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Der Vorläufer des Herrn

von Norbert Hott (35510 Butzbach)

Predigtdatum : 12.12.1999
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 3. Advent
Textstelle : Römer 15,4-13
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Wochenspruch:

Bereitet dem HERRN den Weg; denn siehe, der HERR kommt gewaltig. (Jes. 40,3.10)

Psalm: 85,2-8

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 40,1-8 (9-11)
Epistel:
1. Korinther 4,1-5
Evangelium:
Matthäus 11,2-6 (7-10)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 1,1-4
Macht hoch die Tür
Wochenlied:
EG 10
Mit Ernst, o Menschenkinder
Predigtlied:
EG 11,1+4
Wie soll ich dich empfangen
Schlußlied:
EG 1,5
Komm, o mein Heiland

Hinführung
Thema: Juden und Christen loben gemeinsam Gott. Die Adventszeit ist für viele Zeitgenossen nicht mehr Fastenzeit und Zeit der Besinnung, sondern eine hektische Zeit, in der das Weihnachtsfest vorbereitet wird und Geschenke für Weihnachten eingekauft werden.
Die meisten Gottesdienstbesucher/innen gehören jedoch eher zu denen, die sich bewußt auf das Christfest als Fest der Geburt Jesu vorbereiten. Für sie ist der Gottesdienst eine gute Gelegenheit der Vorbereitung auf das Kommen Jesu.
Der Predigttext für den 3. Advent dieses Jahres wendet sich an eine christliche Gemeinde und ruft sie auf zu mehr Gemeinschaft und Hoffnung und zum Lob Gottes.
Der bei Jesaja verheißene Sproß aus der Wurzel Isais, des Vaters von David, wird zum Hoffnungsträger aller Menschen. Jesus unser Hoffnungsträger ist also fest im Judentum verankert. In der Bibel wird die Herkunft Jesu an verschiedenen Stellen in Form von Genealogien so beschrieben. Für Christinnen und Christen ist es darum wichtig, die jüdischen Wurzeln ihres Glaubens nicht zu vergessen. Ich beginne die Predigt aus diesem Grund mit einer Einleitung zur Frage der jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens.

Liebe Gemeinde,
Die Wurzeln des christlichen Glaubens im Judentum
Im April des Jahres 1993 hat die Synode unserer Kirche eine Revision des Grundartikels der EKHN beschlossen. Auf diesen Grundartikel werden z. B. die jungen PfarrerInnen ordiniert. Seitdem steht im Grundartikel unserer Kirche der Satz von der bleibenden Erwählung der Juden. Natürlich kam mit Jesus - theologisch gesprochen - so etwas wie eine Zeitenwende. Jesus selbst aber war von Geburt Jude und lebte in der Tradition seines Volkes und seiner Väter und Mütter. Entsprechend liegen auch die Wurzeln der christlichen Kirche, des christlichen Glaubens im Judentum. Das zu verleugnen wäre Geschichtsfälschung.
Schon in der frühen Geschichte des christlichen Glaubens gab es Auseinandersetzungen zwischen Judenchristen und Heidenchristen  also zwischen Christen, die vorher Juden oder Heiden gewesen waren. Nun könnten wir ja zunächst meinen, diese Auseinandersetzungen gingen uns nichts an, da sie so lange zurückliegen. Aber das Verhältnis der Christen zu den Juden hat in der Geschichte durchgehend eine wichtige und z. T. auch tragische Rolle gespielt. Die Diskussionen in der Kirchensynode und in den Gemeinden Anfang der neunziger Jahre über den veränderten Grundartikel der EKHN lassen erkennen, daß bis in unsere Zeit die Meinungen in dieser Frage auch innerhalb der Kirche auseinandergehen.
Lassen Sie uns auf diesem Hintergrund auf das hören, was Paulus zu dem Streit zwischen Judenchristen und Heidenchristen in Röm. 15,413 sagt:
4 Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben.
5 Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, daß ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß, 6 damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. 7 Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob. 8 Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Juden geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind; 9 die Heiden aber sollen Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht (Psalm 18,50): »Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.« 10 Und wiederum heißt es (5. Mose 32,43): »Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!« 11 Und wiederum (Psalm 117,1): »Lobet den Herrn, alle Heiden, und preist ihn, alle Völker!« 12 Und wiederum spricht Jesaja (Jesaja 11,10): »Es wird kommen der Sproß aus der Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen.«
13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, daß ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des heiligen Geistes.
In diesem Abschnitt am Ende des Römerbriefes ruft Paulus die Gemeinde in Rom zu mehr Gemeinschaft auf. Diesen Aufruf nach mehr Gemeinschaft in der Kirche haben wir auch heute ganz sicher nötig. Auch heute gibt es unterschiedliche christliche Gruppen, die sich gegenseitig kritisieren und verurteilen. Manche halten sich für bessere Christinnen und Christen, andere sogar für die einzigen Christen. Ich meine dabei nicht nur die Unterschiede zwischen den großen Kirchen oder auch zwischen Kirchen und Freikirchen. Dies ist freilich auch ein Indiz dafür, wie wenig Gemeinschaft die Christenheit auf Erden eint. Viel schlimmer noch ist aber die Tatsache, daß es auch innerhalb der einzelnen Gemeinden Auseinandersetzungen und Streit, ja manchmal sogar Risse gibt, die nur schwer wieder zu kitten sind.
“Christsein kann man nur, wenn man sich einer ganz bestimmten Lebensart anpaßt”, sagen die einen. “Ein Christ / eine Christin darf nur dies oder jenes tun und muß anderes unbedingt lassen.” Mit solchen gesetzlichen Vorschriften werden andere abqualifiziert, die ihren Glauben vielleicht genauso ernst nehmen.
Ja, auch innerhalb der christlichen Gemeinden werden Pauschalurteile gefällt nach dem Motto: “So ist die Jugend von heute”  oder: “mit der Familie ist nichts los.” Daß wir so nicht reden und denken sollen, sagt Paulus unmittelbar vor dem heutigen Predigttext: “Jeder von uns lebe so, daß er seinem Nächsten gefalle zum Guten und zur Erbauung.” (Vers 2)
Wenn wir immer wieder Auseinandersetzungen und Verletzungen innerhalb unserer Gemeinden erleben, wollen wir um so interessierter danach fragen, wie es zu echter Gemeinschaft kommen kann. Paulus gibt in Röm. 15 dazu vier Hinweise:
1. Die biblische Botschaft ist die Grundlage der Gemeinschaft
“Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben...”, so haben wir gelesen (Röm. 15, 3). Christinnen und Christen leben davon, daß sie sich mit der Bibel beschäftigen. Die Bibel ist nach wie vor ein Bestseller unter den Büchern. Sie hat die höchste Auflage aller Bücher und ist weltweit in die meisten Sprachen übersetzt. Aber für das Leben muß sie immer wieder neu in die Mitte gerückt werden, sowohl für das Leben in der Gemeinde als auch für unser persönliches Leben. Das Nachdenken über die Bibel und das Gespräch über die Bibel muß wieder Vorrang haben.
Auch Menschen, die sehr unterschiedlich denken und leben, können sich über der Bibel zusammensetzen. Nur so können wir neue Anstöße zum Glauben bekommen. Durch das gemeinsame Lesen in der Bibel wird eine tiefe Gemeinschaft begründet, die auch Meinungsverschiedenheiten überdauern kann. Das gemeinsame Hören auf Gottes Wort führt zusammen, auch wenn Trennendes da ist. Von der Urgemeinde ist uns der Satz überliefert: “Sie blieben aber beständig in der Apostel Lehre ...” (Apg. 2, 42)
2. Das Bekenntnis zu Jesus Christus verbindet Christenmenschen untereinander
Den streitenden Gruppen in Rom stellt Paulus Jesus Christus als Vorbild hin. Christus hat euch alle angenommen. Er ist der Diener der Menschen geworden. Den einen ist er der, der die alten Verheißungen erfüllt, den anderen ist er der Beweis für Gottes große Barmherzigkeit. Ganz gleich aber von welcher Seite wir es sehen: Christus hat uns zu Gottes Kindern gemacht. Wir gehören zu ihm.
Was ist das für eine Botschaft! Wir alle sind mit Christus verbunden. Nicht durch unsere Leistung und Frömmigkeit, sondern durch Christi Liebe und Barmherzigkeit. Je intensiver wir auf Jesus Christus schauen und vertrauen, um so näher rücken wir ihm. Je näher wir aber bei Christus sind, um so näher kommen wir einander. Menschen, die sich um einen Mittelpunkt versammeln und drängen, kommen in Tuchfühlung miteinander. Der gemeinsame Blick auf Jesus Christus läßt Unterschiede vergessen und das Gemeinsame entdecken.
3. Die Bibel und das Bekenntnis zu Christus verbinden zu gemeinsamer Hoffnung
Martin Luther hat in seiner berühmten Römerbrief-Vorlesung zum heutigen Predigttext gesagt: “Wer sich auf den wahrhaftigen Gott verläßt, der läßt alle Dinge fahren und lebt allein durch Hoffnung.” Paulus ist so sehr voller Hoffnung, daß er auch von Gott so spricht: “Der Gott der Hoffnung”. Darum gilt: Christenmenschen sind Hoffnungsmenschen. Sie wissen sich für Gottes Ewigkeit bestimmt.
Gottes Verheißungen sind noch nicht erfüllt durch das Kommen Jesu in diese Welt. Seine Verheißungen reichen noch weiter. Und da können Juden und Christen in gleicher Weise Hoffnungsmenschen sein, die auf das Kommen des Messias warten. Aus solcher Hoffnung heraus kann unser Leben gelingen.
Wo aber diese Hoffnung fehlt, wird vieles fragwürdig. Wer nicht nach vorne schaut, stolpert über jeden Stein. Und so, wie das ganz banal im täglichen Leben geschieht, gilt das auch für unser Leben insgesamt. Wer nicht voller Erwartung ist, regt sich über jede Kleinigkeit auf. Was uns alle verbinden kann, ist die gemeinsame Hoffnung auf den kommenden Christus, der endgültig sein Reich aufrichten wird, wie wir ihn im Vaterunser bitten: Dein Reich komme.
4. Bibel, Bekenntnis und Hoffnung führen zum gemeinsamen Lob Gottes
Das Schönste, was Paulus der Gemeinde in Rom schreibt, ist dies: Was euch verbindet, ist das gemeinsame Lob Gottes. Das ist sein Wunsch und sein Gebet für die Gemeinde in Rom: “damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.” (Röm. 15,6)
Das Lob Gottes bringt die Gemeinde zusammen, bringt die Menschen zusammen. Paulus sagt das in immer neuen Anläufen: “Darum nehmt einander an, wie Christus uns angenommen hat zu Gottes Lob.” (Röm. 15,7)
Oder er zitiert das AT: “Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinen Namen singen.” (Röm. 15,9 ) Und: “Lobt den Herrn, alle Heiden, und preist ihn, alle Völker!” (Röm. 15,11)
Wo Menschen miteinander Gott loben, werden sie zu einer Gemeinschaft finden, die Freude macht. Für Menschen, die Gott loben, wird Gott groß und sie sehen sich untereinander anders. Ihre Maßstäbe werden zurechtgerückt. Fast könnten wir sagen: Wenn wir dabei sind, Streit zu beginnen, sollten wir am besten erst einmal Gott loben. Dann bekommt alles einen anderen Klang.
Ganz besonders in der Adventszeit und an Weihnachten wird es deutlich, daß die christliche Gemeinde eine lobende, dankende und singende Gemeinde ist. Genauso gilt: Je mehr wir über Jesus Christus nachdenken, um so größer wird unsere Freude, um so lauter wird unser Lob Gottes. Das aber stärkt die Gemeinschaft untereinander.
Wenn wir dann und wann über Verschiedenheiten und Unterschiede in unseren Gemeinden streiten, tun wir gut daran, zuerst zu fragen, was uns verbindet. Wo sind die gemeinsamen Grundlagen?
Was uns verbindet ist das, was Jesus Christus für uns tat: Seine Menschwerdung und sein Tod am Kreuz. “Das Wort ward Fleisch”, so heißt es im Johannesevangelium (Joh. 1,14). Paulus sagt im Philipper-Hymnus, einem alten christlichen Lied über Jesus: “Er erniedrigte sich selbst.” (Phil. 2,8)
Die christliche Gemeinde ist aufgefordert, in der Nachfolge dieses Christus zu leben: “Nehmt einander an, wie euch Christus angenommen hat zu Gottes Lob” (Röm. 15,7), sagt Paulus.
Wie anders können wir wirklich Advent und Weihnachten feiern als so, daß wir einander annehmen und gemeinsam zum Lob Gottes finden. Das ist die angemessene Haltung, Christus zu erwarten und zu empfangen. So lassen Sie uns gemeinsam singen:: Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir ... (EG 11,1+4) Amen.

Verfasser: Pfr. Norbert Hott, Pohlgönser Str. 17, 35510 Butzbach

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