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Die Adventsfreude

von Florian Bortfeldt (Idafehn)

Predigtdatum : 30.11.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Advent
Textstelle : Matthäus 21,1-9
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Predigt am 30.November 2008 (1.Advent)
Predigttext: Matthäus 21, 1-11

Liebe Gemeinde,

vielleicht geht es ihnen heute wie mir: Ich habe mich sehr auf diesen 1.Advent gefreut. Auf diesen Gottesdienst mit dem brennenden Adventskranz, auf die Lieder und den Posaunenchor, und natürlich auf die schöne Zeit, die nun beginnt. Allerdings muß ich zugeben, daß mir auch in diesem Jahr die Vorfreude auf Advent nicht leicht gefallen ist. Das hing nun aber nicht mit den letzten Wochen des Kirchenjahres zusammen, die sich ja traditionell mit schweren Themen beschäftigen. Im Gegenteil, Volkstrauertag, Bußtag und Totensonntag haben meine Freude auf die Adventszeit nur noch steigen lassen. Denn diese Reihenfolge ist ja nur ein Symbol dessen, was wir als Christen glauben: Dass nach Sterben und Tod etwas Neues beginnt, und dass Jesus Christus wiederkommt, um den Sieg des Lebens endgültig aufzurichten.
Nein, der Grund, warum einem heute die Vorfreude auf die Adventszeit so schwer gemacht wird, liegt in unserer Konsumgesellschaft. Seit Ende August gibt es Weihnachtsplätzchen, seit Ende September Adventskalender und Schoko-Weihnachtsmänner. Wie soll man sich aber auf etwas freuen, was es fast immer und überall gibt? Ist es nicht gerade das Seltene und Besondere, auf das wir uns besonders freuen? Die unselige neue Tradition, Advents- und Weihnachtsartikel bereits im Spätsommer feilzubieten, ist aber nur ein Grund, der mir die Vorfreude vermiest.
Eine viel gewichtigere und schlimmere Tendenz unserer Tage ist die Tatsache, daß die Adventszeit auf Kosten des Heiligen Abends immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird. Und mit Heiligem Abend meine ich hier nicht die Geburt Jesu, sondern das Fest der Bescherung, das ja von Christen wie Nichtchristen gleichermaßen gefeiert wird. Aus der Adventszeit ist heute die sogenannte Vorweihnachtszeit geworden. Und das hat einen einfachen Grund, liebe Gemeinde: Die eigentliche Adventszeit ist geschäftsschädigend. Denn sie war früher vor allem eine Bußzeit, also eine Zeit der inneren Umkehr, der Nachdenklichkeit, ja sogar eine Fastenzeit. Kaufrausch, Schlemmen und Adventszeit - früher eine unmögliche Vorstellung. Daß die Adventszeit einmal eine Zeit der Buße war, kann man heute nur noch erahnen. Und dennoch: So manche Tradition davon hat sich bis heute bewahrt, nur, daß die Menschen die Zusammenhänge nicht mehr kennen. Z.B. der Adventskalender: Ursprünglich war er nicht mit Schokolade, sondern mit Bibelversen für jeden Tag bestückt, die zu Glauben und Umkehr riefen. Aber auch die Tatsache, dass wir in allen Kirchen in der Adventszeit violette Behänge haben, ist ein Indiz für die Adventszeit als Bußzeit. Violett, daß ist die Farbe der Buße, die wir ja sonst in der Passions- oder Fastenzeit zu sehen bekommen.
Nun könnte jemand von Ihnen einwerfen, liebe Gemeinde: "Also lieber Herr Bortfeldt, die Alternative, die sie hier aufzeigen, die schmeckt mir nicht. Zurecht kritisieren sie den Weihnachtsrummel. Aber warum dann gleich zum Weihnachtsmuffel werden? Ich freu mich auf Weihnachten!" Wer so denkt hat recht - und mich dennoch falsch verstanden. Denn auch ich freue mich auf Weihnachten und zur Adventszeit gehört natürlich auch die Vorfreude auf das Fest. Mir geht es nur darum, die Fülle der Adventszeit aufzuzeigen und sie uns wieder schmackhaft zu machen. Allein Geschenke besorgen, Adventskranz, Kerzenlicht und Lebkuchen machen es nicht. Auf den Inhalt und den Hintergrund kommt es an. Oder mit anderen Worten: Ohne echte Adventszeit kein echtes Weihnachtsfest. Wie ein Weihnachtsfest ohne Adventszeit aussieht, das kennen wir: Aus der Nazizeit, als die Advents- und Weihnachtszeit zur "Deutschen Weihnacht" umfunktioniert wurde. Aus der DDR, in der Engel "Jahresendflügelpuppen" hießen. Und aus unseren Tagen, wenn - wie z.B. in den USA aus Merry Christmas Merry X-Mas wird oder bei uns, wenn die Kinder den Weihnachtsmann viel besser kennen als den, ohne den es überhaupt kein Weihnachtsfest geben würde: Jesus Christus.
Deshalb sollen uns die Gottesdienste heute und an den kommenden drei Sonntagen wieder helfen, das Geheimnis des Advent zu entdecken, damit wir uns auch auf das wahre Geheimnis der Weihnacht freuen können.
Ich lese nun den Predigttext für diesen Sonntag, den wir aufgezeichnet finden bei Matthäus im 21.Kapitel. Es ist zugleich das Evangelium für diesen Sonntag:
Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus
2 und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir!
3 Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen.
4 Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9):
5 »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.«
6 Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte,
7 und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf.
8 Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg.
9 Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!
10 Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und fragte: Wer ist der?
11 Die Menge aber sprach: Das ist Jesus, der Prophet aus Nazareth in Galiläa.

Liebe Gemeinde, vielleicht wundern sie sich, daß dieses Bibelwort ein Adventstext ist. Jesu Einzug in Jerusalem, das ist doch Palmsonntag! Richtig aber auch passend zum 1.Advent. Denn Advent heißt Ankunft. Jesus der König, der Sohn Davids, er kommt in seiner Stadt an: Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn. Schon an diesem Text merken wir, liebe Gemeinde, daß die Adventszeit viel mehr ist als nur eine Vorbereitungszeit auf das Weihnachtsfest. Wir denken eben nicht nur an die Ankunft des Kindes im Stall von Bethlehem, wir denken auch an die Ankunft des Messias, des Auserwählten Gottes in der heiligen Stadt Jerusalem, der gekommen ist, um Gottes Verheißungen zu erfüllen. Und wir denken, z.B. am nächsten Sonntag, 2.Advent, an die noch ausstehende Wiederkunft Jesu, an seine Ankunft am Jüngsten Tage.
Advent, liebe Gemeinde, das ist kein romantisches, zuckersüßes Ereignis aus dem Katalog, sondern eine Bewegung. Es ist die Bewegung Gottes zu uns Menschen hin. Advent ist sogar das Ende jeglicher Religion - wenn man Religion als den Versuch des Menschen definiert, durch eine wie auch immer geartete Leistung zu Gott zu kommen oder sich den Himmel zu verdienen. Durch die Sünde des Menschen ist der Weg vom Menschen zu Gott wie vermauert, verbarrikadiert. Advent ist das Gegenteil, Gott macht sich auf den mühevollen Weg zu uns, eben als Kind in der Krippe, eben als wiederkommender Herr, eben - so wie im heutigen Predigttext - als sanftmütiger König, der auf einem Esel reitet.
Die kurze Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem entfaltet bereits die ganze Fülle des Wunders, das wir Advent nennen:
- Da ist ein König ist arm und reitet auf einem Esel - was für ein Bild! Der König der armen und einfachen Leute!
- Er ist sanftmütig. Kennen sie sanftmütige Menschen, liebe Gemeinde? Glückwunsch! Aber noch wichtiger: wir haben einen sanftmütigen Gott. Nicht zu verwechseln mit Schwächling. Sondern der sanft mit uns umgeht! Der unsere Schwächen und Ängste ernst nimmt!
- Die Menschen freuen sich, daß er kommt. Das ist Adventsfreude! Und deshalb wird Jesus ein königlicher Einzug bereitet. Wie einen Teppich breiten die Leute die ihre Kleider auf den Weg, daß er darüber einreite, andere streuen Zweige auf seinen Weg, die sie von den Bäumen brechen. Wenn wir in diesen Tagen unsere Häuser festlich schmücken, dann um ihn, den König zu empfangen.
- Und dann sangen die Menschen: Du Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer (Sach 9,9)
- Weiter wird berichtet: Die ganze Stadt erregte sich, als Jesus in Jerusalem einzog. Andere Übersetzung: Sie erbebte. Ich möchte das auf unser Leben übertragen: Wenn Jesus Christus in unser Leben einzieht, dann erbebt unser Herz. Weil wir unser Glück nicht fassen können, daß der uns gefunden hat, nach dem wir uns schon so lange gesehnt haben. Als Martin Luther erkannte, daß die Gerechtigkeit Gottes nicht in erster Linie die ist, die er hat, sondern die, die er uns schenkt, sagte er: "Nun öffneten sich mir die Pforten des Paradieses"

Liebe Gemeinde, diese Freude wünsche ich uns auch. Die Freude, daß wir einen Gott haben, der die Sorgen und Nöte eines jeden Menschen versteht. Die Freude, daß wir einen sanftmütigen Gott haben. Die Freude, daß der Sohn Gottes uns so sehr liebt, daß er in unser Herz einziehen will, um uns zu verändern und unser Leben mit Sinn und Hoffnung zu erfüllen. Die Freude, daß er uns gerecht spricht, obwohl wir doch immer wieder versagen, es an der nötigen Liebe und Gerechtigkeit fehlen lassen. Das, liebe Gemeinde, ist die Adventsfreude. Und wenn wir diese Freude mit Kerzen, Adventskranz und Lebkuchen ergänzen, dann wird sie noch schöner. Denn es gilt Gottes Freundlichkeit mit allen Sinnen zu erfahren: Sie zu spüren, zu sehen, zu hören, zu riechen und zu schmecken. Ich wünsche uns allen einen schönen und gesegneten 1.Advent!

Amen.

Verfasser: Pfarrer Florian Bortfeldt, Ev.-Luth.Kirchengemeinde Idafehn (Oldenburg). Internet: www.kirche-idafehn.de; Email: floal.bortfeldt@t-online.de