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Der kommende Herr

von Hans-Ulrich Deußen (55270 Schwabenheim)

Predigtdatum : 02.12.2001
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Advent
Textstelle : Hebräer 10,(19-22).23-25
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Wochenspruch:

Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer. (Sacharja 9,9)

Psalm: 24 (EG 712)

Lesungen

Altes Testament:
Jeremia 23,5-8
Epistel:
Römer 13,8-12 (13-14)
Evangelium:
Mt. 21,1-9

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 7
O Heiland, reiß die Himmel auf
Wochenlied:
EG 4
oder EG 16
Nun komm, der Heiden Heiland
Die Nacht ist vorgedrungen
Predigtlied:
EG 6
Ihr lieben Christen, freut euch nun
Schlusslied:
EG 19,3
O komm, o Herr, bleib bis ans End

Liebe Gemeinde,
es ist ziemlich genau 12 Jahre her, dass die Menschen der heutigen neuen Bundesländer in die Freiheit drängten. Ich bin mir sicher, dass wir alle, die damals schon bewusst lebten, uns an die bewegenden Bilder erinnern, als der damalige Außenminister Dietrich Genscher den Flüchtlingen in der deutschen Botschaft in Prag sagte, dass sie in den Westen ausreisen konnten oder auch an die vielen Menschen, der nach der Öffnung der ungarischen Grenze nach Österreich strömten. Kurze Zeit später fiel auch die innerdeutsche Grenze und damit auch die Unfreiheit aller Menschen im Osten Deutschlands.
Von einer ganz anderen Freiheit, die aber genau so bewegend ist, berichtet uns unser heutiger Predigttext zum ersten Adventsonntag:
[19 Weil wir durch das Blut Jesu die Freiheit haben zum Eingang in das Heiligtum, 20 den er uns aufgetan hat als neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang, das ist: durch das Opfer seines Leibes, 21 und haben einen Hohenpriester über das Haus Gottes, 22 so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben, besprengt in unsern Herzen und los von dem bösen Gewissen und gewaschen am Leib mit reinem Wasser.] 23 Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat;
24 und lasst uns aufeinander Acht haben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken 25 und nicht verlassen unsre Versammlungen, wie einige zu tun pflegen, sondern einander ermahnen, und das umso mehr, als ihr seht, dass sich der Tag naht.
Liebe Gemeinde, Advent – Ankunft. Das hat nichts mit dem Kinderlied „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind“ zu tun. Es ist einmal gekommen und ist ein Mann geworden. Seine Geschichte auf dieser Erde, sein Tod und seine Auferstehung ist uns allen bekannt. Er ist der Christus Gottes, der uns zugesagt hat, alle Tage bei uns zu sein – nicht nur einmal im Jahr – der aber auch noch einmal, nämlich am Ende aller menschlichen Geschichte, sichtbar kommt. „Ihr seht, dass sich der Tag naht“, steht am Ende unseres Textes. Wie wir an diesem Tag vor ihm stehen werden, das ist die Frage der Adventszeit. Die Farben an Altar und Kanzel deuten es an – es sind die gleichen wie in der Passionszeit: violett als Zeichen einer stillen Zeit, einer Zeit der Besinnung, einer Zeit der Prüfung. Nicht einer besinnlichen Zeit in unserem heutigen Verständnis. Das Ergebnis dieser Prüfung kann eigentlich nur sein: „Nichts hab ich zu bringen, alles, Herr, bist du“, um es mit einem Satz aus einem unserer Kirchenlieder (EG 407: Stern auf den ich schaue) zu sagen.
Und trotzdem... Trotzdem spricht uns unser Text Ungeheuerliches zu: Wir haben das Recht, die Freiheit zum Eintritt in das Allerheiligste!
Ich glaube, hier muss man ein wenig zum Hebräerbrief erklären. Es war ein Brief, der an Judenchristen gerichtet war. Heute würden wir sagen: an messianische Juden. So ist der Brief auch in einer jüdischen Übersetzung überschrieben: ‚Messianische Juden (Hebräerbrief)’. Diesen Judenchristen war das natürlich ein Begriff: Das Allerheiligste, das war der Teil des Tempels, der durch einen Vorhang abgetrennt war. Dazu hatten vor Gott schuldige Menschen keinen Zutritt, selbst dann nicht, wenn sie sich durch das Opfer eines Tieres Sühne verschafft hatten.
Selbst der Hohepriester konnte nur einmal im Jahr unter Wahrung größter Vorsichtsmaßnahmen durch den Vorhang gehen. Das hat sich geändert, als zur Todesstunde Jesu dieser Vorhang zerriss. Dadurch wurde der Weg zu Gott frei. Liebe Schwestern und Brüder, wir haben freien Zugang zu Gott, zu seinem Reich! Freiheit soll man nutzen. Fragen Sie einmal die Menschen, die vor etwa zwölf Jahren aus einer umzäunten und ummauerten DDR in eine freie Welt kamen, wie ihnen damals zumute war, als sie begriffen: ‚Wir sind frei’. Genau das ruft uns der Hebräerbrief zu: Ihr seid frei! Ihr habt die Freiheit zum Eintritt in das Allerheiligste, in das Reich Gottes.
Freiheit verändert das Leben. Auch das Leben eines Christen. Und wie lebt es sich als Christ in der Freiheit?
1. Wie lebt es sich als Christ in der Freiheit Gott gegenüber? Lasst uns hinzutreten!
Freiheit will genutzt werden! Darum nutzen Sie den Zugang zu Gott. Freilich gehört dazu unser Glaube, der sich vollkommen auf Gott verlässt. Lassen wir nicht Gott die erste Geige spielen, stehen aber selbst am Dirigentenpult. Er hat Christus zum Hohepriester über das Haus Gottes, also über die Gemeinde, bestimmt. Durch Christus sind wir von aller Schuld befreit. Das äußere Zeichen dafür ist unsere Taufe, in der uns symbolisch aller Schmutz abgewaschen wird. In vollkommenem Vertrauen können wir immer wieder auch mit dem Bekenntnis neuer Schuld vor Gott treten. So werden Sie auch die Erfahrung machen: Selbst im größten Stress des Alltags oder auch Festtagen kann ich mit ihm verbunden sein und im Heiligtum stehen.
2. Wie lebt es sich als Christ in der Freiheit der Welt gegenüber? Lasst uns am Bekenntnis festhalten!
Es ist richtig, dass wir uns viel Zeit nehmen müssen in der Stille allein vor Gott zu stehen. Aber da lässt er uns nicht stehen. Er schickt uns hinaus. Ich sehe das Bild vor mir, wo die Menschen den Gottesdienst verlassen. Am Ausgang steht ein unübersehbares Schild: ‚Achtung! Sie betreten jetzt Missionsgebiet!’
Wir fühlen uns in der Versammlung der Gemeinde ja meistens sehr wohl. Hier sind wir unter Gleichgesinnten. Hier möchten wir Hütten bauen. Aber schon Jesus hat seine Jünger wieder in die Niederungen des Alltags geschickt, als sie ihm dieses Ansinnen vortrugen. In den Niederungen des Alltags ist Missionsland und – Hand aufs Herz – wer von uns redet denn da noch von seinem Glauben oder gar von der Wiederkunft Christi? Wir sind der Meinung geworden, Glauben ist Privatsache, ist Intimsphäre und über Intimsphäre redet man nicht!
Aber unser Ziel, auf das wir zugehen, ist doch Advent – Ankunft – Ankunft unseres Herrn! Wenn wir daran keine Zweifel haben, dann können wir auch nicht daran zweifeln, dass dieses Ziel auch den anderen was angeht.
3. Wie lebt es sich als Christ in der Freiheit dem Mitchristen gegenüber? Lasst uns aufeinander acht haben!
Das tun wir! Das tun wir! Das tun doch alle! Wir achten auf den Nachbarn, den Kollegen, die Kollegin! Wir belauern sie, um ja auch das kleinste Vergehen mitzukriegen. Vielleicht können wir das ja ausnützen und dem anderen auch noch eins reinwürgen. Aber das Klima, das da unter uns entsteht, meint der Hebräerbrief wirklich nicht.
Sondern: „Lasst uns aufeinander acht haben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken.“ Christen sind dafür verantwortlich, dass unter den Gliedern der Gemeinde Liebe, die Jesus uns erwiesen hat, gelebt wird und Gutes wirkt. Jeder ist für seinen Nachbarn verantwortlich, im Gottesdienst auch dem Banknachbarn! Gegenüber. Zwei Dinge werden uns in unserem Text in diesem Zusammenhang genannt: die Versammlung der Gemeinde und die Seelsorge.
Der Glaube allein genügt nicht. Wo wir die Gemeinschaft aufgeben, geben wir Christus auf. Wo einer auf Dauer wegbleibt, da sollen wir ermahnen. Genau so sollen wir trösten. Christen sind des anderen Seelsorger! Wir können nicht Gottes Aufgaben anderen überlassen. Wir können sie auch nicht einem Einzelnen überlassen, auch nicht dem Pfarrer, der ja auch ‚Seelsorger’ genannt wird und hauptamtlich dafür angestellt ist. Der Schreiber des Hebräerbriefes schreibt seinen Brief der ganzen Gemeinde und nicht einem Einzelnen.
Liebe Gemeinde, in der Freiheit des Reiches Gottes und im Wissen um die Wiederkunft Christi vor Gott hintreten, am Bekenntnis festhalten, aufeinander acht haben, so wollen wir miteinander Advent feiern, heute, aber auch das ganze Jahr über.
Amen.

Verfasser: Prädikant Hans-Ulrich Deußen, Raiffeisenstr. 5, 55270 Schwabenheim

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