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Der Sohn Davids

von Gerhard Begrich (Drübeck)

Predigtdatum : 24.12.2003
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Heiligabend (Christvesper)
Textstelle : Titus 2,11-14
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Wochenspruch:

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Johannes 1,14)

Psalm: 2

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 9,1-6
Epistel:
Titus 2,11-14
Evangelium:
Lukas 2,1-20

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 45
Herbei, o ihr Gläub’gen
Wochenlied:
EG 23
Gelobet seist du, Jesu Christ
Predigtlied:
EG 40
Dies ist die Nacht
Schlusslied:
EG 44
O du fröhliche

11 Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen 12 und nimmt uns in Zucht, dass wir absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben 13 und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands Jesus Christus,
14 der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu guten Werken.

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder!
Unsere Kirche feiert verschiedene Feste, die zu Herzen gehen und uns freundlich stimmen. Man kann sich kaum etwas Lieblicheres denken als eben Pfingsten, das liebliche Fest: rot brennt der wilde Mohn im Feld, der Rittersporn zaubert den Himmel auf Erden und der Duft von Jasmin liegt in der Welt ...
Man kann sich schwer einen größeren Umbruch vorstellen, als den von Karfreitag zu Ostern, vom Tod zur Auferstehung: dem Triumph des Lebens, der Herzen und Schöpfung erfüllt, das Lachen Gottes, das jeden Sonntag heilsam erfüllt.
Das wohl schönste aller Feste aber beginnt heute: Weihnachten, der Lichterglanz aus Kirchen und Stuben erwärmt und erleuchtet die Nacht, und die Glocken rufen und locken in der winterlichen Finsternis. Wir wissen es: die Welt ist nicht heizbar, und es ist kalt geworden, all überall, lange schon. Das ist keine Frage des Wetters – es ist der Zustand unter den Menschen, unter uns. Nur heute, Heiligabend, soll alles anders sein, einmal im Jahr wenigstens soll Heil und Frieden sein in jedem Haus, in jeder Seele – aber selten gelingt’s ...
Nun, wir geben die Hoffnung nicht auf, Jahr für Jahr nicht, heute auch nicht. Denn die Tür zum Paradies ist auf ... wir können hineinsehen: „Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen!“
Das ist der erste Satz. „Denn es ist“ – das ist unumstößlich, nicht aufhebbar, nicht zurückzunehmen. Es ist. Fakt.
So – und nicht anders. Hier wird nichts verdient, nichts erworben, nichts gekonnt. Hier haben wir nur zu staunen und zu schweigen. Gott hat’s getan. ER allein. Wir müssen nur schauen: Sein Heil, Seine Rettung, Seine Bewahrung ist sichtbar. Heil ist an Gott gebunden: nur in IHM haben wir Heil, nur von IHM geht Heil aus. Dass wir das nur ja nicht wieder vergessen und verkehren. Diese Botschaft ist Evangelium und richtet zugleich menschliche Selbstüberschätzung. Weder heilen wir uns, noch die Welt, aber Sein Wort macht Leib und Seele gesund.
Und: Gottes Heil ist nicht teilbar: es gilt allen Menschen. Das muss man betonen in einer Welt voller Privatbesitz! In der lateinischen Bibel steht an dieser Stelle ein lustiges Wort: „omnibus“. Das kennen wir doch noch, oder! Meistens ist nur das Kürzel „Bus“ übriggeblieben von dem schönen Wort „Omnibus“. Das eben heißt: für alle. Der Omnibus ist eben nicht das Privatauto, mein Besitz, dein Wagen – der Omnibus ist das Auto für alle, hier können alle mitfahren, weil es keinem gehört. Gottes Gnade also: omnibus, für alle! Diese Gnade dürfen und können wir nicht privatisieren, nicht für uns behalten – nicht anderen „rauben“ oder wegnehmen. Seine Gnade ist nicht privat, d.h. geraubt, sondern allen zugänglich. Freilich kann man mit dem Omnibus nur fahren, wenn man in ihn hineinsteigt ... Auch der Gnade Gottes muss man sich öffnen: geben wir Gott unser Herz, damit ER uns heile und unsere zerrissene Welt!
Dann „nimmt uns Gott in Zucht“. Ein Wort, was heute keiner und keine mehr hören will. Aber ohne Zucht gibt es keine Freiheit, keine Gerechtigkeit, kein Glück, kein Heil. Zucht heißt: sich einlassen auf Gottes Handeln an uns und mit uns, heißt beten: nicht mein Wille, Dein Wille geschehe. Das wird von uns verlangt: Zucht ist die Hinwendung zu Gott – und sie geschieht, damit „wir fromm in dieser Welt leben“. Das ist nun unser zweiter Satz.
Wir dürfen leben. Das ist Gottes einfaches und großes Geschenk. Und wir können leben und es aushalten auf dieser geschundenen Erde, weil uns Gottes Heil erreicht hat – und wir verwurzelt sind in Seinem Himmel. Leben heißt jetzt und hier: mit beiden Beinen im Himmel stehen und auf Erden laufen. – Dieses Zugleich ist Gottes Wunder. Bleiben wir also unserer Erde treu, an die uns Gott gewiesen hat: wer nur den Himmel weiß, muss auf der Erde nicht verzweifeln. In dieser Welt dürfen wir leben. Hier ist das Heil Gottes. Also leben wir hier – fromm. Welch schönes altes Wort. In der hebräischen Bibel heißt das – ach, sollen wir schon wieder eine andere Sprache lernen? Erst der lateinische Omnibus, jetzt die hebräische Frömmigkeit! Aber, aber: es ist doch Heiliger Abend – da reden sogar die Tiere miteinander und wenn man die Tiere liebt, pflegt und füttert – dann kann man heute sogar die verstehen – sagen jedenfalls die Alten. Also nun doch noch Hebräisch. Denn das muss man wissen für die Geschichte, die sogleich erzählt werden soll, eine Geschichte vom Storch ...
Also: Hebräisch steht da, wo wir das Wort „fromm“ lesen, das Wort „Chäsäd“, das bedeutet nicht nur fromm, sondern zugleich: Güte, Liebe, Treue und Zuwendung. Und der Storch – nun der heißt „Chasida“. Sie hören es am Klang: das ist verwandt.
Und nun kommt die kleine Geschichte, die wir benötigen, um uns und das Wort „fromm“ zu verstehen.
Einst ging ein Rabbi mit zweien seiner Schüler nachdenkend spazieren. Es denkt und spricht sich gut im Gehen. Die Schüler nun fragen: „Rebbe, eines verstehen wir nicht, eines möchten wir gern wissen.“
„Nun“, sagt der Rabbi.
„Der Storch“, sagen sie, „der Storch hat einen so schönen wunderbaren Namen: der Storch heißt Chasida – das erinnert an das Wort Chäsäd, was doch bedeutet der Menschen Frömmigkeit und zugleich Gottes Liebe, Fürsorge und Treue. Der Storch hat einen so schönen Namen – und gehört doch zu den unreinen Tieren! Das, nein das verstehen wir nicht!“
„Ihr versteht das nicht, meine Jünger“, fragt der Rabbi und schweigt lange, dann sagt er: „denkt nach!“
Nun denken die Schüler nach – einen ganzen Nachmittag. Das kürzen wir jetzt ab.
Am Abend fragen sie ihren Meister wieder: „Rebbe, wir verstehen das nicht: der Storch heißt Chasida, hat einen so schönen Namen, der erinnert an der Menschen Frömmigkeit und Gottes Güte, Liebe und Treue, an das schöne Wort Chäsäd. Und doch, und doch ist der Storch ein unreines Tier. Das, nein das verstehen wir nicht.“
Und jetzt antwortet ihnen der Rabbi: „Der Storch hat einen so schönen Namen, Chasida, was an der Menschen Frömmigkeit und Gottes Liebe, Güte und Treue gemahnt und erinnert, denn fromm heißt Chäsäd - der Storch hat einen solchen schönen Namen, weil er für seine Brut alles tut, ja für seine kleinen Störche sogar sein Leben gibt. Darum hat der Storch einen solchen Namen: Chasida, was erinnert an Chäsäd: Güte, Liebe, Treue und Frömmigkeit. Aber: weil der Storch alles, was er tut, nur für seine Brut tut – darum ist er ein unreines Tier.“
Danach haben die drei lange geschwiegen.
„Fromm in dieser Welt“ leben heißt also nicht nur für die Seinen, sondern auch für die Anderen da zu sein: es gibt kein fremdes Leid, es gibt kein fremdes Glück, es gibt nicht mein Land und dein Land, meine Welt und deine Welt: die Erde ist Gottes. In dieser für diese zu leben: das ist fromm. D. h. ohne Ausgrenzung zu leben. Alle Menschen sind Gottes. Wer das weiß, ist fromm. Wir also sollten fromme Leute sein und fromm in dieser Welt leben. Den Menschen wird es gut tun – und IHN wird es erfreuen.
In dieser Freude können wir leben – und warten. Da ist noch etwas, was uns zum Leben geschenkt ist, weil wir es nötig brauchen: die Sehnsucht.
Wir sollen warten auf die Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilandes Jesus Christus. Das ist unser dritter Satz.
Die Sehnsucht haben, IHN zu sehen in Seiner Schönheit, unseren Gott in unserem Heiland, Gott im Kind zu Bethlehem. Das soll uns der schönste Augenblick unseres Lebens sein: IHN zu sehen. Dann werden wir einst voll Vergnügen sagen: Meine Augen haben Dein Heil gesehen. In dieser Welt kann uns in dieser Zuversicht nichts zerstören.
Besonders heute sollen wir daran erinnert werden: Wisse, was du verloren hast, das Paradies, des Großen Königs Garten, wisse, was du einst schauen wirst: den himmlischen Thronsaal und die Herrlichkeit Gottes und die Schönheit des Heilands und die Klarheit des Heils, und wisse, wo du lebst: in Gottes geliebter Welt, die doch die Vorhalle ist zum himmlischen Jerusalem, das kommen wird.
In dieser Sehnsucht leben wir – und in dieser Sehnsucht dürfen wir heiter und mutig sein in den Gefahren der Zeit.
So ist das. Faktum. Fakt.
Aber ein Satz fehlt noch, der vierte. Denn es gibt doch vier Himmelsrichtungen, auch auf Erden. Hier also der vierte Satz: „Seid eifrig zu guten Werken!“
Um diesen Satz zu verstehen, müssen wir noch einmal eine andere Sprache erlernen, zum letzten mal – und das nur, weil heute Heiligabend ist! Im griechischen Text steht nicht „gut“, sondern „schön“, d. i. ?????! Es ist von schönen Werken die Rede.
Gute Werke sind nötig, ohne gute Werke können weder wir noch die Welt bestehen. Aber, was unser Satz erwartet, ist doch dies: wer die Schönheit Gottes im Heiland geschaut hat, der kann etwas tun, was nicht notwendig ist, was über das Nötige hinaus geht: ein schönes Werk. Das muss nicht sein, das ist zusätzlich – das ist einfach schön. Das ist wirklich ganz einfach: ein Tisch muss sein – die Rose darauf ist einfach schön.
Die von Gott mit seinem Heiland Beschenkten dürfen (und können!?) die Welt einfach schöner schauen und sind dadurch geschickt zu „schönen Werken“. Wir werden daran erkannt.
Das ist es, was Paulus seinem Freund Titus damals geschrieben hat, was heute uns gilt und aller Welt:
Meine Lieben! Seid getrost!
„Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen und nimmt uns in Zucht, dass wir absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands Jesus Christus, der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu schönen Werken.“
So soll es sein.
In Jesu Namen - Amen.

Verfasser: Pfr. Dr. Gerhard Begrich, Klostergarten 6, 38871 Drübeck

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