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Die ewige Stadt

von Eberhard Bürger (39619 Arendsee)

Predigtdatum : 25.11.2007
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Ewigkeitssonntag
Textstelle : Markus 13,31-37
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Wochenspruch:

Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen.
(Lukas 12,35)
Psalm: 126 (EG 750)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 65,17-19 (20-22) 23-25
Epistel:
Offenbarung 21,1-7
Evangelium:
Matthäus 25,1-13

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 149 oder EG 152
Es ist gewisslich an der Zeit
Wir warten dein, o Gottes Sohn
Wochenlied:
EG 147
Wachet auf, ruft uns die Stimme
Predigtlied:
EG 153
Der Himmel, der ist, ist nicht der Himmel, der kommt
Schlusslied:
EG 85,9+10
Wenn ich einmal soll scheiden

Jesus Christus spricht: 31 Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. 32 Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater. 33 Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. 34 Wie bei einem Menschen, der über Land zog und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht, einem jeden seine Arbeit, und gebot dem Türhüter, er solle wachen: 35 so wacht nun; denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen, 36 damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt. 37 Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!

Liebe Gemeinde,
Was bleibt, wenn ein Mensch stirbt? Nichts bleibt, wie es war, sagen einige. Sie spüren den radikalen Einschnitt des Todes, den kränkenden Abbruch des gemeinsamen Weges.
Nichts bleibt, wie es war. Es ist, als ob Himmel und Erde, Hören und Sehen vergehen.
Was bleibt, wenn ein Mensch stirbt? Einiges bleibt, sagen andere. Die Trauer zum Beispiel bleibt, befreiend oder behindernd. Erinnerungen bleiben, die dankbaren oder die vorwurfsvollen oder die anspornenden. Fragen und Einsichten bleiben – zu diesem Leben und zu unserem gemeinsamen Weg. Auch wenn wir das jetzt nicht mehr gemeinsam weiter entwickeln können, was da war, ich kann mich dem stellen und weiter wachsen. Da bleibt manchmal etwas, was ich als Reichtum unseres gemeinsamen Lebens entdecke, was mich begleitet und mir zum Leben hilft.
Was bleibt, wenn ich sterbe? Wenn für mich Himmel und Erde vergehen?
Vielleicht bleiben ja bei den Angehörigen Trauer und Erinnerungen und Fragen und Einsichten, mit denen sie weiter leben können? Doch was bleibt bei mir, wenn alles Leben erlischt? „Himmel und Erde vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.“ Worte bleiben.
Vielleicht haben Sie erfahren, was Worte am Sterbebett bewirken können: ein getröstetes Sterben. Vertraute Worte wie das Vaterunser, gemeinsam und laut gebetet, sie trösten und tragen weiter. Ein Ehepaar hat die alt gewordene Mutter mit Liedern im Sterben begleitet. Bei manchen Liedern hat die Mutter die Lippen mit bewegt, bei anderen die Augen geöffnet. Sie hat wahrgenommen, teilgenommen, sich geborgen und getragen erlebt. Was für ein Segen! Worte erreichen Sterbende noch lange, wohl viel länger, als wir oft vermuten. Denn das Sterben ist ein Übergang und kein eindeutiger Zeitpunkt.
„Meine Worte aber werden bleiben,“ sagt Jesus zu. Und Worte sind ja Brücken, Kontakt, Beziehung, das was jeder Mensch sein Leben lang braucht. Martin Buber hat es auf den Punkt gebracht: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Und die Theologin Dorothee Sölle beschreibt das heutige Missverständnis:
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, er stirbt sogar am Brot allein, einen allgegenwärtigen, schrecklichen Tod, den Tod am Brot allein, den Tod der Verstümmlung, den Tod des Erstickens, den Tod aller Beziehungen.
Wenn mit Kranken und Einsamen niemand spricht, nur das Essen hin stellt, dann sind sie wie zum Tode verurteilt. Das ist das Wichtigste: Das Wort während des Lebens miteinander!
Der Mensch lebt vom Wort, gesungen oder gesprochen, gedruckt oder gestaltet, vielleicht auch in Gesten gefasst. Worte sind das Bild für die Beziehung, die Sie und ich zum Leben brauchen – auch im Sterben. Deshalb hat das Wort Jesu Menschen im Sterben getröstet: „Himmel und Erde vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen.“ Deshalb hat der Komponist Heinrich Schütz dieses Wort Jesu vertont, mitten im dreißigjährigen Krieg. Seine Frau war jung gestorben, sein bester Freund, die Musiker waren in den Kriegswirren umgekommen oder verstreut. Nur mit 2 Sängern und ganz wenigen Instrumenten lässt er den Trost für sich selbst zu, bringt ihn zum Klingen, aus der dunklen Tiefe in ein zuversichtliches Gelöstsein. Und er gibt den Trost weiter an andere. Immer wieder hat dieses Wort Jesu Zuversicht geweckt in Enttäuschungen des Lebens.
Als der Evangelist Markus schrieb, da waren die Frauen und Männer in den Gemeinden enttäuscht, dass Gott die Geschichte nicht so beendet, wie sie das erwartet haben. Niemand weiß, was mit uns und unserem Leben geschieht. Niemand weiß, was mit unserer Welt noch geschehen wird. Doch selbst dort, wo Himmel und Erde vergehen, bleibt Gott uns treu: „Ich war da. Ich bin da. Ich werde da sein“ – bei euch. Das trägt und tröstet Menschen im Leben, auch im enttäuschten Leben, und im Sterben. Gott hält seine Treue durch alle Enttäuschungen und Trennungen aufrecht. Vielleicht sollten Sie dem Rat des Heinrich Schütz folgen und dieses Wort wie ein Stück Schwarzbrot immer wieder kauen, auf der Zunge zergehen lassen, mitnehmen in den Morgen und Mittag und Abend des Tages: „Himmel und Erde vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen.“ Selbst wenn mir Himmel und Erde vergehen, bleibt die Beziehung zu Gott tragfähig erhalten.
Liebe Gemeinde, jetzt haben Sie bestimmt den weiteren Teil des Predigttextes nicht mehr im Ohr. Nur an ein Wort entsinnen Sie sich vielleicht noch: „Wachet“. Auf so engem Raum kommt das Wort 4 mal vor: „Wachet.“ Das ist für den Alltag gedacht: Wie zu leben wäre. Bleibt wach, damit ihr die Bedürftigen in eurem Leben nicht überseht und an Christus vorbei geht, hat das Evangelium uns vorhin erinnert. „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ haben wir eingestimmt.
„Wachet“ – offenbar besteht eine große Gefahr zu schlafen. Einzuschlafen und am Leben vorbei zu schlafen. Wie bedrohlich, wenn jemand am Steuer seines Autos einschläft. Wie erschreckend, wenn jemand am Ende seines Lebens eingestehen muss: Ich habe mein Leben ganz oder teilweise verschlafen. Arbeit war sein Leben – er hat die anderen Seiten seines Lebens verschlafen. Stress war sein Leben, den hat er gebraucht und gepflegt, jetzt ist es zu spät. Traurigkeit war ihr Leben, sie hat sich nie etwas gegönnt, war nur für die anderen da. Das Ehepaar hat sich einander entfremdet, jede/r lebte nur noch in seiner Welt. Der Vorstand eines Konzerns sieht nur den Gewinn an Börse und aus der Produktion. Der Rest spielt keine Rolle: nicht die Betriebsangehörigen, nicht was die Leute wirklich brauchen, nicht was das für die begrenzten Rohstoffe bedeutet. Solche und andere Arten von Schlaf haben einen Zen-Meister (in der Tradition der Buddhisten ein Lehrer für Meditation) zu folgendem Wort veranlasst: „Wir wissen, dass unser letztendlicher Bestimmungsort der Friedhof ist. Warum beeilen wir uns, dorthin zu gelangen? Warum nicht in die Richtung des Lebens schreiten, das im gegenwärtigen Moment liegt?“ und auch Platz genug für andere hat.
Das Einschlafen ist eine Gefahr: Frauen aus Neu Guinea und Indien haben im vergangenen Jahr Gemeinden besucht. Am Ende fassen sie als Haupteindruck zusammen: „Wir haben den Eindruck, viele Gemeinden, viele Christen sind wie schlafend. Wir konnten mit ihnen über alles reden, nur nicht über Gott und Glauben. Sie lassen sich bedienen und schauen zu. Doch irgendwann, da werden sie erwachen, sich ihrer Begabungen bewusst werden, wieder kämpfen lernen für mehr Gerechtigkeit, und beim Feiern sich von Gott stärken lassen.“
„Wachet“, wacht auf, wacht und betet, wacht und seid nüchtern, - wie oft werden bereits zu biblischer Zeit einzelne Menschen und ganze Gemeinden darum gebeten, ermahnt, ermutigt. Nur, was heißt das denn konkret?
- Zum Beispiel:
Die Schwester einer Gemeinschaft feierte ihren 80. Geburtstag. Der Reporter der Regionalzeitung kam zu einem Interview mit ihr. Er fragte nach Stationen ihres langen Lebensweges. Seine letzte Frage: „Und was erwarten Sie nun noch von ihrem Leben, Schwester?“ Vielleicht dachte er an „Gesundheit, noch ein paar friedliche Jahre, keine lange Krankheit“. Aber diese alte Schwester lachte ihn mit ihren so lebendigen, klar sehenden Augen an und sagte schlicht: „den ganzen Himmel“. Für sie heißt Wachen, die Freude auf den ganzen Himmel heute schon wach zu halten.
- Zum Beispiel:
Jemand betet beim Älterwerden: Herr, lehre mich bedenken, dass mein Leben begrenzt ist, damit ich klug werde.“ Und über diesem täglichen Gebet lernt er oder sie den Tag achten und schätzen und für den Reichtum des Lebens danken.
- Zum Beispiel:
Jemand nimmt sich der alt gewordenen Angehörigen an und begleitet sie bis zum Schluss ihres Lebens. Manchmal scheint das über die eigenen Kräfte zu gehen, der Schlaf fehlt, und es findet sich jemand, die oder der bei der Pflege durch Wort und Tat die Angehörigen unterstützt, damit sie durchhalten können. Wachen meint hier vielleicht, unablässig weiter nach Unterstützung suchen.
- Zum Beispiel:
Ein Ehepaar beginnt nach vielen Krisen wieder, miteinander in Ruhe zu reden, zuzuhören und sich der/dem anderen mitzuteilen. Das ist manchmal so mühsam, doch „Die Wahrheit beginnt zu zweit“. Wachen meint hier wohl: den langen gemeinsamen Weg durchhalten, sich immer wieder aufwecken und weiter zu gehen.
- Zum Beispiel:
An verschiedenen Orten gibt es inzwischen Mahnwachen:
- In Gorleben, wo der radioaktive Atommüll nicht sicher gelagert ist, sonntags 14.00 Uhr am Gorleben – Kreuz im Wald.
- In Magdeburg ist an einer großen Straßenkreuzung eine Friedenstafel errichtet worden, die informiert, auf der man etwas hinterlassen kann und angeregt wird. Montags 17.00 Uhr findet dort eine Mahnwache statt, damit wir den einschläfernden Kriegsnachrichten entkommen.
- Donnerstags treffen sich in Frankfurt am Main vor einer der größten Banken Franziskanerinnen und Franziskaner zum Protest gegen eine Politik, die auf Kosten anderer lebt.
Vielleicht fallen Ihnen selbst Beispiele aus Ihrer Umgebung ein, wo Menschen wachen? Es gibt sie, wache Menschen. Nur, manchmal brauchen auch sie Unterstützung, damit sie durchhalten.
Die Zukunft unseres Lebens und unserer Welt sollen wir weder berechnen noch verschlafen. Jesu Worte sind dringlich – viermal sagt er: Wachet. Bleibt treu und verantwortlich, haltet die Zwiespältigkeit und die Widersprüche des Lebens aus, achtet auf die Zeichen der Zeit, haltet den weiten Horizont Gottes bei euch wach.
Eine uralte Lebensregel, im Kloster entstanden, heißt: „Betet und arbeitet“. Diese Lebensregel muss doch wirklich erweitert werden: „Betet, arbeitet und wacht“. Stellen Sie sich vor: Sie beten am Morgen das Vater unser und denken daran, dass heute etwas davon geschieht. Und am Mittag denken Sie an Ihre Arbeit, an Menschen aus Ihrem Bereich und beten für die. Und am Abend nehmen Sie sich noch mal 5 Minuten Zeit, um einen Krisenbereich unserer Welt in den Blick zu nehmen (aus Zeitung oder Fernsehen) und für die Menschen zu beten.
Ach, vielleicht sind Sie auch ein ganz anderer „Typ“, viel spontaner. Wenn Sie dran denken, beten Sie für diesen und jene. Dann ist das Ihre Art.
Diese Unterbrechung hält wach und schärft die Sinne. Das ist der Beginn einer „Spiritualität des Wachens“ – bei uns. Die brauchen wir neu. Nicht nur im Blick auf das eigene Lebensende.
Der Evangelist Markus fügt die beiden Worte zusammen:
Gott bleibt uns treu, was auch immer geschehen wird.
Und die Bitte an Sie: Zu wachen und zu beten, und das eigene Leben und das Leben mit anderen nicht zu verschlafen.

Verfasser: Pfarrer Dr. Eberhard Bürger, Am Markt 2, 39619 Arendsee
E-Mail: buerger.arendsee@gmx.de

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