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Der starke Trost

von Mechthild Böhm (55122 Mainz)

Predigtdatum : 21.09.2003
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 12. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Lukas 17,11-19
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Wochenspruch:

Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.
(2. Timotheus 1,10b)

Psalm: 68,4-7a.20-21 oder 146 (EG 757)

Lesungen

Altes Testament:
Klagelieder 3,22-26.31-32
Epistel:
2. Timotheus 1,7-10
Evangelium:
Johannes 11,1 [2] 3.17.27 [41-45]

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 449
Die güldne Sonne voll Freud und Wonne
Wochenlied:
EG 113
oder EG 364
O Tod, wo ist dein Stachel nun
Was mein Gott will, gescheh allzeit
Predigtlied:
EG 320
Nun lasst uns Gott, dem Herren
Schlusslied:
EG 170
Komm, Herr, segne uns

11 Es begab sich, als er nach Jerusalem wanderte, dass er durch Samarien und Galiläa hin zog. 12 Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer; die standen von ferne 13 und erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!
14 Und als er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein.
15 Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme 16 und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter. 17 Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? 18 Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde?
19 Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.

Liebe Gemeinde!
„Wo sind die anderen neun?!“ Ich kann die Frage Jesu gut verstehen. Zehn Aussätzige hat Jesus geheilt, nur einer kommt zurück, um sich zu bedanken. „Wo sind die anderen neun?“, aus der Frage, die Jesus stellt, spricht Verwunderung, wohl auch eine leise Enttäuschung. Die Erfolgsquote von Jesus scheint erschreckend gering: nur einer von zehn!
Zehn Aussätzige hat Jesus wieder gesund gemacht, für neun von ihnen ist das offensichtlich schon genug. Sie kommen nicht, um sich zu bedanken. Nur einer tut das, ein Außenseiter, ein Samaritaner. Ich denke, das ist es, was die Geschichte so alltäglich, so modern macht: diese sicherlich nicht bös gemeinte, eher gedankenlose Undankbarkeit ist ganz realistisch beschrieben. „Wo sind aber die neun?“ Jesus bleibt verwundert und ein wenig enttäuscht mit dem einen zurück und ist doch realistisch genug, nicht über die übrigen neun zu schimpfen.
Diese zehn aussätzigen, also leprakranken Männer waren aus Angst vor Ansteckung aus ihrer bisherigen Umgebung ausgeschlossen. Sie durften nicht mehr bei ihren Familien wohnen, nicht an Gottesdiensten teilnehmen, keiner Arbeit nachgehen und waren meist auf Bettelei angewiesen. Als diese zehn Männer Jesus begegnen, haben sie nur einen Wunsch: gesund sein, zurück nach Hause, zurück zu ihren Familien, zurück ins normale Leben. Alles soll so sein wie früher, vor der Erkrankung. Und ich kann mir denken, dies ist auch der Grund, warum neun von ihnen nicht noch einmal zu Jesus kommen: sie wollen so schnell wie möglich ihren Freunden und Familien zeigen: „Ich bin wieder da, ich bin wieder gesund, ich bin wieder wie früher.“ Sie wollen da weitermachen, wo ihr Leben mit der Erkrankung unterbrochen wurde, alles soll so sein wie vorher, die Zeit als Leprakranker soll so schnell wie möglich vergessen werden.
Das Erschrecken über die Erkrankung, die entsetzliche Angst, nie mehr gesund zu werden, das Leiden, ausgeschlossen zu sein, die flehentliche verzweifelte Bitte an Jesus, all das: nie mehr daran denken, nie mehr so Schreckliches empfinden.
Und ich muss sagen: ich kann die neun verstehen. Diese Episode der Krankheit ist für sie abgeschlossen, überwunden und vergessen. Nicht noch einmal diesem Jesus über den Weg laufen, der gesehen hat, wie dreckig es mir ging. Das war doch gar nicht mein „richtiges“ Leben, so werden sie wohl denken. Schnell wieder zur Tagesordnung übergehen nach einer Zeit der Krankheit und nach der Heilung, das ist doch auch bei uns zumeist der größte Wunsch. Möglichst schnell zurückkehren in den Alltag der Gesunden.
Einem aber geht es anders. Er erkennt, dass sein Leben verändert ist. Nach der Krankheit und der Heilung ist für ihn nicht alles wie vorher. Er erkennt: was mir widerfahren ist, das hat mich verändert; was mir widerfahren ist, das hat mit Gott zu tun. In meinem Leben ist auch Gott am Werk. Und aus seiner Lebenserfahrung wird eine Glaubensaussage. Dieser eine von zehn traut sich, die wunden Punkte und sensiblen Stellen seines Lebens nicht zu verdrängen. Er erkennt: auch die dunklen Seiten meines Lebens haben mich wachsen lassen, haben meinem Leben eine neue Tiefe gegeben und haben mir auch eine neue Begegnung mit Gott ermöglicht.
Die neun ehemals leprakranken, nun geheilten Männer kann ich gut verstehen. Gedankenlos-undankbar laufen sie nach Hause und gehen zur Tagesordnung über. Ihr Verhalten ist mir vertraut. Was mich aber bewegt und interessiert, ist das Verhalten des einen, der zurückkommt zu Jesus. Und das aus zwei Gründen: einmal wegen seiner Dankbarkeit, die er zeigt; zum anderen weil sich für ihn nach der Krankheit wirklich sein Leben verändert hat. Beides will ich mit Ihnen genauer betrachten.
Nur einer von zehn Geheilten kommt und sagt „Danke“. Und die anderen? Müssten sie nicht auch dankbar sein? Und wir? Schulden wir Gott Dank? Erwartet Gott unseren Dank? Braucht er ihn!?
Mir fällt auf, dass Jesus die Undankbarkeit der neun geheilten Männer nicht bewertet, er stellt sie nur fest, eher mit Verwunderung als mit Aggression. Auch Jesus ist realistisch genug, um zu wissen: Undank ist der Welt Lohn.
Ich glaube, Gott braucht unseren Dank nicht. Aber wir, wir gewinnen etwas, wenn wir danken. Wenn wir Gott danken, dann wird uns dabei doch auch bewusst: wir ver-danken uns nicht alles selbst, wir können nicht alles selbst machen, regeln und bewerkstelligen. Und so nehmen wir, indem wir danken, einen angemessenen Platz zwischen Himmel und Erde ein. Mit den Füßen auf dem Boden, der manchmal auch hart und steinig ist, im Dank aber mit dem Himmel verbunden. Wir gewinnen im Dank ein Gegenüber, dem wir sagen können: „Ich weiß, ich habe es nicht selbst gemacht. Ich weiß, es ist nicht selbstverständlich. Ich fühle, ich bin bewahrt. Ich freue mich.“ Und wie gut ist es, für all diese Worte und Empfindungen eine Adresse zu haben: Gott selbst.
So können wir im Danken uns selbst erkennen - und auch Gott. Auch da, wo wir danken, erfahren wir letztlich Hilfe. Denn wir können uns, unser Leben und auch Gott mit neuen Augen sehen lernen. Dann erkenne ich, wie viel Anlass ich ganz persönlich habe, Danke zu sagen und mich über mein Leben zu freuen. Und ich glaube, das meint auch der Beter und die Beterin des 103. Psalms, wenn sie ausrufen: „Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist seinen Heiligen Namen. Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.
Vergiss nicht, ruf es dir in Erinnerung -, mach es dir von Neuem bewusst, was Gott dir Gutes getan hat. So kannst du dein Leben mit ruhigeren und froheren Augen sehen. Vielleicht fällt dir manches Gute erst beim längeren Nachdenken ein. Und vielleicht hat dir Gott auch durch Schweres letztlich Gutes getan.“
So möchte ich für uns heute dieses Psalmwort wiedergeben und erweitern. Dankbarkeit: wir schulden sie nicht Gott, sondern eher uns selbst. Denn in der Dankbarkeit gewinnen wir einen neuen Blick, eine tiefere Dimension für unser Leben - und darin begegnen wir Gott. Ja: im Danken können wir Gott begegnen.
Noch etwas anderes ist mir wichtig, wenn ich an den geheilten Samariter denke. Er hat in der Begegnung mit Jesus etwas erfahren, was den anderen neun scheinbar entgangen ist. Während die anderen Geheilten weitermachen wie bisher und die Zeit der Krankheit als eine glücklicherweise abgeschlossene Episode betrachten, hat für ihn in seinem Leben eine Veränderung stattgefunden. Für ihn ist Jesus nicht nur ein erfolgreicher Arzt, den die Gesunden ja zum Glück nicht mehr brauchen. Nein, er erkennt, dass Jesus mit seinem ganzen Leben zu tun hat.
Schwere Erfahrungen und dunkle Seiten seines Lebens sind eben nicht Etappen, die möglichst schnell verdrängt werden müssen. Nein gerade solche belastenden Lebenserfahrungen gehören ja zu diesem ganz einmaligen Leben dazu. Für diesen einen geheilten Samaritaner ist Jesus nicht nur ein Wunderheiler, der nach getaner Arbeit wieder von der Bildfläche verschwindet. Nein, er ist mit seiner ganzen Lebensgeschichte Jesus begegnet, und da findet die eigentliche Begegnung statt.
Jesus sagt zu ihm: „Dein Glaube hat dir geholfen“. Nicht: „Dein Glaube hat dich gesund gemacht und dich von der Lepra geheilt.“ Sondern: „Dein Glaube hat dir geholfen, dein Glaube an Jesus hat dir Heil gebracht und dich heil gemacht. Dein Leben ist wieder ganz. Es gibt keine Etappen, die einfach gestrichen und vergessen werden müssen. Dein ganzes Leben verdankst du Gott, und er hat dir vielleicht auch durch Schweres manch Gutes getan.“
Und so kann Gott nicht nur ein Wunderheiler sein, der ausschließlich an Knackpunkten des Lebens auftritt. Gott kann ein Begleiter in dankbaren Zeiten sein ebenso wie in biographischen Krisen und Brüchen. Und vielleicht werden sie so auch zu Gelegenheiten, zu wachsen und zu reifen und im Nachhinein zu erkennen: er hat mir auch durch Schweres letztlich Gutes getan. „Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Amen.

Verfasserin: Pfrn. Mechthild Böhm (1997)

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