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Der starke Trost

von Mechthild Gäntzle (64354 Reinheim)

Predigtdatum : 08.10.2000
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 14. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Apostelgeschichte 12,1-11
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Wochenspruch:

Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht
durch das Evangelium. (2. Timotheus 1,10b)

Psalm: 68,4-7a.20-21 oder 146 (EG 757)

Lesungen

Altes Testament:
Klagelieder 3,22-26.31-32
Epistel:
2. Timotheus 1,7-10
Evangelium:
Johannes 11,1 [2] 3.17.27 [41-45]

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 452
Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied:
EG 113
oder EG 364
O Tod, wo ist dein Stachel nun
Was mein Gott will, gescheh allzeit
Predigtlied:
EG 366,1-2,5-7
Wenn wir in höchsten Nöten sein
Schlusslied:
EG 638
Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt

Hinführung:
In dieser sehr bekannten Geschichte, die für unsere Vernunft und unser modernes Denken ungewohnt ist, werde ich nichts negativ hinterfragen.
Ich will versuchen in zwei Punkten herauszuarbeiten, was für uns auch heute von Bedeutung sein könnte. Ich will mit Beispielen aus dem Leben und eigenen Erfahrungen den Text lebendig werden zu lassen.
Das Gedicht von Rudolf Otto Wiemer, aus dem Buch: “Der Engel leuchtende Spuren”, habe ich als Einstieg gedacht.
Es müssen nicht Männer mit Flügel sein,
die Engel.
Sie gehen leise, sie müssen nicht schrein,
oft sind sie alt und hässlich und klein,
die Engel.
Sie haben kein Schwert, kein weißes Gewand,
die Engel.
Vielleicht ist einer, der gibt dir die Hand,
oder er wohnt neben dir, Wand an Wand,
der Engel.
Dem Hungernden hat er das Brot gebracht,
der Engel.
Dem Kranken hat er das Bett gemacht,
und er hört, wenn du ihn rufst, in der Nacht,
der Engel.
Er steht im Weg und er sagt: Nein,
der Engel,
groß wie ein Pfahl und hart wie ein Stein -
es müssen nicht Männer mit Flügeln sein,
die Engel.
Rudolf Otto Wiemer;

Aus: Johannes Kuhn, Der Engel leuchtende Spuren, Stuttgart, 1991

Liebe Gemeinde,
Engel, oft verlacht, verhöhnt, verniedlicht und verkitscht, haben in unserer Zeit wieder einen Platz bekommen, vielleicht, um etwas zu beschreiben, was sich jenseits unseres nüchternen Verstandes zugetragen hat.
Auch im heutigen Predigttext tritt ein Engel eine wichtig Aufgabe an.
“Und siehe, der Engel der Herrn kam herein.” Ein Engel, der kommt, der spricht und herausführt. Und am Ende dieser aufregenden Geschichte weiß und bekennt der, dem geholfen wurde: “Nun weiß ich , dass der Herr seinen Engel gesandt hat.”
Hören wir nun die ganze Geschichte:
1 Um diese Zeit legte der König Herodes Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln. 2 Er tötete aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert.
3 Und als er sah, dass es den Juden gefiel, fuhr er fort und nahm auch Petrus gefangen. Es waren aber eben die Tage der Ungesäuerten Brote.
4 Als er ihn nun ergriffen hatte, warf er ihn ins Gefängnis und überantwortete ihn vier Wachen von je vier Soldaten, ihn zu bewachen. Denn er gedachte, ihn nach dem Fest vor das Volk zu stellen.
5 So wurde nun Petrus im Gefängnis festgehalten; aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.
6 Und in jener Nacht, als ihn Herodes vorführen lassen wollte, schlief Petrus zwischen zwei Soldaten, mit zwei Ketten gefesselt, und die Wachen vor der Tür bewachten das Gefängnis.
7 Und siehe, der Engel des Herrn kam herein, und Licht leuchtete auf in dem Raum; und er stieß Petrus in die Seite und weckte ihn und sprach: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen.
8 Und der Engel sprach zu ihm: Gürte dich und zieh deine Schuhe an! Und er tat es. Und er sprach zu ihm: Wirf deinen Mantel um und folge mir!
9 Und er ging hinaus und folgte ihm und wusste nicht, dass ihm das wahrhaftig geschehe durch den Engel, sondern meinte, eine Erscheinung zu sehen.
10 Sie gingen aber durch die erste und zweite Wache und kamen zu dem eisernen Tor, das zur Stadt führt; das tat sich ihnen von selber auf. Und sie traten hinaus und gingen eine Straße weit, und alsbald verließ ihn der Engel.
11 Und als Petrus zu sich gekommen war, sprach er: Nun weiß ich wahrhaftig, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich aus der Hand des Herodes errettet hat und von allem, was das jüdische Volk erwartete.

Liebe Gemeinde!
Eine unglaubwürdige Geschichte oder Erfahrungsbericht eines Geretteten?
Diese Frage wollen wir nicht klären, es würde uns wohl auch nicht gelingen, doch zwei Punkte möchten wir heute Morgen aus dieser Geschichte herausnehmen und darüber ein wenig nachsinnen.
1. Die Aufgabe der Gemeinde
2. Die Macht des Gebetes
1. Die Aufgabe der Gemeinde
Nein, damals, am Anfang als sich eine kleine Gemeinde gebildet hatte, war es nicht leicht sich zu diesen “Jesusnachfolgern” zu bekennen. Es gehörte schon etwas dazu, es brauchte Mut, sich zu den Versammlungen zu halten. Oft bedeutete es sogar das eigene Todesurteil, durch die Taufe sich zu dieser neuen Bewegung zu bekennen und das mutige Bekenntnis abzulegen: “Ich will hinfort diesem Jesus Christus nachfolgen, ich will mich zu der Gemeinde halten.”
Wir wollen uns diese Zeiten nicht zurückwünschen, und wir freuen uns, dass in unserer toleranten Gesellschaft keiner von uns benachteiligt wird, der sonntags in die Kirche geht.
Aber die Menschen in den neuen Bundesländern, wissen etwas davon zu berichten, was es für sie bedeutet hatte, sich zur Gemeinde zu bekennen. Welche Nachteile, welche Schikanen ihre Kinder erleben mussten. Manchmal sogar waren oder sind auch heute noch in kommunistischen Ländern Christen Verfolgungen ausgesetzt, weil sie sich zu Jesus Christus bekennen.
Die Apostelgeschichte beschreibt in vielen Berichten, wie schwierig der Anfang der ersten christlichen Gemeinden nach Christi Tod und Auferstehung war. Misshandlungen des Glaubens wegen waren nichts besonders. König Herodes Agrippa I. hatte Angst, dass aus den entstehenden Gemeinden politische Unruhen entstehen würden, darum wollte er diese Gemeinde zerschlagen. Die Maßnahmen richteten sich vor allem gegen die Führer der Gemeinde, so wurde Stephanus der erste, der seinen neuen Glauben mit dem Tode bezahlen musste.
In Häusern kamen sie zusammen, und wir hören von den “vier Säulen”, auf denen die kleine Gemeinde ruhte. Trotz Verfolgungen kamen Menschen hinzu, denn: “Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet.” (Apg. 2,42)
Damals, am Passahfest, als nach Jerusalem viele Menschen kamen, wollte König Herodes wohl ganz besonders seine Macht zeigen, ein Exempel statuieren. Einige von der Gemeinde wurden misshandelt, Jakobus, der Bruder des Johannes wurde mit dem Schwert getötet. Auch Petrus, der Fels, der so mutig an Pfingsten allen Menschen den Glaubensweg gezeigt hatte, er, der als Anführer galt, sollt nun auch mundtot gemacht werden. Denn, wenn man den Kopf einer Vereinigung beseitigte, würde der ganze Spuk sich bald verlaufen. Nun saß Petrus im Gefängnis.
Aber da trat die Gemeinde auf den Plan.
Es fing nicht das große Klagen an, wir hören von keinen Fragen: “Warum gerade er”? Keine Anklage: “Wie kannst du so etwas zulassen, Herr, wo er dir dienen will und wir ihn brauchen?” Nein, von alle dem hören wir nichts. Aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.
Gebet rund um die Uhr? Wie anstrengend! Wie unattraktiv. Sollte man nicht eher eine Krisensitzung einberufen, Strategien entwerfen, wie man jetzt vorgehen soll?
Wie lösen wir heute die Probleme, die in den Gemeinden entstehen?
Wir kennen zwar keine Verfolgungen, aber Probleme haben wir gleich massenhaft. Unsere Kirchen werden immer leerer. Viele Plätze bleiben sonntags frei. Wir sehen, dass alle anderen Veranstaltungen besser besucht werden als unserer Gottesdienste. Darum werden neue Strategien erstellt, neue Strukturen geplant, anderes Verhalten gewünscht. Es wird gerätselt und überlegt, was können wir tun, woran kann es liegen, dass so viele Menschen der Kirche abgewandt leben, sich mehr und mehr von ihr distanzieren?
Sind unsere Lieder zu alt, die Texte zu unverständlich? Wo müssen wir uns ändern, um Distanzierte anzusprechen?
Was tat die christliche Gemeinde damals? Der Tod des Jakobus musste sie hart getroffen haben. Die Nachricht von der Festnahme des Petrus gab erneut Anlass zur Sorge, aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.
Kritiker könnten jetzt bemerken: “Und die Misshandelten, die Toten, die schon ihr Leben gelassen haben, warum habt ihr nicht auch für sie gebetet damit sie errettet wurden?”
Nicht wahr, das ist doch stets unsere erste Frage: “Warum lässt Gott das zu?” Wenn ein Missionar, ein Priester, ein Mann Gottes, der die Liebe Gottes verkündigt, ermordet wird? Warum den Einen und den Anderen nicht erretten?
Wir haben keine Antwort, und das soll heute auch nicht die Frage sein. Vielmehr wird durch diese Geschichte gezeigt, welche große Aufgabe eine Gemeinde hat, und wie wichtig die Fürbitte, das Gebet ist. Manchmal ändern sich Verhältnisse und Probleme tatsächlich nur durch das Gebet.
Damit tritt an uns auch die Frage: Beten wir als Gemeinde, als Einzelne für alle, die im Verkündigungsdienst stehen? Wo sind Gemeinden, die für die bestehenden Problemen beten? Wo finden gemeinsame Gebetsstunden statt? Der Buß- und Bettag wurde zugunsten einer Pflegeversicherung abgeschafft. Müssen wir es wieder ganz neu lernen, diese Macht des Gebetes wahrzunehmen. Fürbittend für andere einzutreten, für ihre Sorgen, für ihre Krankheiten.?
Wäre es vielleicht die wichtigste Aufgaben als Gemeinde, als Einzelne, für andere zu beten?
Eine alte Frau, die nicht mehr laufen könnte und Hilfe bei den täglichen Arbeiten nötig brauchte, wusste dennoch um ihre Lebensaufgabe und sie berichtet, dass sie stundenlang intensiv für Menschen betet und dabei selbst ihre eigenen Schmerzen vergesse. Sie wusste um diese wichtige Aufgabe und um die Macht des Gebetes.
Im Jakobusbrief heißt es:
“Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist” (Jak 5,16b).
Damit komme ich zum 2. Punkt:
2. Die Macht des Gebets
In jener Nacht, als Petrus schlief und die Gemeinde betete, wird berichtet: Und siehe der Engel des Herrn kam herein.
Über 150 mal berichtet die Bibel von Engel, die als Boten kamen um Hilfe, oder eine Botschaft kundzutun.
“Vielleicht ist einer, der gibt dir die Hand oder er wohnt neben dir, Wand an Wand. Es müssen nicht Männer mit Flügel sein”, so Rudolf Otto Wiemer.
“Gürte dich und zieh deine Schuhe an, so hörte es Petrus, und er folgte ohne zu fragen. Wie ein Träumender ging er mit seinem Engel durch die Wachen, durch das eiserne Tor in die Freiheit. Für Petrus war es klar, dass der Herr seinen Engel gesandt und ihn aus der Hand des Herodes errettet hatte und er erfuhr, dass die Gemeinde ohne Aufhören für ihn gebetet hatte. Zufall? Macht des Gebetes?
Nach einer schweren Herzoperation erzählte der Arzt der Patientin, dass er es verwunderlich fand, dass die Operation so besonders gut gelang und der Genesungsprozess so schnell voranschritt, so dass die Patientin bald als geheilt und gesund entlassen werden konnte. Da meinte die Operierte mit strahlendem Gesicht. Ja, Herr Doktor, für mich hat eine ganze Gemeinde zu Gott gebetet. Möglichkeiten für unser Leben! Nutzen wir sie?
Sehr stark erinnere ich mich an eine Geschichte in meiner Jugend, die für mich bis heute prägend für mein Leben war.
Noch recht müde, unausgeschlafen und unachtsam wollte ich am Frankfurter Hauptbahnhof die Straße überqueren, Wohl auch etwas eilig, schaute ich mich nicht wie gewohnt um, ob die Straße, auf der die Straßenbahnen verkehrten, auch frei sei. Ich wollte meinen Fuß auf die Straße setzten, aber ich konnte es nicht. Es waren sicher nur Sekunden, für mich war es nicht unmöglich, meine Füße überhaupt zu bewegen. Im nächsten Augenblick fuhr eine Straßenbahn haarscharf an mir vorbei. Glück gehabt dachte ich, das hätte schiefgehen können. Als ich abends nach Hause kam, fragte mich meine Mutti: “Was war heute morgen los? Ich musste so stark an dich denken und für dich beten.” Macht des Gebets!
Gebet beweget Gottes Arm,
dass Er der Seinen sich erbarm
und sendet ihnen Hilfe.
(M. Basilea Schlink)
Amen.

Verfasserin: Prädikantin Mechthild Gäntzle, Egerländer Str. 33, 64354 Reinheim

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