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Der Sohn – Zeichen des Vaters

von Helmut Spindler (69488 Birkenau)

Predigtdatum : 31.12.2006
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Sonntag nach dem Christfest
Textstelle : Johannes 12,44-50
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Wochenspruch:
Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.
(Johannes 1, 14)
Psalm: 71, 14 – 18 ( EG 732 )

Lesungen
Altes Testament: Jesaja 49, 13 – 16
Epistel: 1. Johannes 1, 1 – 4
Evangelium: Lukas 2, (22 – 24) 25 - 38 ( 39 – 40 )


Liedvorschläge
Eingangslied: EG 39 Kommt und lasst uns Christus ehren
Wochenlied: EG 25 Vom Himmel kam der Engel Schar
Predigtlied: EG 41 Jauchzet ihr Himmel
Schlusslied: EG 34, 1 + 4 Freuet euch, ihr Christen alle

Johannes 12, 44 – 50
44 Jesus aber rief: Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat. 45 Und wer mich sieht, der sieht den, der mich gesandt hat. 46 Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.
47 Und wer meine Worte hört und bewahrt sie nicht, den werde ich nicht richten; denn ich bin nicht gekommen, dass ich die Welt richte, sondern dass ich die Welt rette. 48 Wer mich verachtet und nimmt meine Worte nicht an, der hat schon seinen Richter: Das Wort, das ich geredet habe, das wird ihn richten am Jüngsten Tage. 49 Denn ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, der hat mir ein Gebot gegeben, was ich tun und reden soll. 50 Und ich weiß: sein Gebot ist das ewige Leben. Darum: was ich rede, das rede ich so, wie es mir der Vater gesagt hat.


„Wir können das Leben nur im Rückblick verstehen, aber wir müssen es vorwärts leben“. Dieses Wort von Sören Kierkegaard hat heute, am letzten Tag des Jahres 2006, wieder seinen besonderen Platz. Wir haben es noch an, das alte Gewand mit seinen Flecken, Bruchstellen und Rissen.

Heute Nacht ist es wieder soweit – wir sollen es ablegen, das alte Gewand und ein frisches, ein unbeflecktes anziehen. Aber ist das denn so einfach möglich? „Das Alte ist vergangen – siehe, Neues ist geworden“ (Offenbarung 21, 5). Wollen wir das Alte überhaupt abstreifen? – vielleicht war es ein gutes Jahr, in dem uns Vieles gelungen ist, vielleicht sind uns Menschen ver-traut geworden, die wir festhalten möchten.

Es ist aber auch möglich, dass uns eine schwere Last drückt, dass Böses uns quälte in diesem Jahr. Verfluchen möchten wir es und abstreifen – aber es geht nicht. Wir werden es nicht los. Sorgen haften an jedem Schritt.

Sorgen und Traurigkeit umarmten sich auch im Leben von Ma-ria Moreno, einer jungen Frau aus Südamerikanerin, die als so genannte „Illegale“, also als ein Mensch ohne gültige Aufent-haltspapiere, unter uns lebte. Sie floh aus ihrem Heimatland und versuchte hier bei uns ein Zuhause zu finden.

Als sie schwer krank wurde, glaubte sie, alles sei zu Ende. Sie schrieb: „Alles tat mir weh, ich konnte gar nicht sagen, welcher Körperteil am schlimmsten schmerzte, mein ganzer Körper fühlte sich wie eine einzige Wunde an, meine Hände hatten keine Kraft mehr. Sobald ich das Licht anknipste, bekam ich stechende Kopfschmerzen. Jeder Atemzug tat mir weh. Lange Zeit vegetierte ich in totaler Dunkelheit dahin. Es ging mir so schlecht wie noch nie zuvor in meinem Leben“ (1a) Maria lernte eine harte Seite des Lebens kennen. Sie führte hier ein Schattendasein und lebte im Verborgenen als Schattenfrau, oh-ne Schutz und ohne Recht. Kein Arzt durfte ihr eigentlich hel-fen, weil sie keine Versicherungskarte hatte. Niemals sind ihr die Tage zuvor dunkler vorgekommen. Sie war jenseits der Tränen. Sorgen und Traurigkeit haben sich vielleicht auch in diesem Jahr in unserem Leben umarmt.

Aber immer kreist der Vogel „Hoffnung“ über uns. Und er setzt sich auf unsere Schulter in dem Wort Jesu, das im Johan-nesevangelium steht: „Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt.“ (Joh. 12, 46f)

Wir dürfen uns ausstrecken nach diesem Licht, das unsrer See-le zu leben hilft. Es ist das Licht, das unser ganzes Wesen für immer durchflutet. Die Angst hat keine Macht mehr über uns, auch wenn wir immer wieder Dunkles erleben.
(EG 11, 4 Ich lag in Spott und Schanden. . . )

In dem Roman: „Ein Sommer am Baikal“ finden sich Worte, die uns eintauchen lassen in das Licht, den Urgrund unseres Seins:
„Von Mond und Sternen beschienen, funkeln in tief-dunkler Heiligkeit die Kristalle zurück. Diese Nacht wird Gottesdienst-feier in einer Kathedrale aus Eis, wo aufsteigt der Weihrauch der Nebelgebilde, der priestergewandgleich die Dörfer umhüllt. Es ist dies von einer solchen Tiefe, die eine Ahnung gibt von den unendlichen Tiefen des Weltenalls, vielleicht auch von den Tiefen der Seele und von einem solchen Funkeln einer Un-erbittlichkeit einer eis-erstorbenen Nacht.
Da geschieht inmitten der Klarheit des Todes das Unerwartete. Da dringt von Orient herein ein rätselhaft, rötliches Licht. Leicht erst wirft es sich dem Horizont entgegen und aussichts-los scheint seine Mission. Zu tief gefallen ist die Nacht, zu unbarmherzig jener Tod, der klar und erhaben alle Sphären durchdringt. Und doch scheint es nicht aufzugeben, scheint einer Kraft entronnen, deren Größe wir nicht ahnen. Geduldig und mit lichter Gewalt erklimmt es jetzt behutsam den Raum. Dunkler bald und ruhiger wird nun das Funkeln der Todes-nacht. Und schon durchzieht von Osten her ein rosiges Leuch-ten das Land. Und über die weißen Schleier des Schnees legt sich ein rosiger Schein. Und über das weiße Birkengezweig legt sich ein rosiger Schein. Und über die weißen Nebel der Flüsse legt sich ein rosiger Schein. Und der Weihrauch, der nachts die Dörfer umschlang, beginnt einen feurigen Tanz.
Da bricht es urgewaltig hervor, rotbrünstig der feurige Sonnenball und er wirft seine Strahlen auf das glänzende Land, bald erweckend die Wälder, bald beküssend den Fluss und durchglüht es mit klirrender Glut. Feuer ist nun dessen Gewand, Feuernebel sein Kleid, Feuer brennt auch in den Wäldern.“ (2)

Das Licht wird auch in unsere Angst eindringen und sie verwandeln. Das Licht will die bedrohlichen Bilder unserer Seele durchdringen und uns so mehr und mehr von der Angst befreien. Das Wort Jesu: „Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt“ (Joh. 12, 46f) ist ein ungeheuer starkes Wort gegen die Seelen-verfinsterung. Wenn das Licht ein tiefes Symbol dafür ist, dass uns die Augen aufgehen und wir eine Perspektive in unserem Leben gewinnen, dass es ein inneres Durchfluten von Licht und von Einsicht gibt, dann ist das Einbrechen des Lichtes das En-de der Aussichtslosigkeit. Seit das Licht in unser Leben eingebrochen ist, können wir uns der eigenen Dunkelheit stellen.

Jesus will uns damit sagen: es lohnt sich die Augen aufzuschlagen und diese zerbrochene Welt noch einmal neu anzuschauen, mit meinen Augen. Wenn der Anblick der Welt dich quält – du hast die Augen aufgemacht und du bist entsetzt, tödlich entsetzt, mit ansehen zu müssen, dass alles Leben nichts weiter sein soll als ein Kampf auf Leben und Tod und du erträgst diese Wirklichkeit keinen Tag länger, dann ist hier der Ort, an dem du findest, dass es mitten in dieser grausig, großen Welt trotz allem möglich ist, eine ganz kleine und doch unendlich starke Form der Liebe zu leben. Es ist immerhin möglich, menschlich zu sein mitten in dieser so unmenschlich scheinenden Welt.

Wir ahnen: Wir können nur leben, wenn wir für unser Dasein eine innere Sendung, eine Mission verspüren. Das ist es, weswegen es sich lohnt zu leben und die Augen wieder aufzumachen und ins Helle zu treten.

Wir bleiben nicht in der Finsternis. Das bedeutet für uns: Solange wir leben dürfen, wäre es das Schönste, einen Strahl von diesem Licht verbreiten zu können. Licht ist die Lebensgrundlage, um die es zu kämpfen gilt, für mich und für die anderen. Licht – unerreichbar im Phantasiereichtum seiner Formenher-vorbringung, unvorstellbar großartig in seinen Gesetzen, die wie die Hände eines Organisten die Vielzahl der Register einer Orgel bespielen, die Mannigfaltigkeit des Lebens zur Erscheinung bringen. Die Augen wieder aufzumachen und ins Helle zu treten ist dasselbe wie den Tod zu überwinden. Es ist der Beginn eines wirklichen Lebens und es gründet in dem Gefühl nie allein zu sein: „Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat; und wer mich sieht, der sieht den, der mich gesandt hat. (Joh. 12, 44f).

Eins sein mit dem himmlischen Vater, das ist das Gegenteil aller Einsamkeit. Menschen treten in unser Leben, berühren uns tief in der Seele, wir sind einander anvertraut und in Liebe verbunden. Dennoch sind wir einander in unserem irdischen Leben nur auf Zeit anvertraut – manchmal sogar ein ganzes Menschenleben lang. Den geliebten Menschen loszulassen und die Liebe dennoch im Herzen zu bewahren ist eine der schwersten Aufgaben, die uns zugemutet wird.

Gott aber verleiht uns auch die Fähigkeit dazu. Unabhängig davon, ob Abschied bedeutet, dass wir getrennte Wege gehen oder ob der irdische Weg des einen endet, dürfen wir gewiss sein: „Es sind die gleichen Hände, die dich und mich tragen.“ (Psalm 139, 5) Es ist dasselbe Licht, das dich und mich durchflutet. Es erreicht jeden noch so dunklen Winkel unserer Seele und es sagt uns: Du bist nicht allein, weder in der Dunkelheit noch in der Krankheit noch im Tod. Ich bin mit dir. Ich bin bei dir. Ich bin in dir.

In Maria Morenos Leben haben sich Traurigkeit und Hoffnung immer mal wieder umarmt. Sie ahnte immer, dass hinter dem kalten Nebel jener Jahre ein Licht leuchtete, auf das sie weiter-hin zuging. Alles annehmen, in der Hoffnung leben, nichts ver-gessen, aber nicht in Verzweiflung ersticken: das blieb ihre Devise nach jenem Nervenzusammenbruch. Und es kam der Tag, an dem sie wieder vereint war mit ihrer Tochter und ihrem Sohn. Dankbarkeit und Liebe waren es nun, die sich umarm-ten. Maria durfte das graue Kleid der Vergangenheit endlich ablegen und das weiße Kleid der Liebe wieder anziehen. Es kam der Tag, an dem sie einen Mann kennen lernte, dessen Liebe ihr ein Zuhause gab. Ihre Hände waren von diesem Tag an nicht mehr gefesselt und ihre Seele durfte ihre Flügel ausbreiten und der Freiheit entgegen fliegen.

„Als wir die Kirche verließen, zog ein sommerlicher Wind ü-ber die Stadt. Die Bäume tanzten und ich fühlte mich wie ein
Vogel, der seinem engen Käfig entkommen war. Meine Seele atmete den Duft von Freiheit. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so leicht gefühlt“, (1b) schrieb Maria über ihren Hochzeitstag. Ihre Sehnsucht hat ihr vorläufiges Ziel erreicht. Ihre Kinder streuen Blumen auf den Weg des Glücks, der nun beginnen soll unter Gottes Segen. Ihre Suche nach Glück ist beendet, auch wenn sie dafür um die halbe Welt reisen musste, viel Leid ertrug und viel Zeit verging.

„Denn ich habe nicht von mir aus geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, er hat mir den Auftrag gegeben, was ich sagen und was ich reden soll. Und ich weiß, dass sein Auftrag ewiges Leben ist. Was ich also rede, das rede ich so, wie es mir der Vater gesagt hat.“ (Joh. 12, 49f)

Wenn wir also aufhören die Schrecken des irdischen Daseins zu fürchten, berühren wir jetzt schon die Ewigkeit. Johannes denkt nicht räumlich zwischen Himmel und Erde, seine Alternative stellt sich zwischen Licht und Finsternis, zwischen Auf-stieg und Abgrund, zwischen Sinn und Verzweiflung.
Gott erschuf uns nicht um uns dem blinden Zufall auszuliefern, sondern weil wir seine Geschöpfe sind, schuf er uns für alle Ewigkeit. Dieser ewige Bund wurde besiegelt durch Jesus.
„Denn ich bin nicht gekommen um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten“, sagt Jesus weiter (Joh. 12, 47) – ein schönes Trostwort für alle Sorgenumwölkten.

Retten aus der Verzweiflung, aus der Einsamkeit, aus der Seelenfinsternis, auf dass es licht werde in uns und dass es licht bleibe in alle Ewigkeit. Der das Licht erschuf am ersten Schöpfungstag und der in diese Welt kam als das Licht, wollte nicht, dass wir getrennt würden, denn jenseits unseres kleinen Horizonts der irdischen Dunkelheit warten die Inseln unserer Hoffnung, die Horizonte wunderbaren Lichtes, die Begegnung einer nicht endenden Liebe. Dann werden auch wir Eins sein miteinander und mit Gott – für immer. Jesus wollte, dass sich über uns ein Licht ergießen möge, ein Licht des Erbarmens und der Gnade für jeden und jede. Jesus kam um uns zu retten. Er wollte uns zeigen, dass Gott die Heimat aller Menschen ist – unsere einzige Sehnsucht. Und wir sind dazu bestimmt Kinder des Lichts zu sein. Amen

EG 16, 1- 4


Literatur:
1 Maria Moreno, Sie nahmen mir die Freiheit, München 2005, 1a = S. 195, 1b = S 378
2 Helmut Kadel, Birkenau, Ein Sommer am Baikal, unveröffentli-ches Manuskript
Eugen Drewermann, Das Johannesevangelium, Düsseldorf 2003

Pfarrer Helmut Spindler Friedhofstr. 33 69488 Birkenau

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