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Der Sohn Davids

von Oliver Albrecht (65527 Niedernhausen)

Predigtdatum : 24.12.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Heiligabend (Christvesper)
Textstelle : Jesaja 9,1-6
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Wochenspruch:

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Johannes 1,14)Psalm:2

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 9,1-6
Epistel:
Titus 2,11-14
Evangelium:
Lukas 2,1-20

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 45
Herbei, o ihr Gläub’gen
Wochenlied:
EG 23
Gelobet seist du, Jesu Christ
Predigtlied:
EG 20
Das Volk, das noch im Finstern wandelt
Schlusslied:
EG 44
O du fröhliche

1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. 2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. 3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. 4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. 5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.
Vorbemerkung zur Predigt:
Diese Predigt wurde am Heilig Abend 2004 gehalten. Die historischen Bezüge sind dementsprechend zu aktualisieren, passen im Jahr der 60. Wiederkehr des Kriegsendes eher noch besser.

Liebe Gemeinde!
Ein uraltes Lied voller Weihnachtshoffnung ist Predigttext in dieser Nacht, 2700 Jahre alt - und doch, als ob es heute morgen gedichtet wurde. Ich lese aus dem Propheten Jesaja Kapitel 9 die ersten sechs Verse in einer modernen Übersetzung:
1. Das Volk, das noch im Finstern wandelt -
bald sieht es Licht, ein großes Licht.
Heb in den Himmel Dein Gesicht
und steh und lausche, weil Gott handelt.
2. Die ihr noch wohnt im Tal der Tränen,
wo Tod den schwarzen Schatten wirft:
Schon hört ihr Gottes Schritt, ihr dürft
euch jetzt nicht mehr verlassen wähnen.
3. Er kommt mit Frieden. Nie mehr klagen,
nie Krieg, Verrat und bitt‘re Zeit!
Kein Kind, das nachts erschrocken schreit,
weil Stiefel auf das Pflaster schlagen.
4. Die Liebe geht nicht mehr verloren.
Das Unrecht stürzt in vollem Lauf.
Der Tod ist tot. Das Volk jauchzt auf
und ruft: „Uns ist ein Kind geboren!“
5. Man singt: „Ein Sohn ist uns gegeben,
Sohn Gottes, der das Zepter hält,
der gute Hirt, das Licht der Welt,
der Weg, die Wahrheit und das Leben.“
6. Noch andre Namen wird er führen:
Er heißt Gottheld und Wunderrat
und Vater aller Ewigkeit
Der Friedefürst wird uns regieren!
7. Dann wird die arme Erde allen
ein Land voll Milch und Honig sein.
Das Kind zieht als ein König ein,
und Davids Thron wird niemals fallen.
8. Dann stehen Mensch und Mensch zusammen
vor eines Herren Angesicht,
und alle, alle schon ins Licht,
und er kennt jedermann mit Namen.
Die eindrucksvollsten 30 Minuten Film, die ich je gesehen habe, waren der Anfang des Films „Der Soldat James Ryan“. Menschen, die einen Krieg selbst miterlebt haben, sagten mir, dass dies die vermutlich realistischste Darstellung der grausamen Leiden ist, die die alliierten Soldaten bei der Landung in der Normandie erlebt haben. Ein unglaublicher Preis wurde bezahlt, um wenige Meter Strand zu erobern.
Ich war aufgewühlt von der Brutalität und Realität des Krieges. Aber am tiefsten bewegt hat mich das Gefühl, wie wenig sich äußerlich am Ende dieses Tages verändert hatte. Noch immer wurde der größte Teil von Europa von Hitler beherrscht. Es gab nur dieses kleine Stück Strand an einer einsamen Küste, das nun nicht mehr unter der Herrschaft des Tyrannen stand. Ein Küstenstreifen, der in der Weltgeschichte nicht der Rede wert gewesen wäre. Doch dieses kleine Stück Land war genug.
In Wahrheit hatte sich am Ende dieses Tages alles verändert. Es gab eine Öffnung, einen Zugang. Der Spalt war noch sehr klein, doch er würde jeden Tag größer werden. Die Alliierten würden jeden Tag stärker werden. Noch immer würde es viele Kämpfe geben und viel Leid. Doch jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, eine Frage des „Wann“ und nicht mehr des „Ob“.
Ich bin mit dieser Geschichte groß geworden. Mein Vater ist in den Kämpfen an der französischen Küste im Juni 1944 in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten. Er hat nicht viel vom Krieg erzählt, nur diese Geschichte von diesem Strand in der Normandie immer und immer wieder. 60 Jahre waren es in diesem Sommer, und ich glaube, mit diesem 6. Juni 1944 werden für immer mehr Emotionen verbunden sein als mit dem tatsächlichen Kriegsende ein knappes Jahr später.
Eines Tages dann wurde Paris befreit, dann ganz Frankreich. Die Alliierten rückten über den Rhein vor, und wie fast noch nie in der Geschichte wurde eine Besatzungsmacht als Befreier begrüßt. Die Tore der Konzentrationslager öffneten sich, und ein Kontinent begann aus einem Alptraum zu erwachen. Zwischen der Landung in der Normandie und dem letzten Schuss gab es eine schwere und lange Zeit. Aber am 06. Juni 44 war, das wissen wir heute, der Ausgang des Krieges bereits besiegelt.-
In einem objektiv gesehen noch unbedeutenderen Winkel der Erde bringt eine Frau ein Kind zur Welt, im Allgemeinen nimmt es so gut wie niemand zur Kenntnis. Es war von Gott dazu bestimmt, den Menschen Frieden zu bringen, nicht nur den kleinen, sondern den ganz großen Frieden, von dem Jesaja singt. „Ein Kind ist uns geboren“, damit wir Erwachsenen inne halten in unserer Raserei, unserem Stiefelgedröhn, mit unserem ganzen Lärm und Gestank. Und Frieden finden, damit die Kinder dieser Erde nicht mehr weinen müssen. Und wir auch nicht.
Bei der Geburt von Jesus Christus hat Gott in dieser rasenden friedlosen Welt ein Stückchen Land erobert, kleiner als der Strand der Normandie. Nur eine Krippe, einen Stall vielleicht. Dieser Jesus lebt und stirbt für das Friedensreich Gottes, für einen schmalen Küstenstreifen der Liebe, für ein paar Quadratmeter Ewigkeit in einer vergänglichen Welt.
Zwischen der Geburt Jesu und dem Friedensreich Gottes liegt eine lange und schwere Zeit. Aber im Stall von Bethlehem war, das wissen wir heute, der Ausgang der Menschengeschichte bereits besiegelt.
Es ist schön, diese weihnachtliche Friedenshoffnung im Herzen zu tragen und fest darauf zu vertrauen, dass sich Gottes machtvolle Liebe am Ende doch durchsetzen wird, auch in Ihrem und meinem persönlichen Leben.
Aber, mal ehrlich: Manchmal ist das ganz schön weit weg, ist die Sehnsucht nach Frieden nicht mehr schön, sondern nur noch schmerzhaft. Zwischen 6. Juni und 8. Mai - das war ein knappes Jahr. Zwischen Weihnachten und dem Friedensreich Gottes - das scheint mir mehr als eine halbe Ewigkeit.
Aber dann sehe ich mir mein Weihnachten genauer an: da erobert Gott in meinem Leben einen schmalen Küstenstreifen, er erreicht mich vielleicht sogar in einem kleinen Winkel meines Herzens. Ich fange an, mich selbst und vor allem auch andere mit den Augen Gottes zu sehen. Es gelingt mir etwas, das man Frieden nennen könnte.
Aber dann lasse ich Gottes großen, wunderbaren und lieben Plan mit mir und dieser Welt ins Stocken geraten. Ich feiere Weihnachten so, als wenn die alliierten Soldaten nach der Eroberung des ersten Strandabschnittes gesagt hätten: „Eigentlich wunderschön hier. Was wollen wir im Hinterland? Da gibt es keinen Sand und kein Meer. Und es ist doch Juni, ein heißer Tag heute. Lasst uns hier bleiben und ein wenig baden und surfen.“
Wer den Plan nicht kennt, kann die ganze Sache vermasseln. Die Invasion war kein Badeurlaub, und Weihnachten ist mehr als ein Familienfest, eignet sich manchmal - das wissen Sie selbst- nur sehr eingeschränkt als Familienfest.
Ich leide zunehmend unter den ganzen Belanglosigkeiten, mit denen wir uns fortwährend betäuben, ertrage es nicht mehr, anlässlich von Weihnachten mir von Freunden die neuesten Raffinessen ihres Handys erklären zu lassen oder zuhören zu müssen, wann und wo man jetzt am besten Skiurlaub macht.
Ich bin kein Kind von Traurigkeit. Aber unter echter Freude stelle ich mir etwas anderes vor. Und das hat sehr viel mit Gottes großem Plan von Weihnachten zu tun. Es sind nur zwei Dinge, ein einfacher, ein guter Plan:
Erstens:
Gott möchte Ihr Herz erobern. Er will in Ihnen zur Welt kommen, bei Ihnen wohnen und in Ihnen wachsen. Er will Sie von innen heraus stark und fröhlich machen, Ihnen ganz tiefes Vertrauen schenken, Ihre inneren Verletzungen heilen. Er will Sie erfüllen, damit Sie wissen, wozu Sie wirklich auf dieser Erde sind. Das zu wissen ist Erfüllung und ganz tiefes Glück.
Ich habe in meinem Leben viele nette und weniger nette Dinge erlebt. Aber gegen das, gegen diesen echten Gottesfrieden in mir, ist alles, wirklich alles andere nur Zeitvertreib. Es ist Gottes großer und guter Plan, dass sein Frieden, sein Vertrauen mich immer mehr erfüllt. Und nicht nur alle Jahre wieder wie eine leise Ahnung an mir vorüberweht.
Das wird nämlich immer schwerer, die Kurve noch zu kriegen. Und irgendwann hat man sich dran gewöhnt, dass das Leben halt ein bisschen kalt und leer ist.
Weihnachten ist nicht die alljährliche Strandparty der himmlischen Heerscharen in Ihrem Vorgarten. Sondern der point of no return, an dem sich entschieden hat, dass das mit Ihrem Leben doch noch gut wird.
Und das zweite:
Gott möchte durch Sie in dieser Welt wirken. Sein Friedensreich soll sich durch Sie auf dieser Erde ausbreiten.
O. k., Sie haben viele eigene Sorgen. Und Sie wollen auch ein bisschen Spaß haben in Ihrem Leben.
Aber es gibt den Punkt in Ihrem Leben, und wenn Sie wollen, kriegen Sie den raus, da soll durch Sie etwas Wunderbares geschehen. Das ist nicht Ihre moralische Pflicht. Sondern die Sache, die Ihrem Leben Sinn gibt, die Sie erfüllt, zu der Sie berufen sind. Ausgerechnet und nur Sie.
Sie sollen und können nicht die Welt retten. Aber Gott traut Ihnen zu mitzuhelfen, dass der mühsam erkämpfte Strandabschnitt der Liebe nicht wieder von der Flut böser Mächte überspült wird, dass es mit Ihrem Engagement gelingt, dass es für den Frieden in dieser Welt mehr Platz gibt als einen Küstenstrich.
Weihnachten 2004, das könnte für Sie heißen: Um Gottes Willen - verstehen Sie doch, wie wichtig es ist, dass Sie auf dieser Welt sind!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Ihre Herzen und Gedanken in Jesus Christus. Amen.

Pfarrer Oliver Albrecht, Fritz-Gontermann-Str. 4, 65527 Niedernhausen

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