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Der kommende Erlöser

von Oliver Albrecht (65527 Niedernhausen)

Predigtdatum : 05.12.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 2. Advent
Textstelle : Matthäus 24,1-14
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Wochenspruch:

Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. (Lukas 21,28)
Psalm: 80,2-7.15-20

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 63, 15-16 (17-19a) 19b; 64,1-3
Epistel:
Jakobus 5,7-8
Evangelium:
Lukas 21,25-33

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 19
O komm, o komm, du Morgenstern
Wochenlied:
EG 6
Ihr lieben Christen, freut euch nun
Predigtlied:
EG 16
Die Nacht ist vorgedrungen
Schlusslied:
EG 15
„Tröstet, tröstet“, spricht der Herr

Liebe Gemeinde,
ich bitte jeden von Ihnen, sich einmal folgendes vorzustellen: Sie haben Geburtstag. Sie werden 67 oder 44 oder 23, ganz egal. Sie haben Ihre eigenen Vorstellungen von einer angemessenen Feier, planen ein Fest, laden ein.
Aber alle, die kommen, lassen sich nicht darauf ein, stellen Ihre Planung auf den Kopf. Nicht nur die Freunde, sogar die eigene Familie tut sich gegen Sie zusammen.
Mit einem überraschenden Argument: „An deinem Geburtstag feiern wir deine Geburt. Und bei deiner Geburt warst du noch ganz klein. Schau mal, wir haben alles von damals wieder besorgt: Dein altes Kinderbettchen, und sieh dort: Deine Windeln. Zieh sie doch mal an und versuche, dich in das Bettchen zu legen. Das wird bestimmt lustig.“
„Ja, aber nur für die Gäste“, denken Sie und machen sich so schnell wie möglich aus dem Staub.
Es könnte sein, dass wir mit unserer Art, Weihnachten zu feiern, Jesus, jetzt nach 2000 Jahren, etwas auf die Nerven gehen. Es ist zu befürchten, dass er sich ausgerechnet in der Advents- und Weihnachtszeit am liebsten aus dem Staub machen würde.
Deshalb heute, am zweiten Advent, keine Geburtsvorbereitung, sondern Vorbereitung der Geburtstagsfeier des großen Jesus, des erwachsenen Menschenbruders, gekreuzigt mit 33 Jahren, auferstanden, Gottessohn, der aus der Ewigkeit auf uns zukommt.
Advent hieß in der Urgemeinde, diese große Ankunft zu erwarten. Advent hatte ja gar nichts mit der Geburt zu tun. Es geht um die Ankunft, die Wiederkehr des Gottessohnes am Ende der Weltzeit. Und vor allem, wie das heute schon alles verändert, dass diese Welt und jedes Menschenleben am Ende nicht im Sande verläuft, sondern ein Ziel hat, die Königsherrschaft Gottes.
Ihr Leben wird sich verändern, wenn Sie das Ziel Ihrer Lebensreise kennen.
Manche Menschen hoffen, das Ziel wäre der verdiente Lohn für Ihre Leistung und Ihre Verdienste.
Manche Menschen fürchten, das Ziel wäre die Strafe für Ihr Versagen oder für gleichgültiges Schulterzucken für ein belangloses Leben.
Manche Menschen glauben, dass es gar kein Ziel gäbe außer einem großen, schwarzen Loch.
In Wirklichkeit aber ist das Ziel der auferstandene Jesus, der aus der Ewigkeit mit immer noch ausgebreiteten Armen auf uns zukommt. Jeden Tag ist das unser Ziel. Dieses Ziel könnte jeden Tag verändern, jedem Tag die Angst nehmen und jedem Tag einen tiefen Sinn geben.
Kurz vor seiner Kreuzigung hat Jesus Auskunft darüber gegeben, wie das aussehen wird, wenn er am Ende der Zeit wiederkommt. Besonders am Ende des Matthäus-Evangeliums ist vieles davon bewahrt worden, der Beginn des 24. Kapitels ist der heutige Predigttext.
1 Und Jesus ging aus dem Tempel fort und seine Jünger traten zu ihm und zeigten ihm die Gebäude des Tempels. 2 Er aber sprach zu ihnen: Seht ihr nicht das alles? Wahrlich, ich sage euch: Es wird hier nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.
3 Und als er auf dem Ölberg saß, traten seine Jünger zu ihm und sprachen, als sie allein waren: Sage uns, wann wird das geschehen? Und was wird das Zeichen sein für dein Kommen und für das Ende der Welt? 4 Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Seht zu, dass euch nicht jemand verführe. 5 Denn es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen. 6 Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei; seht zu und erschreckt nicht. Denn das muss so geschehen; aber es ist noch nicht das Ende da. 7 Denn es wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere; und es werden Hungersnöte sein und Erdbeben hier und dort. 8 Das alles aber ist der Anfang der Wehen.
9 Dann werden sie euch der Bedrängnis preisgeben und euch töten. Und ihr werdet gehasst werden um meines Namens willen von allen Völkern. 10 Dann werden viele abfallen und werden sich untereinander verraten und werden sich untereinander hassen. 11 Und es werden sich viele falsche Propheten erheben und werden viele verführen. 12 Und weil die Ungerechtigkeit überhand nehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten. 13 Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden. 14 Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen.
Seit fast 2000 Jahren Predigtext in der Adventszeit öffnen uns diese Worte Jesu die Augen für die Ankunft des erwachsenen Jesus.
Die Wiederkunft Jesu ist nicht mit Angst- und Schreckensszenarien zu verbinden, die Ankunft des Auferstandenen kann nicht terminlich an irgendwelchen Weltuntergangsstimmungen festgemacht werden.
Menschen haben solche Stimmungen, in der Antike, im Mittelalter, seit dem 11. September 2001. Religionen, auch die Kirchen, nutzen diese Stimmungen aus. Es gibt eine Art von Religion, die erreicht den Menschen erst, wenn er angezählt am Boden liegt.
Es gibt auch eine Art Christentum, dass sich so sehr über volle Kirchen in schlechten Zeiten freut, dass man meinen könnte, es freue sich auch - und nicht nur ein bisschen - über schlechte Zeiten.
Jesus sagt: „Das hat mit mir nichts zu tun. Das sind falsche Propheten, die euch irreführen wollen.“
Jesus rechnet nicht mit der Angst, spielt nicht mit dem Schrecken, kalkuliert das Grauen nicht ein. Schlimm genug, dass es Kriege, Hungersnöte und Naturkatastrophen gibt. In meiner Angst brauche ich aber die am allerwenigsten, die meine Angst vor ihren Karren spannen.
Woran aber wird die Wiederkunft, die neue Ankunft Jesu, der andere Advent dann festgemacht? An der Ausbreitung der Guten Nachricht von Gottes Liebe in der ganzen Welt, daran, dass jeder Mensch die Einladung in Gottes neue Welt gehört hat.
Sagt Jesus. Und was meint er?
Ein Beispiel: Im März findet in unserer Gemeinde wieder ein Glaubenskurs statt. Keine theoretische Veranstaltung, sondern der Versuch, die Herzen der Menschen mit der Liebe Gottes zu erreichen.
Viele Menschen sind an diesem Projekt beteiligt: Von der Musik, über die Raumgestaltung bis zu Seelsorgegesprächen. Wenn wir dieses Projekt - wie viele andere Gemeindeveranstaltungen - in den Zusammenhang dieser Jesus-Worte stellen, bekommt alles, was wir da tun, eine völlig neue Dimension.
Es geht nicht um religiöse Unterhaltung, nicht darum, durch gelungene Veranstaltungen Menschen für unsere Gemeinde zu begeistern.
Sondern, es geht um unsere aktive Mitarbeit an einem weltgeschichtlichen Ereignis: Da ist der auferstandene Christus, unser großer Menschenbruder, der wieder in diese Welt kommen möchte. Aber nicht mit Gewalt, nicht mit Angst und Schrecken, sondern nur dadurch, dass seine Liebe unsere Herzen richtig erreicht und erfüllt.
Wir sind nicht besser als andere Menschen. Aber wir haben eine leise Ahnung von diesem Jesus; manche mehr, manche weniger. Und deswegen haben wir eine Riesenverantwortung für diese Welt. Wenn wir unsere Klappe hielten, verhielten wir uns wie eine Forscher, der ein Medikament gegen AIDS erfunden hätte, aber die Formel in irgendeiner Schublade seines Schreibtisches vergammeln ließe.
Der Advent, zu deutsch, die Ankunft des auferstandenen Christus kann diese Welt stärker verändern als jede Reform, sanfter als jede Revolution. Keine politische Partei, keine UNO könnte diese Welt so verändern wie die Christen, welche die Formel der Liebe Gottes endlich aus den Schubladen ihres privaten Glaubens holten.
Ich war und bin ein durchaus politischer Mensch, Mitglied einer Partei sogar. Aber ich halte inzwischen eine einzige Kinderkirchenstunde für politisch wichtiger als einen Parteitag. Für mich ist Gemeindearbeit die sinnvollste Form, sich für die Rettung der Erde zu engagieren.
Es ist die einzige Aktion mit einem unzerstörbaren Ziel vor Augen. Und zwar dann, wenn sie adventlich geschieht, mit diesem Blick auf den auferstandenen Jesus, der aus der Ewigkeit mit ausgebreiteten Armen auf uns zukommt. Wenn sie uns und jedem Menschen, der zu uns kommt, den Blick hebt auf diesen Jesus, unser Herz erfüllt, angstfrei und liebesfähig macht, dem ganzen Elend zum Trotz, in dem wir noch stecken.
Mein wichtigstes Anliegen heute: Sehen Sie alles, was Sie hier tun, in diesem großen Zusammenhang: Jeden ausgetragenen Gemeindebrief, jeden Akkord auf einer Gitarre, die Tischdekoration für die Seniorenadventsfeier nächsten Sonntag. Wenn Sie eine Einladung zum Glaubenskurs verteilen und jemand kommt, ist das Reich Gottes um ein paar Quadratmeter gewachsen. Es geht nicht um die Kirche, es geht um die Menschen und um Gott, dass Menschen den Blick heben und dass Gott hier ankommt.
Eine ausgedachte Weihnachtsgeschichte zum Schluss:
In einem Abteil des ICE von Hannover nach Frankfurt sitzen eine Mitarbeiterin der Kinderkirche und ein Manager. Er liest den Wirtschaftsteil der FAZ, sie blättert in den Vorbereitungsunterlagen für den nächsten Freitag. Ihr erster Impuls ist, die Unterlagen so zu halten, dass er nicht sieht, dass sie von der Kirche ist und sich mit Kinderarbeit beschäftigt. Am besten überhaupt ein Gespräch vermeiden.
Ab Göttingen ging der Plan schief.
Der Manager faltete die Zeitung sorgfältig zusammen, begann mit harmloser Konversation und war schnell bei seinem Beruf, offensichtlich seinem Lieblingsthema. Seine Firma stellte Verpackungen für Zahnpastatuben her und er hatte gerade ein neues Beschäftigungsmodell entwickelt, das dem Standort Deutschland völlig neue Impulse geben würde.
Die Frau war beeindruckt, wie ein Mensch so von der Bedeutung seiner Tätigkeit überzeugt sein konnte, ganz für eine Sache leben.
In diesem Moment aber kam die Frage, die sie die ganze Zeit gefürchtet hatte: „Und was machen Sie so?“
Da kam der Heilige Geist über die Frau. Sie setzte sich kerzengerade hin und lächelte: „Ist ja interessant“, sagte sie, „ich glaube, wir haben ganz ähnliche Geschäftsinteressen. Wir haben gerade auch ein völlig neues Konzept für den Standort Deutschland entwickelt. Allerdings arbeiten wir weniger mit Verpackungen als mit Inhalten. Wir wenden theologische Basisprinzipien an, um eine positive Modifikation der Persönlichkeit unserer Klienten herbeizuführen.“
Er hatte keine Ahnung, wovon sie redete, hätte das aber nie zugegeben.
„Äh, irgendwie habe ich schon einmal davon gehört“, meinte er. „Haben Sie ein Büro in Frankfurt?“
„Oh, wir haben mindestens eins in jeder Stadt. Von Alaska bis Kasachstan. Wissen Sie: Die neuen Märkte sind für uns alte Hüte.“
Ihm fiel die Kinnlade runter. Man sah richtig, wie er sein Gehirn durchstöberte, um diese große Firma zu identifizieren, über die er sicher schon mal in der FAZ gelesen hatte.
„Tatsächlich arbeiten wir“, fuhr die Frau fort, „auf internationaler Ebene. Unsere Führungsebene plant, bis zum Ende der Geschäftsperiode mindestens ein Standbein in jedem Land der Welt zu haben.“ Sie legte eine Kunstpause ein. „Haben Sie auch so etwas vor?“
„Äh, nein, noch nicht“, stammelte er. „Aber Sie haben Ihre Führungseben erwähnt. Wie machen die das?“
„Es ist ein Familienunternehmen. Es gibt einen Vater, einen Sohn und einen ..., ja, einen guten Geist. Nun ja, die drei halten alles am Laufen.“
„Es muss ein Haufen Kapital im Spiel sein“, sinnierte er.
„Meinen Sie Geld?“ fragte die Frau, „ja, das nehme ich auch an. Niemand weiß genau, wie viel, aber wir machen uns auch unsere Gedanken darüber. Der Chef scheint immer genug zu haben.“
„Und die Mitarbeiter?“ fragte der Mann.
„Oh, die sollte Sie mal sehen. Sie haben einen ganz besonderen Geist, der das Unternehmen prägt. Es läuft ungefähr so: Der Vater und der Sohn gehen so liebevoll miteinander um, dass die Liebe sich auf die Mitarbeiter überträgt und sie sich untereinander auch lieben. Ich weiß, es klingt altmodisch, aber ich kenne Menschen bei uns, die wären bereit, füreinander zu sterben. Wie ist das bei Ihnen?“
„Noch nicht so weit“, sagte der Mann und änderte seine Strategie: „Sie haben sicher gute Vergünstigungen?“
„Allerdings“, strahlte die Frau, „ich habe eine Überlebensversicherung, Alters- und Todesvorsorge, alles auf Kosten des Chefs. Und das Beste: Er hat für mich ein großzügiges Appartement in einer riesigen, tollen Wohnanlage reserviert, da kann ich einziehen, wenn ich mit der Arbeit hier fertig bin.“
„Äh“, sagte er verwirrt, „wissen Sie, eins beschäftigt mich noch. Ich lese viel, und wenn Ihr Unternehmen wirklich so ist, wie Sie es beschreiben, warum habe ich dann noch nie davon gehört?“
„Eine gute Frage“, sagte sie. „Vielleicht lesen Sie die falsche Zeitung. Immerhin blicken wir auf eine 2000 Jahre alte Tradition zurück. Aber vielleicht möchten Sie sich uns anschließen? Wir bieten ein Orientierungsseminar an für Menschen wie Sie. Menschen, die weiterkommen wollen.“
„Weiterkommen, ja“, warf der Mann ein. „Aber wohin?“
„Oh“, sagte die Frau, „ genau auf diese Frage haben wir uns spezialisiert.“ Amen.

Verfasser: Pfr. Oliver Albrecht, Fritz-Fritz-Gontermann-Str. 4, 65527 Niedernhausen

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