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Der starke Trost

von Volker Jung (36341 Lauterbach)

Predigtdatum : 05.10.2003
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 14. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Johannes 11,1.(2).3.17-27.41-45
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Wochenspruch:

Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.
(2. Timotheus 1,10b)

Psalm: 68,4-7a.20-21 oder 146 (EG 757)

Lesungen

Altes Testament:
Klagelieder 3,22-26.31-32
Epistel:
2. Timotheus 1,7-10
Evangelium:
Johannes 11,1 [2] 3.17.27 [41-45]

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 450
Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied:
EG 113
oder EG 364
O Tod, wo ist dein Stachel nun
Was mein Gott will, gescheh allzeit
Predigtlied:
EG 406
Bei dir, Jesu, will ich bleiben
Schlusslied:
EG 347,4-6
Ach, bleib mit deinem Segen

1 Es lag aber einer krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf Marias und ihrer Schwester Marta. [2 Maria aber war es, die den Herrn mit Salböl gesalbt und seine Füße mit ihrem Haar getrocknet hatte. Deren Bruder Lazarus war krank.] 3 Da sandten die Schwestern zu Jesus und ließen ihm sagen: Herr, siehe, der, den du lieb hast, liegt krank.
17 Als Jesus kam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grabe liegen.
18 Betanien aber war nahe bei Jerusalem, etwa eine halbe Stunde entfernt. 19 Und viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, sie zu trösten wegen ihres Bruders. 20 Als Marta nun hörte, dass Jesus kommt, geht sie ihm entgegen; Maria aber blieb daheim sitzen. 21 Da sprach Marta zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. 22 Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben. 23 Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. 24 Marta spricht zu ihm: Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird - bei der Auferstehung am Jüngsten Tage. 25 Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; 26 und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das? 27 Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.
[41 Da hoben sie den Stein weg. Jesus aber hob seine Augen auf und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. 42 Ich weiß, dass du mich allezeit hörst; aber um des Volkes willen, das umhersteht, sage ich's, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast. 43 Als er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! 44 Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen, und sein Gesicht war verhüllt mit einem Schweißtuch. Jesus spricht zu ihnen: Löst die Binden und lasst ihn gehen! 45 Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn.]

Liebe Gemeinde!
„Wenn für mich ein Trauergottesdienst gehalten wird, dann sollen auf meinem Sarg keine Kränze oder Blumen liegen, nur meine Bibel, aufgeschlagen bei Johannes 11.“
Dies, so schreibt ein Pfarrer, habe er in einer ‘Checkliste für den Todesfall’ festgelegt. Er wünscht sich dies, weil ihm dieser eine Satz Jesu so viel bedeutet: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“
Diese Worte sind vielen von uns vertraut. Wir haben sie schon oft gehört. Sie werden häufig bei Beerdigungen am Grab gesprochen. Wenn der Sarg in die Erde gesenkt ist, dann ist dies eine Botschaft, die gegen alles steht, was vor Augen ist.
Das Wort Jesu ist so gewaltig, dass es eine Frage herausfordert: Glaubst du das? Dies ist nicht nur eine Frage, die sich uns von innen her aufdrängt, Jesus selbst stellt diese Frage direkt im Anschluss an seine Worte, die er über sich selber sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt, und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?“
Glaubst du das? - Stellen wir die Gegenfrage: Was gibt es hier zu glauben?
Wenn wir die Geschichte als ganze betrachten, dann sind wir vielleicht geneigt, kopfschüttelnd zu sagen: „Unglaublich. Die Geschichte ist einfach unglaublich. Jesus erweckt einen Toten zum Leben.“
Im Lukasevangelium (Lk 7,11-17) wird auch von einer Toten-erweckung erzählt. Dort trifft Jesus in der Stadt mit Namen Nain auf einen Leichenzug. Der Tote ist der einzige Sohn einer Witwe. Und weil Jesus Mitleid mit der Frau hat, berührt er den Sarg, und der Tote richtet sich auf. Bei dieser Erzählung wird unsere Vernunft versuchen, eine Verständnisbrücke zu schlagen: da am Todestag bestattet wurde, war der Jüngling vermutlich noch nicht lange tot. Dass Jesus diesen Toten wiederbelebt, ist zumindest vorstellbar.
Die Erzählung über Lazarus, den verstorbenen Bruder der Maria und der Marta im Johannesevangelium ist massiver. Als Jesus kommt, ist Lazarus schon vier Tage tot. Vier Tage - das war auch nach damaligem Verständnis ein Zeitraum, der zu der Feststellung berechtigte: Dieser Tote ist unabänderlich tot.
Selbst die beiden Schwestern hatten nicht mehr damit gerechnet, dass Jesus ihnen den Bruder wiedergeben könnte. Als Jesus erstmals auffordert, den Stein vor dem Grab des Verstorbenen wegzuheben, sagt Marta zu ihm: „Herr, er stinkt schon, denn er liegt seit vier Tagen.“ Dem Lazarus, der schon verwest, ruft Jesus zu: Lazarus, komm heraus!
Ja, diese Geschichte ist dramatisch und massiv. Da tritt Jesus als jemand auf, der die Macht hat, einen Menschen aus dem Tod herauszurufen! Was Menschen für unabänderlich halten, ist es nicht. Die Macht Gottes, die hier in Jesus Christus, erschienen ist, ist größer als die Macht des Todes, die zur Verwesung führt. So erzählt es der Evangelist Johannes mit dieser Geschichte.
Glaubst du das? - Wenn man sich diese Frage mit Blick auf diese Geschichte stellt, dann könnte es so erscheinen, als ginge es einfach darum, eine unglaubliche Geschichte für wahr zu halten. Der Glaube an die Wahrheit dieser ‘unglaublichen’ Geschichte allein nützt jedoch nicht viel. Die Herausforderung der Geschichte ist größer. Es geht darum, was wir glauben - im Leben und im Sterben!
Machen wir uns folgendes klar: Die Frage „Glaubst du das?“ steht nicht am Ende der Geschichte. Sie wird von Jesus gestellt, als Lazarus noch im Grab liegt. Und sie ist an Marta gerichtet, an einen Menschen, der um den Verlust eines nahen Angehörigen trauert. Ihr Glaube ist gefragt, und mit ihrem Glauben auch unser Glaube.
Was Marta in dem Gespräch mit Jesus sagt, kann man gut nachempfinden. Als sie Jesus begegnet, sagt sie zunächst. „Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben.“ Es ist die fast unvermeidliche Überlegung: „Was wäre gewesen, wenn...“ Hätte nicht noch etwas getan werden können, wenn der Arzt rechtzeitig da gewesen wäre? Wäre der Unfall vermeidbar gewesen, wenn dort ein Warnschild gestanden hätte? Beim Tod eines Menschen sind diese Fragen in der einen oder anderen Form fast immer da. Und manchmal versteckt sich in diesen Fragen auch die Frage an Gott: „Wo warst du?“
„Herr, wärest du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben.“ Dieser Satz der Marta lässt einerseits das Vertrauen erkennen, dass sie zu Jesus hatte: Du, Herr, hättest alles wenden können! Andererseits spricht aus ihren Worten die Enttäuschung darüber, dass er im entscheidenden Moment nicht da war.
Beeindruckend am Glauben der Marta ist dies: sie macht aus ihrer Enttäuschung keinen Hehl. Und dennoch spricht sie Jesus ihr Vertrauen aus: „Was du bittest vor Gott, das wird dir Gott geben.“
Was meint sie mit diesem Satz? Bittet sie Jesus um ein Wunder, eben um die Auferweckung ihres Bruders? Wohl kaum. Damit konnte sie ernsthaft nicht rechnen. Es dürfte der allgemeine Wunsch sein, dass Jesus für den verstorbenen Bruder beten möge, so dass dieser von Gott angenommen wird. Und so antwortet Jesus dann auch: „Dein Bruder wird auferstehen.“
Marta nimmt diese Zusage Jesu auf und sagt - im Einklang mit jüdischen Glaubensvorstellungen ihrer Zeit: „Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird - bei der Auferstehung am Jüngsten Tage.“ Das bedeutet: nicht sofort, nicht gleich, sondern irgendwann einmal. Der Satz ist so gesagt, als sei sie mit dieser Vorstellung nicht zufrieden, als gebe ihr diese Vorstellung keinen rechten Trost. Sie sucht nach etwas, was ihr Halt und Kraft in ihrer Trauer gibt.
Und an dieser Stelle sagt Jesus den Satz: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“
Mit diesen Worten konzentriert er alles auf seine Person und den Glauben an ihn. Auferstehung und Leben, das über den Tod hinausreicht, werden nicht auf den Jüngsten Tag „vertagt“. Auferstehung und Leben begegnen in ihm und werden im Glauben an ihn erfahrbar.
Was heißt das? Wer an ihn glaubt, dem ist gesagt: Auch wenn du einmal stirbst, ist dein Leben nicht zuende. Und mehr noch: Dieser Glaube ist für dich Leben - jetzt, hier und heute! Dieser Glaube ist für dich Leben, weil der Tod seinen Schrecken und seine Macht verloren hat! Noch einmal die Frage: Glaubst du das?
Marta antwortet mit einem Bekenntnis: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.“
Und dieses Bekenntnis bedeutet: „Ja, du bist es, in dem wir spüren, dass Gott uns nah ist. Du bist der, in dem Zeit und Ewigkeit eins sind. Im Glauben an dich sind Lebende und Tote miteinander verbunden. Was für unsere Wahrnehmung auseinanderfällt - in dir gehört es zusammen!“
Die Auferweckung des Lazarus, die dem Bekenntnis der Marta folgt, wird zum Zeichen dafür, wie Jesus die Fesseln des Todes sprengt. Glauben wir das? Können wir glauben, dass uns mit unseren Toten mehr verbindet als nur die Erinnerung?
Über Todesanzeigen steht oft folgender Satz: „Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, der ist nur fern, tot ist nur, wer vergessen wird.“ Ein schwacher Trost, der aus diesen Worten spricht, denn dann wäre alles, was wir dem Tod entgegenzusetzen hätten, die eigene Erinnerungskraft. Diese findet spätestens mit unserem eigenen Tod ihr Ende. Und wäre die Erinnerung der anderen ein Trost für uns selbst?
Wenn jemand - wie eingangs erzählt - wünscht, dass auf seinem Sarg eine Bibel liegt, die bei Johannes 11 aufgeschlagen ist, dann besagt dies gewiss mehr. Es drückt die Hoffnung aus, die auch folgenden Liedvers prägt:
„Warum sollt ich mich denn grämen?
Hab ich doch Christus noch,
wer will mir den nehmen?
Wer will mir den Himmel rauben,
den mir schon Gottes Sohn
beigelegt im Glauben?“
(EG 370,1)
Amen.

Verfasser: Pfarrer Volker Jung (1997)

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