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Der Richter und die Witwe

von Wolfdietrich Rasp (Pirmasens)

Predigtdatum : 13.11.2022
Lesereihe : IV
Predigttag im Kirchenjahr : Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : Lukas 18,1-8
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Wochenspruch: Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi. (2. Korinther 5,10a)

Psalm: 50,1-6.14–15.23

Lesungen

Reihe I: Hiob 14,1-6(7-12)13(14)15-17
Reihe II: Lukas 16,1-8(9)
Reihe III: 2 Korinther 5,1-10
Reihe IV: Lukas 18,1-8
Reihe V: Matthäus 25,31-46
Reihe VI: Römer 14,(1-6)7-13

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 398 In dir ist Freude
Wochenlied: EG 149 Es ist gewisslich an der Zeit
Predigtlied: EG 152 Wirt warten dein, o Gottes Sohn; EG+ 102 Da wohnt ein Sehnen
Schlusslied: EG 153 Der Himmel, der ist

Predigttext: Lukas 18,1-8

1 Er sagte ihnen aber ein Gleichnis davon, dass man allezeit beten und nicht nachlassen sollte, 2 und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. 3 Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam immer wieder zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! 4 Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, 5 will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage. 6 Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! 7 Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er bei ihnen lange warten? 8 Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, wird er dann Glauben finden auf Erden?

Predigt

Liebe Geschwister in Christus,

„Gut Ding braucht Weile“ – vielleicht kennen Sie noch dies alte Sprichwort.
Ein Sprichwort, das Mut macht, dran zu bleiben. Das zur Geduld mahnt. Das deutlich macht: um ein gutes Ende zu erhalten muss etwas wachsen können. Muss es Raum haben, sich zu entwickeln. Und Zeit. Wie ein guter Brotteig.
Oder ein guter Wein. Auch: eine Beziehung.

[Parkplatz für persönliche Beispiele, die illustrieren, dass manches „Ding“ Weile braucht.]

Damit etwas mit Zeit werden und sich entwickeln kann, dazu braucht es Menschen, die das zulassen. Und solche, die dranbleiben. Die ausdauernd sind.
Es braucht Menschen, die Entwicklungen sehen. Veränderungen wahrnehmen. Unterstützung gewähren.
Die z. B. nach dem Brotteig sehen und den entstehenden Wein beobachten.
Oder im Blick auf Beziehungen: die bereit sind, diese zu pflegen – auch über Jahre. Und dabei auch mal korrigierend eingreifen, wenn Veränderungen außer Kontrolle geraten.

Gut Ding braucht Weile – das macht Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern deutlich. Im Rahmen einer Rede, die ihm der Evangelist Lukas in den Mund legt. In diese Rede ist unser Text eingebettet.
Jesus öffnet dabei den Blick weit. Er weitet ihn. Nimmt das Ende der Welt in den Blick.
Das Ende der Welt ist dabei der Beginn von Gottes neuer Welt. Das Wiederkommen des Auferstandenen Christus.

Die spannende Frage ist, ob er dann, wenn er wiederkommt und diese Welt zu Ende ist, ob er dann Glauben finden wird. Ob die Jünger – ob wir Christinnen und Christen die Ausdauer und die Beharrlichkeit mitbringen, bei ihm zu bleiben. Ob sie und wir es im Glauben aushalten – und im Beten.

Denn darum geht es in Jesu Beispiel: Ob wir dabeibleiben, wenn „Gut Ding Weile braucht“. In diesem Fall ist das „gut Ding“ Gottes neues Reich, wenn Christus wiederkommt.

Bleiben wir dran an Gottes Sache, auch wenn das Reich Gottes nicht morgen oder übermorgen anbricht, vielleicht, wahrscheinlich sogar erst nach unserer Lebenszeit? Später. Viel, viel später. Lange nach der Spanne eines Menschenlebens. Ob wir dann noch dabei sind, wenn unser Leben zu Ende geht?

Jesu Geschichte will Mut machen. Er erzählt eine klassische Konstellation:

Auf der einen Seite: Die arme Witwe.
Als Witwe steht sie am Rande der Gesellschaft. Sie muss für sich sorgen. Vielleicht noch für Kinder aus der Zeit der Ehe. Sie steht da ohne Netz und doppelten Boden. Ausgegrenzt. Witwen hatten einen schweren Stand.

Aber diese Witwe hat auch Power. Energie. Ausdauer. Sie ist penetrant. Und damit für andere manchmal eine auch unangenehme Persönlichkeit.
Auf der anderen Seite: Der Richter. Etabliert. Angesehen. Selbstzufrieden. Er hat’s ja geschafft. Niemand kann ihm etwas anhaben. So geht er auch mal über Leichen, wenn’s denn sein muss. Skrupellos und selbstherrlich. „Ungerecht“ nennt ihn Jesus.

Eine gewisse Zeit hält er der Hartnäckigkeit der Witfrau stand. Er ignoriert sie. Schaut weg. Hört weg.
Doch schließlich knickt er ein. Er kapituliert vor ihrer Ausdauer und vor ihrer Energie.
Am Ende spricht er dann Recht. Er gibt ihr Recht. Zwar nur, weil er Angst hat. Angst vor Sanktion. Furcht, persönlich Schaden zu nehmen. Aber immerhin.

Gut Ding braucht Weile – diese Geschichte Jesu will uns Mut machen, dran zu bleiben. Sich für die gute Sache einzusetzen, auch wenn der Erfolg auszubleiben scheint. Dennoch, trotzdem!

[Parkplatz für Beispiele die zeigen, dass es lohnt, an einer scheinbar aussichtlosen guten Sache dran zu bleiben.]

Schwierig fände ich allerdings, diese Geschichte als eine Blaupause für Menschen zu lesen, die sich hier und heute benachteiligt wähnen.

Weil sie in vermeintlich hintangestellten Regionen unseres Landes leben.
Weil sie mit Vorschriften zum Schutz vor Krankheit überfordert sind.
Weil sie sich vom politischen System benachteiligt fühlen.
Weil sie ihre Meinung durchsetzen wollen ohne Rücksicht auf Verluste.
Der Maßstab für beharrliches Kämpfen muss Gottes neue Welt sein, sein göttlicher Wille.

Gut Ding braucht Weile – das möchte uns als Christen, als Gemeinde Christi vor Ort, ermutigen. Hier in NN. Heute, am Ende des Kirchenjahres, im November, am Volkstrauertag.

So wie die Gemeinde des Lukas damals, die ungeduldig wurde und sehnsüchtig auf das Anbrechen des Reiches Gottes wartete.

Denn, liebe Mitchristinnen und Mitchristen: warten wir überhaupt noch? Rechnen wir überhaupt mit Gottes Wiederkommen? Oder leben wir unsere Routinen im Leben und im Glauben?

Ich vermute, der Impuls dieser Jesusgeschichte ist wichtig für uns. Dranbleiben an Gottes Sache, aktiv und mit aller Kraft seine neue Welt erwarten und schon an ihr zu bauen. Zu tun gibt es genug!

[Parkplatz für konkrete Beispiele, wo unser christliches Handeln gefragt und wichtig ist.]

Gott möchte durch uns seine neue Welt bauen. Wir dürfen mitgestalten, dankbar „mit Herzen, Mund und Händen“, wie es Martin Rinckart formuliert hat [„Nun danket alle Gott“ EG 321].

Gut Ding braucht Weile, Geduld, Ausdauer. Manchmal auch Hartnäckigkeit. Aber immer getragen von Gottes Zuwendung zu uns Menschen.

Denn er wurde Mensch unter Menschen. Bleibt uns nahe. Und wir ihm. Wenn wir beten, in Lob, Dank und Bitte. Und wenn wir klagen.

Wenn wir in unserem Leben die Hoffnung nicht aufgeben und so getragen sind vom Glauben an den Gott, der am Ende der Zeit wiederkommt. Wann immer das sein wird.
Sicher ist: Gut Ding braucht Weile.

Unterwegs begleitet uns der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft in Christus Jesus.
Amen.

Verfasser: Pfarrer Wolfdietrich Rasp, Pirmasens


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