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Der Vorläufer des Herrn

von

Predigtdatum : 12.12.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 3. Advent
Textstelle : Lukas 3,1-14
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Wochenspruch:

Bereitet dem HERRN den Weg; denn siehe, der HERR kommt gewaltig. (Jesaja 40,3.10)
Psalm: 85,2-8

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 40,1-8 (9-11)
Epistel:
1. Korinther 4,1-5
Evangelium:
Matthäus 11,2-6 (7-10)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 1
Macht hoch die Tür
Wochenlied:
EG 10 oder
EG 15
Mit „Ernst, o Menschenkinder
„Tröstet, tröstet“, spricht der Herr
Predigtlied:
EG 11,4-6
Mit Ernst, o Menschenkinder
Schlusslied:
EG 7,1-7
O Heiland, reiß die Himmel auf

1 Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war und Herodes Landesfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus Landesfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias Landesfürst von Abilene, 2 als Hannas und Kaiphas Hohepriester waren, da geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der Wüste. 3 Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden, 4 wie geschrieben steht im Buch der Reden des Propheten Jesaja (Jesaja 40,3-5): »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben! 5 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden. 6 Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.«
7 Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? 8 Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. 9 Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
10 Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir denn tun? 11 Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso. 12 Es kamen auch die Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun? 13 Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! 14 Da fragten ihn auch die Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!

Vorbemerkungen
In dem Predigttext sind vier große Themen auszumachen.
1. Verse 1-2: Gott handelt in geschichtlich konkreten Zeitabläufen. Der Evangelist Lukas stellt Gottes Handeln in der Menschheitsgeschichte deutlich dar. Die politische Konstellation wird beschrieben, ausgehend von der weltpolitischen Großmachtlage, laufend über die Verhältnisse im jüdischen Provinzland bis hin zu den Gemeindeverhältnissen in Jerusalem. Hier geschieht das Wort Gottes an Johannes.
2. Verse 3-6: Besinnung auf die alttestamentliche Verheißung (Jesaja 40). Die Zeit ist erfüllt und nun verwirklicht Gott seine Zusage, die von den Propheten lebendig erhalten wurde. Johannes selber steht in der prophetischen Tradition.
3. Verse 7-9: Die Predigt des Täufers. Man kann eine Schelt- (Verse 7+8) und eine Drohrede (Vers 9) erkennen. Er fordert die Umkehr zu Gott und verbindet diese mit konkreten Auswirkungen. Die Früchte der Umkehr machen zu Kindern Gottes. Die Herkunft ist nicht entscheidend. Der Täufer macht deutlich, dass Gott sich seine Kinder erwählt. Damit relativiert er die Heilsgewissheit der Gemeinde. Die hat eine lange Tradition. Sie ist Bestand sicherndes Element des Glaubens an Gott. (Gott erwählt Israel. So haben es Abraham, Isaak und Jakob erlebt. Mit Mose wird der Bund endgültig geschlossen.)
4. Verse 10-14: Gespräch zwischen Johannes und den Zuhörern. Die Zuhörer ziehen aus dem Erlebten Konsequenzen. Sie sind bereit, sich einer entscheidenden Veränderung auszusetzen. Die Frage: „Was sollen wir tun“ ? steht am Anfang der Umkehr.
Die Predigt will deutlich machen: Weil Gott in unserer Welt handelt, darum hat es Sinn, dass wir lernen, nach seinem Willen zu leben.
Gott wirkt Heil. Jesus wird heilen. Er wird angesagt. Vertraue ihm und setze dich ihm aus.

Liebe Gemeinde,
eines vorweg: Johannes, der den Beinamen „der Täufer“ trägt, ist eine große Lichtgestalt der Heiligen Schrift. Und es wäre kein Zufall, wenn so manchem jetzt der Isenheimer Altar des Malers Matthias Grünewald vor Augen steht, da von Johannes dem Täufer zu hören ist. Gekleidet in das rote Gewand des Märtyrers, zeigt er mit überlangem Finger auf Jesus am Kreuz. „Er ist es, seinetwegen rede ich“ erzählt das Gemälde. Wunderbar hat der Künstler wesentliche Züge des Täufers und seiner Beziehung zu Jesus Christus eingefangen.
Wenn in diesen Wochen Advent gefeiert wird und die christlichen Gemeinden sich auf Weihnachten vorbereiten, dann benötigen sie diesen Fingerzeig. Es soll ja klar sein: „Er ist es, den wir erwarten. Er macht unser Leben heil.“ Das geschieht in Zeit und Raum. Wir befinden uns nicht im Vakuum. Und Glaube ist keine Frage der Spekulation. Darum erwähnt der Evangelist Lukas die großen politisch wichtigen Köpfe seiner Zeit. Er verbindet sie mit seinem Anliegen, von Johannes zu erzählen.
Los geht es in Rom: „Im fünfzehnten Jahre der Regierung des Kaisers Tiberius“ – dann werden wir in die römische Provinz Palästina geführt, „als Pontius Pilatus Landpfleger von Judäa war“ – haben Einblick in die jüdischen Herrschaftshäuser „und Herodes Vierfürst von Galiläa, und sein Bruder Philippus Vierfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis, und Lysanias Vierfürst von Abilene,“ - um endlich in der Gemeinde von Jerusalem zu landen “unter dem Hohenpriestertum von Hannas und Kaiphas“.
Da geschieht es. Aber nicht in Rom, auch nicht im Dunstfeld des Statthalters oder im Palast des Herodes. Nicht bei einem seiner Verwandten. Es passiert auch nicht im Tempel, wo man sich Gott so nahe weiß. Nein, das Wort Gottes zu Johannes geschieht in der Wüste.
Abseits von allem, was den Menschen etwas bedeutet, wird Johannes von dem Herrn angeredet. Weltgeschichte geschieht in der kargen Ödnis einer Wüstenlandschaft. Hier macht Gott seine Geschichte und nimmt Johannes in den Dienst.
Advent bedeutet, die Zeit ist erfüllt. Menschen erkennen das und drängen zum Täufer. Was sie bewegt ? Darüber kann man ruhig spekulieren. Es liegt auf der Hand. Menschen werden bewegt, weil sie sich nach Leben sehnen. Erfülltes Leben, Liebe, Geborgenheit, wo dies vermutet wird, dahin macht man sich auf. Denn die Leben störenden Kräfte wirken auch. Sie verunsichern und machen krank. Sie geben einem das Gefühl von Gleichgültigkeit. Und ihre Kräfte entfalten sich dort, wo man sich der absoluten Gleichgültigkeit auch noch gewiss ist. „Wenn es einen Gott gibt, dann ist ihm wohl alles egal.“
Der amerikanische Schriftsteller Philip Roth nimmt in seinem Roman „Der menschliche Makel“ 1 den Gedanken auf. Hier wird uns erzählt, wie das Leben eines Menschen aus der Bahn gerät. Und zwar entscheidend. Die Hauptperson trägt den Namen Coleman (kolmän gesprochen). Coleman erlebt, wie Menschen völlig willkürlich in sein Leben eingreifen. Dabei macht er die Erfahrung, dass er diesen Übergriffen total ausgeliefert ist. Er kann darin keinen Sinn erkennen. Vielmehr bündelt sich ihm alles in der Erfahrung: Wenn Menschen miteinander zu tun haben, dann hinterlassen sie an dem anderen einen Makel. Er besteht aus den Abdrücken des Zornes, des Hasses oder der Verachtung. Er entsteht, weil wir uns gegenseitig immer und immer Grausames antun.
Roth lässt die Lebensgefährtin von Coleman dieses in folgender Situation erkennen: Faunia, so heißt sie, besucht ein Tierheim. Hier ist sie oft und gerne. Irgendetwas verbindet sie mit diesen ausgesetzten, vergessenen, geschundenen und gedemütigten Kreaturen. Hier lebt eine Krähe. Sie wurde aufgefunden von Kindern als sie noch klein war. Inzwischen ist sie ganz zahm geworden. Prinz wird sie genannt. Faunia lockt Prinz aus dem Käfig und will, dass sie sich auf ihre Schulter setzt. Doch das Tier traut sich nicht heraus.
Es entsteht ein Gespräch mit der Angestellten des Heimes. Die erzählt, wie Prinz in der letzten Woche aus dem Käfig in den großen Baum in der Nähe geflogen sei. „Nach ein paar Minuten waren drei oder vier andere Krähen da. Sie haben ihn gepiesackt, angegriffen und gerempelt. Sie waren innerhalb von Minuten da. Er hat nicht die richtige Stimme. Er kann die Krähensprache nicht. Die da draußen mögen ihn nicht. Schließlich kam er runter zu mir. Sie hätten ihn wahrscheinlich umgebracht.“ Und Faunia antwortet: „Das kommt davon, wenn man handzahm geworden ist. Das kommt davon, wenn man die ganze Zeit mit Leuten wie uns verbringt. Das ist der menschliche Makel.“ Leben störende Kraft breitet sich aus und Dunkelheit greift um sich.
Dass Leben ganz anders ist, kann erfahren, wem Gott in seiner grenzenlosen Liebe begegnet. Und darum wird alle Zeit gepredigt. Darum lesen wir die Bibel. Denn es wird hier klar: Gott legt uns sein Heil vor. „Alles Fleisch wird das Heil Gottes sehen.“ Weil Johannes diesen Satz sagt, deshalb verstehen die Leute ihn. Darum können sie die wirklich nicht netten Dinge hören, die ihnen da an den Kopf geworfen werden.
Johannes der Täufer, der Prophet, Rufer und Mahner, wird seine Arbeit ordentlich verrichten. Dazu gehört, mit der Wahrheit nicht zu geizen. „Ihr Otterngezücht, denkt ihr, ihr könnt dem Zorn Gottes entgehen?“ Gericht ist angesagt. Der Prophet erinnert daran. Das ist ein ungemütlicher Gedanke. Gott hat doch dein Leben vor sich. Was du selber von dir nicht weißt, er hat es schon begriffen. Er weiß, wer du bist. Selbst deine verborgenen Gedanken sind ihm vertraut. Wenn man sich des lieben Gottes so sicher ist, dass man ihn bereits in das eigene Leben eingebaut hat, dann geht vielleicht etwas schief. Dann stimmt die Beziehung nicht mehr. Oder wenn man ihn aus dem Leben herausmontiert. Auch dann entsteht eine kritische Schieflage. Der Sturz droht. „Sagt nicht bei euch selbst: Wir haben Abraham zum Vater; denn ich sage euch, dass Gott dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken vermag.“ Desinteresse und Selbstsicherheit hinterfragt er. Gibt es also keine Gewissheit? Sind wir mit diesem Satz nicht wieder bei Coleman und seinem Unglauben? Bedeutet das doch, es gibt keine verlässlichen Grundfesten im Leben? Jedenfalls nicht, wenn man versucht, sie selber zu schaffen. Denn der Grundnenner des Lebens ist Gott selber. Setzte dich ihm aus und lebe nach seinem Willen.
Das erkennen die Zuhörer. Sie drängen zum Täufer. Wollen zur Taufe. Denn hier hören sie wieder: „Du bist mein liebes Kind, du gehörst zu mir. Ich rufe dich bei deinem Namen.“ Und ihr Drängen geht durch ihre eigenen Sinne. Es erfasst alle Fasern ihres Lebens. Sie fragen: „Was sollen wir tun?“ Johannes antwortet. Er redet einfach und klar. Vieles wird auch Jesus sagen. Teilt miteinander. Nehmt euch nicht gegenseitig aus und lasst einander in Frieden leben. Richtet euch nach Gott aus. Sucht und findet ihn. Er ist ja hier. Die Verheißung des Jesaja erfüllt sich. JETZT!
Dabei ist der Täufer nicht mit den schrill rufenden Sittenwächtern aller Zeiten zu vergleichen. Die wollen Angst machen. Die wollen der Würde des Menschen ein Ende bereiten und ihre eigenen zwangerfüllten Vorstellungen vom Leben verwirklicht wissen. Wer ihnen folgt, wird in die Zwänge gebannt, denen sich Coleman ausgeliefert sieht. Nein, Gottes Heil hat ein anderes Gesicht. Es trägt den Namen Jesus. „Was sollen wir tun?“ - Die Frage dahinter:
„Wie soll ich dich empfangen?“
und wie begegn ich dir, /
o aller Welt Verlangen, /
o meiner Seelen Zier?
O Jesu, Jesu, setze /
mir selbst die Fackel bei, /
damit, was dich ergötze,
mir kund und wissend sei.
So geschieht sein Advent in unserer Zeit. Es ist wie zu allen Zeiten. Wieder wird in den Zentren der Macht gehandelt. Große Namen verbinden sich mit den Ereignissen der Zeit. Aber da geht der Ruf Gottes in aller Abgeschiedenheit. Er erreicht dich: Bereite dem Herrn den Weg. Damit alle Welt das Heil sehen kann, das Gott schenkt in seinem lieben Sohn Jesus, der unser Heiland ist. Amen.

Verfasser: Pfr. Stephan Buchenau, Nicolaistraße 2, 07545 Gera

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