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Der Sohn Davids

von Mechthild Böhm (55122 Mainz)

Predigtdatum : 24.12.1999
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Heiligabend (Christvesper)
Textstelle : Jesaja 9,1-6
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Wochenspruch:

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Johannes 1,14)

Psalm: 2

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 9,1-6
Epistel:
Titus 2,11-14
Evangelium:
Lukas 2,1-20

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 45
Herbei, o ihr Gläub’gen
Wochenlied:
EG 23
Gelobet seist du, Jesu Christ
Predigtlied:
EG 39
oder EG 41
Kommt und laßt uns Christum ehren
Jauchzet, ihr Himmel
Schlußlied:
EG 37
Ich steh an deiner Krippen hier

Hinführung
Ein politischer Hymnus aus dem 8. Jahrhundert vor Christus ist dieser Predigttext, der - wie die Verkündigung des Jesaja an vielen anderen Stellen auch - durch deutliche Anspielungen Rückschlüsse auf die geschichtlich-politische Situation zuläßt. Die alttestamentliche Heilshoffnung, die hier bei Jesaja ihren Niederschlag findet, hat im ursprünglichen Zusammenhang auch eine sehr politische Dimension.
Der Abstand der Gottesdienstgemeinde am Heiligen Abend 1999 zu diesem Text ist immens. Sie erwartet keine politische Proklamation, wenngleich ihr der Text wohlbekannt ist. Die Vertrautheit mit dem Text hat aber mit seinem ursprünglichen “Sitz im Leben” wenig zu tun; sie bezieht sich vielmehr auf seine enge Verbindung mit weihnachtlicher Musik sowie weihnachtlichen Erinnerungen und Erwartungen.
Daraus folgt für die Predigt am Heiligen Abend folgende Zielsetzung:
1. Wo läßt unsere geschichtlich-politische Situation einen Brückenschlag zu Jesajas Heilshoffnung zu?
2. Wie bestätigt und verändert Jesus Christus diese Heilshoffnung?
1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. 2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. 3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. 4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.
5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6 auf daß seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, daß er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.

Liebe Gemeinde,
Ein uralter Text spricht am heutigen Heiligen Abend zu uns. Uralt ist er für uns tatsächlich, und das in doppelter Hinsicht: Er kommt uns zum einen uralt vor, weil wir ihn so lange schon kennen. Er ist sicherlich für viele verbunden mit Kindheitserinnerungen an Weihnachten. So oft schon haben wir ihn gehört und dabei dunkle Räume vor Augen gehabt, denen erst eine und dann immer mehr Kerzen - Weihnachtskerzen! - aufstrahlen. Und wenn ich diese alte Verheißung aus dem Jesajabuch höre, dann erklingt für mich auch Musik: Die Tenor-Arie aus dem Beginn von Händels “Messias”: “Da Volk, das da wandelt im Dunkel”, und die Melodie zeichnet die unsicheren, suchenden Schritte im Dunkel nach. Und dann der jubelnde Chor, der die Thronnamen “Wunderrat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friedefürst” immer wieder triumphierend erklingen läßt.
Vielleicht klingen in Ihnen, liebe Gemeinde, andere Lieder an, andere Bilder erscheinen vor Ihrem inneren Auge. Doch was dieser altbekannte Text in uns wachruft, sind vertraute und liebe Weihnachtserinnerungen.
Ist er uns vielleicht auch so bekannt, daß wir schon gar nicht mehr richtig hinhören?! Nehmen wir - neben seiner poetischen Schönheit - auch seine Schärfe wahr?!
Noch in einem ganz einem anderen Sinne ist dieser Text für uns uralt, und das ist der zeitliche Abstand zwischen seiner Entstehung und uns heutigen Hörerinnen und Hörern. Wir stehen kurz vor der Vollendung des zweiten Jahrtausends nach Christus, der Prophet Jesaja, dem diese Worte zugeschrieben sind, lebte im 8. Jahrhundert vor Christus. Die politischen Zusammenhänge seiner Zeit kommen in seiner Verkündigung zum Teil sehr deutlich zum Tragen. Brutale Kriegsgräuel werden angeprangert, aber auch politische Dummheit und religiöse Anbiederei.
Der zeitliche, politische und gesellschaftliche Abstand ist immens - und: zwischen uns und Jesaja liegt die Geburt von Jesus Christus. Nicht nur als ein zeitlicher Einschnitt. Mehr als nur eine Wegmarke auf der langen Zeitstrecke von Jesaja bis heute. In Jesus Christus gibt Gott dieser uralten Hoffnung recht. Es ist, als wenn Gott mit der Geburt Jesu Christi uns zusagt: “Ja! Das dürft ihr hoffen. Das soll sich für euch erfüllen!”
Die Finsternis hat auf unserer Erde noch kein Ende. Aber das Licht, auf das Jesaja schon hingewiesen hat, erstrahlt mit Jesu Geburt noch heller. Nie wird es verlöschen. Es ist das Licht, das die dunkle Nacht auf dem Hirtenfeld erleuchtete, so hell, daß die Hirten sich erst fürchteten. Es ist das Licht, das Jesus Christus auch in unsere dunklen Nächte scheinen lassen will.
Jesus Christus hat für uns die Worte des Jesaja verändert. Er hat sie bestätigt und zugleich überboten. Wenn wir diese Worte an Weihnachten hören, dann klingt für uns noch Gottes Stimme mit, die sagt: “Ja, so dürft ihr hoffen! Und: Ihr dürft sogar noch mehr hoffen.” Denn Jesus Christus sagt von sich: “ICH BIN das Licht der Welt!”
Wir hören die Worte des Jesaja anders als seine damaligen Zuhörer. Die Geburt Jesu Christi ist nicht nur eine Zeitenwende, sondern unser ganzes Hoffen und Glauben erfährt hier seinen entscheidenden Grund und seine Kraftquelle. Fast möchte ich sagen, die Geburt Jesu Christi ist nicht allein eine Zeitenwende, sie ist auch eine Hoffnungswende. Hier wird Hoffnung neu geboren und immer wieder aufs neue bekräftigt. Weil Jesus Mensch geworden ist auf dieser Erde, darf unsere Hoffnung noch über das hinaus gehen, was der Prophet Jesaja in uralten Zeiten verheißen hat.
Und doch erreicht diese Verheißung Jesajas gerade an Weihnachten unsere Herzen. “Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.” Wir feiern die Geburt Jesu Christi in eine Welt hinein, die doch dunkel geblieben ist. Die Finsternis ist noch nicht beseitigt. Das, was Jesaja in drastischen Worten und Bildern beschreibt, ist auch Teil unserer Wirklichkeit.
Wie ein drückendes Joch, von dem Jesaja spricht, erleben heute viele ihre Arbeitslosigkeit oder die aufreibende Pflege kranker und alter Angehöriger. Und das Kriegsgedröhn, die Soldatenstiefel und das Blut sind auch in unseren Tagen Wirklichkeit geblieben. Bedrückende Wirklichkeit einer friedlosen Welt. Auch die Sorge um die fortdauernden Auseinandersetzungen im Kosovo beschäftigt ja nicht nur die Familien der dort stationierten deutschen Soldaten. Die Finsternis ist noch nicht beseitigt. Die Worte des Jesaja kommen doch unserem Erleben trotz des zeitlichen Abstands sehr nah. Auch wenn an Weihnachten manches in den Hintergrund treten mag, letztlich läßt uns das Bedrückende und Beängstigende doch nicht los.
Doch es ist nicht nur dies, was uns mit Jesaja verbindet. Wir wandern zwar im Dunkel, doch das Licht, von dem Jesaja spricht, scheint seit Jesu Geburt noch heller auf. Wir, die wir seine Worte am Heiligen Abend 1999 hören, sind ebenso wie seine ursprünglichen Zuhörer Glieder in einer Kette enttäuschter und doch auch hoffender Menschen, Menschen, die zugleich belastet und doch auch voll Erwartung sind. Zugleich bedrückt und beschenkt. Wir sind wie Jesajas Zuhörer Menschen, die zwar noch in der Dunkelheit sind, sich aber dem Licht schon zuwenden.
Ja, mehr noch, wir könnten nicht leben ohne dieses Licht, das in unsere Finsternisse scheint. Ein Licht, das der Sorge ihre alles beherrschende Macht nimmt. Ein Licht, das der Angst verbietet, zu groß zu werden. Ein Licht, das Leben aus dem Tod erweckt. Ein Licht, das wie eine einzige Kerze im einem dunklen Raum gerade da besonders hell strahlt, wo uns das Leben besonders finster erscheint. Wir sind Hoffnungsmenschen. Ohne Hoffnung könnten wir nicht leben. Wie junge Pflanzen sich dem Licht entgegenstrecken, so strecken wir uns aus nach diesem Hoffnungslicht, das uns am Leben erhält.
Und dieser Hoffnung, die im Dunkel das Licht sucht, ruft der Weihnachtsengel Gottes zu: “Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude.” (Lukas 2,10)
Was gibt uns Hoffnung? Was hält in uns die Erwartung einer heilvollen Veränderung unserer Wirklichkeit wach? Es sind ja nicht allein die Worte des Jesaja, die Hoffnung nähren. Wir müssen ihre Wahrheit ja auch erfahren. Selbst. In unserem eignen Leben. Und Gott selbst hat ja den größten Beweis für ihre Wahrheit uns mit der Geburt Jesu Christi geschenkt. Er hat sie bestätigt, wahr gemacht und für immer überboten.
Da ist das Licht, das in der Finsternis strahlt. Da ist der, der Frieden bringt. Da ist der, der Recht und Gerechtigkeit wahr macht. Da ist ein neuer Anfang gesetzt.
Die Finsternis ist noch nicht beseitigt, aber das Licht strahlt schon auf. Und dieses Licht wirft auch ein neues Licht auf unsere Wirklichkeit. Wir brauchen dieses Licht, und wir hoffen darauf. Und doch geht es uns mit diesem Hoffnungslicht, mit diesem Weihnachtslicht ähnlich wie den Hirten in der Heiligen Nacht. Auch ihnen war die uralte Hoffnung vertraut. Auch sie bewahrten diese uralten Worte des Jesaja als Stärkung ihres Lebens. Und dann, als das Licht über ihnen anbricht, erwartet und doch unerwartet, da erschrecken sie und fürchten sich. So berichtet es ja die Weihnachtsgeschichte:
Deshalb können wir an diesem Heiligen Abend dankbar und voll Freude in die Worte aus Jochen Kleppers Adventslied einstimmen: “Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt.” (EG 16,5). Amen.

Verfasserin: Pfrin. Mechthild Böhm, Rheingaustr. 105, 65375 Oestrich-Winkel

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