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Der Sohn – Zeichen des Vaters

von Thomas Beder (64404 Bickenbach)

Predigtdatum : 28.12.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Sonntag nach dem Christfest
Textstelle : Lukas 2,(22-24).25-38.(39-40)
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Wochenspruch:

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.
(Johannes 1, 14)

Psalm: 71, 14 – 18 ( EG 732 )

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 49, 13 – 16
Epistel:
1. Johannes 1, 1 – 4
Evangelium:
Lukas 2, (22 – 24) 25 - 38 ( 39 – 40 )

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 39
Kommt und lasst uns Christus ehren
Wochenlied:
EG 25
Vom Himmel kam der Engel Schar
Predigtlied:
EG 8
Es kommt ein Schiff, geladen
Schlusslied:
EG 34, 1 + 4
Freuet euch, ihr Christen alle

Wie geht es Ihnen heute? Der erste Höhepunkt der Weihnachtstage ist für die meisten wohl vorbei, die größten Geschenke sind ausgepackt, einkaufen kann man auch nichts mehr: Etwas mehr Ruhe kehrt bei den meisten Familien ein, gegenseitige Besuche stehen oft auf dem Programm für die Weihnachtstage. Viele von Ihnen können sich wohl in dieser Beschreibung wiederfinden; hätten Sie mir geantwortet auf meine Eingangsfrage, etliche Antworten wären wohl so oder ähnlich ausgefallen.
Sind Sie auch zufrieden? Ich meine jetzt nicht mit den Geschenken, da könnte ja noch etwas kommen, je nachdem, wer heute besucht wird, sondern ich frage: Sie und Sie und Du und ich, sind wir zufrieden mit der Art, wie wir dieses Fest feiern, so zufrieden, dass wir davon die nächste Zeit zehren können? Oder anders: Was hat die Botschaft der Heiligen Nacht, die wir vorgestern hier gehört und gefeiert haben, was hat der Geburtstag dieses Kindes Jesus mit uns gemacht? Ist die Nachricht überhaupt bei uns angekommen – oder ist sie in unseren Festtagesbräuchen untergegangen? Gott, Gott selbst ist zu uns gekommen; unser Gott ist einer, der mit uns geht. Was bedeutet uns das?
Ich möchte Ihnen heute Morgen von einem Mann erzählen, von dem Lukas gleich im Anschluss an die vertraute Weihnachtsgeschichte berichtet. Ein alter Mann ist es bereits, der auf viele Jahre zurückblickt, ein weiser Mann, der mit dem Leben längst abgeschlossen haben könnte. Doch ist er von einer seltsamen Unruhe ergriffen: Er erwartet noch etwas, er sieht sein Leben noch nicht am Ziel. Simeon, so heißt er, wartet auf den Trost Israels, so schreibt Lukas. Das heißt, er sieht mit wachen Augen und klarem Sinn, was um ihn herum geschieht. Er leidet unter den Umständen, unter denen seine Mitmenschen leben wie er selbst.
Wie verbreitet ist unter älteren Menschen die Einstellung, dass es mit der Welt immer schlimmer würde! Ihre Großeltern hatten damals, in der Zeit, die den Enkeln heute als gut erscheint, schon das gleiche Gefühl. Ich weiß nicht, ob früher wirklich alles besser war, doch ich vermute, hinter dem Gefühl, alles würde immer schlechter, verbirgt sich eine Sehnsicht vieler Menschen: Der tiefe Wunsch, die Welt mit all ihrer Not würde geheilt, umfassend und endgültig. Die Unruhe teilt auch der alte Simeon, den Wunsch, alles möge gut werden. Am Ende seiner Tage erlebt er noch einmal aufregend Neues:

25 Und siehe, ein Mann war in Jerusalem, mit Namen Simeon; und dieser Mann war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der heilige Geist war mit ihm. 26 Und ihm war ein Wort zuteil geworden von dem heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. 27 Und er kam auf Anregen des Geistes in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz, 28 da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach:
29 Herr, nun läßt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast;
30 denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen,
31 den du bereitet hast vor allen Völkern,
32 ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.
33 Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde. 34 Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird 35 - und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen -, damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden.
36 Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuëls, aus dem Stamm Asser; die war hochbetagt. Sie hatte sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt, nachdem sie geheiratet hatte, 37 und war nun eine Witwe an die vierundachtzig Jahre; die wich nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht. 38 Die trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.

Mit dem Kind auf dem Arm wird es Weihnachten für Simeon: Gott kommt bei ihm an. Damit erfüllt sich sein Leben: Jetzt kann ich in Frieden gehen, sagt er, denn meine Augen haben den Heiland gesehen.
Wenn Gott doch so bei uns ankäme!
Wir würden es lernen, ihn am rechten Ort zu suchen. Jedes Jahr feiern wir Weihnachten und hören von der Nacht im Stall und dem neugeborenen Kind – doch suchen wir Gott nicht eher an anderen Orten, nach wie vor? Dort, wo die strahlenden Helden sind, im Erfolg, auf der Seite der Mehrheit oder der Macht? Simeon begegnet Gott, indem er ein kleines Kind auf den Arm nimmt.
Alle, die schon einmal ein Baby auf dem Arm hatten, werden es nachempfinden können: Mit einem Mal sieht alles anders aus. Kinder ziehen uns in ihren Bann. Für einen Augenblick spüren auch große Menschen, was wirklich wichtig ist – und was uns nur in Atem hält, ohne tatsächlich von Bedeutung zu sein. So ist Gott anzutreffen seit der Heiligen Nacht: In der Zuwendung zu einem Menschen, im Einander-in-den-Arm-Nehmen, im Lächeln, im Anschauen und sich wirklich Wahr-nehmen, im Wohlwollen, das wir füreinander empfinden, einander spüren lassen und selber spüren. Darin, dass wir es zulassen, dass ein kleines Kind unsere Ordnungen, unsere Art, zu leben, unsere Ansichten von wichtigen und unwichtigen Dingen völlig auf den Kopf stellt. Im Gefühl für den Augenblick, im Wahrnehmen auch der kleinen Dinge, so begegnet Gott uns seit jener Nacht in Bethlehem.
Simeon hat gehört, was wir gehört haben, er hat Jesus so gesehen, wie er sich auch von uns spüren lässt, im Heiligen Abendmahl etwa. Für Simeon war das genug: Herr, nun lässt Du Deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben den Heiland gesehen. Und uns?
Hört sich das nicht zu rührend an? Ist der Friede, von dem Simeon erfüllt ist, wirklich mehr als seine ganz persönliche Zufriedenheit? Erkauft mit dem Übersehen der Not um ihn herum? Ist er nicht eine Art frommer Selbstbetrug – denn auf den Frieden auf Erden, von dem die Engel gesungen haben, auf den Frieden, der alle umfasst, warten wir ja noch immer. Können wir eigentlich wirklich dieses Fest feiern, solange auf der Welt Gewalt herrscht? Können wir das „Fest der Liebe“ feiern, wenn in diesen Tagen wieder Ehen in die Brüche gehen und Kinder misshandelt werden? Können wir Weihnachten feiern, solange Menschen sterben? In jener Nacht – was hat sich für die Welt wirklich geändert – und nicht nur für Maria und Josef?
Eine Antwort möchte ich in einer bekannten Geschichte suchen: Ein Mann hatte einen Traum. Er betrat einen Laden. Hinter der Theke sah er einen Engel stehen und fragte ihn: „Was verkaufen sie?“. Der Engel gab freundlich zur Antwort: „Alles, was sie wollen“. Da fing der Mann sofort an, zu bestellen. Und weil er nicht nur an sich und seine Wünsche dachte, bestellte er: Das Ende aller Kriege, bessere Bedingungen für die Menschen am Rande der Gesellschaft, Abbau von Hass, Feindseligkeit und Angst untereinander, Beseitigung der Armut … „Entschuldigen Sie“, fiel ihm der Engel ins Wort, „Sie haben mich falsch verstanden. Wir verkaufen hier keine Früchte, wir verkaufen den Samen.“
Wenn wir anfingen, die Botschaft der Engel so zu verstehen, dann hat sich etwas geändert in der Nacht von Bethlehem: Der Same ist ausgesät. Gott zeigt, dass Er die Not der Welt und der Menschen so ernst nimmt, dass Er selbst zu uns kommt. Als Kind armer Leute, bald schon auf der Flucht, ständig bedroht. Seitdem gibt es keinen Abgrund, kein Leid, keine ausweglose Situation mehr, in der Gott nicht wäre. Seit jener Nacht trägt Er alle Menschen. Friede auf Erden, von dem die Engel singen, fällt uns nicht zu wie eine reife Frucht, aber in jener Nacht hat er begonnen, Ganz klein, mit der Geburt eines hilflosen Kindes. Der Samen ist gelegt, ob er Frucht bringt, liegt auch an uns. Gottes Licht leuchtet in der Dunkelheit unserer Welt. Tragen wir es weiter, wird es sich ausbreiten, weil Gott selbst mit uns geht. Das ist die frohe Botschaft der Engel, uns und allen Menschen gesagt, zu großer Freude, zum Leben, zum Handeln. Den alten Simeon hat sie verändert. Und uns?

Erzählung nach: Der Traum vom Samen, in: Paul Jakobi (ed): Damit unser Leben gelingen kann; Mainz 1981, S. 157f.

Verfasser: Pfarrer Thomas Beder, Schulzengasse 5, 64404 Bickenbach

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