstellungen, Pläne und Maßstäbe. Doch das ist nur die eine Seite. Die andere ist die: Er lässt uns auch klagen und jammern. Er verübelt es uns nicht, wenn wir so schreien, wie es damals der Prophet in seinem Gottesdienst getan hat. Aber nur, wenn auch das Lob dabei ist. Klagen dürfen wir zu Gott, ihm unser Leid ausbreiten und hinschreien, wenn wir nur zugleich anerkennen, dass er - allem Zweifel zum Trotz - der Allmächtige ist.
Die alten Juden haben nie an seiner Allmacht gezweifelt. Sie haben ihm nur hingeschrieen, warum er denn keinen Gebrauch davon macht.
„Ist denn Gott tot?“
Irgendwann erhört er unsere Gebete - oder die derjenigen Menschen, die für uns beten, wenn uns die Kraft dazu fehlt - oder der Glaube. Irgendwann erhört Gott die Gebete. Dann kommt er als der Tröster. Das heißt nicht, dass er uns streichelt und uns beschwichtigt, dass alles nur halb so schlimm sei. Mit Streichel-Reden wie „Heile, heile Segen“ oder gar „Heile, heile Gäns’che“ ist noch kein Trost gegeben. Trost - das ist mehr. Das ist das helfende Wort und die helfende Hand. Wenn ein Kind sich von der Hand der Mutter losreißt und hinfällt, dann ist da großer Schmerz und Geschrei. Da helfen keine schönen Worte, sondern da muss die Gewissheit vermittelt werden, dass das Kind bei der Mutter geborgen ist, dass die Mutter es nicht allein lässt.
Tröstende Worte sind eben mehr als „Heile, heile Segen“. Tröstende Worte sind die, die uns heraushelfen aus dem Gefühl der Ohnmacht, des Ausgeliefert-Seins, der Hilflosigkeit, der Aussichtslosigkeit und der Ausweglosigkeit. Trost ist Wiederaufrichtung der geschlagenen und am Boden liegenden Seele. Und Trost ist die Kraft, die es uns ermöglicht, das Leben allen Widrigkeiten und Entmutigungen zum Trotz weiter zu leben.
Nun stellt sich uns immer wieder die Frage, wie denn Gott heute zu uns redet. Damals hat er mit dem Menschen durch die Propheten geredet oder ihnen im Traum das gesagt, was er ihnen mitzuteilen hatte. Aber heute? Auch heute redet er zu uns mit dem, was wir mitunter als die innere Stimme bezeichnen. Dazu braucht es keine Träume im gewohnten Sinne.
Es gibt auch immer wieder Menschen, die Gott dafür ausgesucht hat, dass sie seine Botschaft sagen sollen. Das können mitunter Leute sein, von denen wir es gar nicht erwarten. Auch die Bibel erzählt von dem heidnischen Zauberer Bileam, der plötzlich - ganz gegen seinen Willen - zum Boten Gottes wird. Und sogar seine störrische Esel-Stute spürt, was der für Bileam unsichtbare Engel sagt: dass der eingeschlagene Weg in die Irre und in den Abgrund führt.
Und ein Letztes: Am Ende unseres Textes heißt es: „Ich bin der Herr, dein Gott, der das Meer erregt, dass seine Wellen wüten...; ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt, und ich habe dich unter dem Schatten meiner Hände geborgen...“ Dass er schon viele von uns unter dem Schatten seiner Hände geborgen hat, das haben sie in ihrem Leben am eigenen Leib und in ihrer Seele erfahren.
Dass er sein Wort in meinen Mund gelegt haben möge, das kann ich nur hoffen und erbitten. Und dazu erbitte ich auch für alle anderen, die in ihrer Lebens-Situation dazu aufgefordert sind, in seinem Namen, in seinem Geiste zu reden. Er segne es an unser aller Herzen. Amen

Verfasser: Prädikant Martin Bender, Südring 98, 55128 Mainz

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de