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Die ewige Stadt

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 21.11.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Ewigkeitssonntag
Textstelle : Offenbarung 21,1-7
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Wochenspruch:

Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. (Lukas 12,35)

Psalm: 126 (EG 750)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 65,17-19 (20-22) 23-25
Epistel:
Offenbarung 21,1-7
Evangelium:
Matthäus 25,1-13

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 450
Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied:
EG 147
Wachet auf, ruft uns die Stimme
Predigtlied:
EG 560
Es kommt die Zeit
Schlusslied:
EG 533
Du kannst nicht tiefer fallen

1 Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.

Liebe Schwestern und Brüder!
„Ich habe den Vater gefragt, warum der Himmel so weit ist,
da hat er gelacht und gesagt: so fragt nur, wer nicht gescheit ist.
Ich habe die Mutter gefragt, warum sie so müde und matt ist,
da hat sie geweint und gesagt:
mein Kind, man ist froh, wenn man satt ist.
Darum: Schluck deine Sehnsucht hinunter,
wisch dir die Angst vom Gesicht,
frag nicht, warum alles ist, wie es ist:
die Erwachsenen wissen es nicht.“
Ist das nicht die Antwort, die viele, viel zu viele auch von uns schon gehört haben: keiner von uns weiß, wohin die Reise geht. Keiner von uns weiß, was es mit dem Weg durch das Leben auf sich hat. Wir alle sind unterwegs, der eine länger, der andere nicht ganz so lang. Und immer wieder werden neue Menschen auf die Reise gerufen und aus der Reise abgerufen. Aber es hat keinen Zweck, danach zu fragen, was das Ziel ist.
Aber, liebe Gemeinde, wie soll einer den Weg durch das Leben gehen ohne Ziel? Wir müssen um unseres Lebens willen Antwort finden, Antwort bekommen auf die Frage, was mit dem Tod ist. Ist mit dem Tod alles aus, ist der Tod das letzte Datum, dann hängt über uns allen die Sinnlosigkeit – und dann müssen wir wirklich die Sehnsucht hinunterschlucken. Und viele Menschen in unserer Zeit haben diese Antwort für sich gegeben: es gibt kein Ziel für meine Lebensreise als den Friedhof – und darum wird die Sehnsucht betäubt: von den einen mit Arbeit, von den anderen mit Vergnügungen der großartigsten und manchmal auch schäbigsten Art und von den dritten mit großen Parolen, an die man sich hängt.
Unser Predigtwort heute aber sagt: ihr habt keinen Grund, die Sehnsucht eures Lebens, die Sehnsucht nach dem vollen, ganzen, ungebrochenen Leben herunterzuschlucken – ihr könnt wissen, wohin die Reise der Welt und dieses Lebens geht.
Und was mit diesem Wort zu uns herüber klingt, das ist nach dem Selbstanspruch des Wortes nicht ausgedacht von einem phantasievollen Menschen, das ist auch nicht die verzweifelte Aussage: irgendwie muss es doch weitergehen – und warum sollte es nicht so sein können. Nein, mitten in diesem Wort heißt es: schreibe – das ist der Befehl Gottes an Johannes. Und dann steht da als Bekräftigung: diese Worte sind wahrhaftig und gewiss.
Gott selbst steht für diese Worte ein – Gott selbst will, dass wir mit unserer Sehnsucht festen Boden unter die Füße bekommen, dass wir nicht im Ungewissen bleiben. Es sind nicht gerade zahlreiche Stellen der Heiligen Schrift, in denen dies so gesagt wird – aber wo das steht, da wird besonders betont: Hinter diesen Worten steht Gottes Autorität – es ist Wort, dessen Zuverlässigkeit und Tragkraft an Gott selbst hängt.
1. Es geht einem neuen Himmel und einer neuen Erde entgegen
Das ist der Anfang dieser gott-geschenkten Schau: Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und diese neue Schöpfung trägt nicht mehr die Zeichen der Vergänglichkeit wie der alte Planet Erde. Diese neue Schöpfung ist nicht mehr von den Chaos-Mächten bedroht, die uns Angst machen.
Was für eine Botschaft ist das für uns: wir leiden ja unter dem bedrohten Leben. Wir leiden unter den Gefährdungen der Natur. Und jeder Tag liefert uns neue Stichworte der Angst und der Gefährdung: von Tschernobyl vor 20 Jahren über New York 2001, Erfurt 2002 bis zu den Umweltkatastrophen der letzten Jahre lässt sich eine Kette spannen. Und jedes Mal erfahren wir neu, dass die Technik, mit der wir die Mächte der Welt beherrschen wollen, uns davon läuft. Das ist das Leiden in dieser Welt, das wir nicht loswerden: all das Ringen um die Verbesserungen des Lebens bringt uns Folgen ein, die wir nicht überblickt haben und die uns neue Lasten und neue Ängste aufbürden.
Das gilt nicht nur für die große Technik, das gilt auch für unser kleines Leben: wie viele von uns haben erfahren, wie zwiespältig „lebenserhaltende Maßnahmen“ werden können, wie sie das Leiden verlängern und immer neue Lasten aufbürden, gegenüber denen der Tod manchmal wie eine barmherzige Bürde wirkt. Kein Wunder, dass da mancher fragt: drängt nicht alles dem Abgrund, dem Ende zu? „Welt ohne Notausgang“ ist nur ein Buchtitel, der diese Überzeugung kennzeichnet.
„Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde“ – das setzt die Vision der Offenbarung diesen Gedanken entgegen. Nein, es geht nicht in die Dunkelheit, in das ewige Nichts – Gott selbst führt eine neue Schöpfung herauf. Es ist nicht der Mensch, der die neue Schöpfung macht – hier wird eine schroffe, abweisende Grenze all unserer Möglichkeiten gezogen: unser Feld ist die begrenzte Welt – es ist Gott selbst. Und er bezieht alles in diese neue Schöpfung ein: Wolf und Schaf werden beieinander wohnen, der Löwe wird Stroh fressen, der Knabe am Loch der Natter spielen. Das ist die große Erwartung der ganzen Heiligen Schrift: die Erwartung einer Welt voller Erlösung, einer neuen Welt, in der Gott alles in allem ist.
Aus dieser Erwartung wird Hoffnung gespeist, Hoffnung auch für diese Welt: denn weil Gott den neuen Himmel und die neue Erde heraufführen wird, darum ist unsere Arbeit hier nicht vergeblich – sie zeichnet schon den Umriss des Neuen: denn Gottes Neuschöpfung bricht in unsere Welt hinein da, wo Menschen unter seine Vergebung kommen, unter seine Wegweisung kommen, unter seinem Willen leben. Worauf schauen wir an diesem Ewigkeitssonntag: in den Abgrund der Vergänglichkeit, oder auf die Verheißung, die Gott über uns aufrichtet?
2. Es geht dem neuen Jerusalem entgegen
„Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem wie eine geschmückte Braut.“ In diesen Worten wird das Bild der Gemeinde Gottes gezeichnet. Sie ist das neue Jerusalem, sie ist der Ort, an dem Gott Wohnung nimmt. Hier steht das gleiche Wort wie im Johannes-Evangelium: Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns. Seit Jesus leuchtet ein Stück, das Herzstück einer neuen Welt unter uns auf, der Wille Gottes, mit uns eine bleibende, unzerstörbare Gemeinschaft einzugehen. Und das hier von der Stadt und dann von der Braut die Rede ist, das ist der Hinweis darauf: Es geht um lebendige Beziehung, es geht um ein Miteinander, das nicht mehr von den Gefährdungen dieser Welt verdunkelt wird.
Die Erfahrung dieser Welt heißt doch: Wir arbeiten in einer Gemeinde mit und erfahren dabei große Freude. Es ist eine der guten Erfahrungen des Glaubens, miteinander beten und miteinander über das Leben als Christ sprechen zu dürfen. Und es ist eine zutiefst beglückende Erfahrung, einem anderen helfen zu dürfen, in seiner seelischen und in seiner körperlichen Not. Aber wir machen doch gleichzeitig auch die andere Erfahrung: dass wir an der Gemeinde leiden, dass uns manches stört, dass es uns manchmal schwer fällt, beieinander zu bleiben, dass uns schwer fällt zu ertragen, dass sich der Glaube so vielfältig ausdrückt. Wir sehen – im Bild gesprochen – oft die Runzeln und Falten im Gesicht der Gemeinde so überaus deutlich: die Zerrissenheit und Zerstrittenheit, die Halbherzigkeit und den müden Glauben.
Und nun hören wir in diese Erfahrung hinein: Gott schafft die neue Gemeinde – von Gott her kommt sie als eine geschmückte Braut. Es ist Gottes Werk, ausschließlich Gottes Werk; wir Menschen können das nicht. Gott aber nimmt die Kirche und schafft aus diesem alten, rissig gewordenen Gebäude den Ort, an dem wir ihm begegnen können. Er sagt über die neue Stadt dann das Wort, das seit Jesus schon bei der armen Gemeinde unterwegs steht: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen. So steht dieses Wort als große Verheißung, für die Gott selbst einsteht, auch über unserer Gemeinde: siehe, ich mache alles neu.
3. Es geht einem neuen Leben mit Gott entgegen.
In diesem Jahr sind Schatten auf unseren Weg gefallen: viele von uns sind dem Tod begegnet. Wir haben Abschied nehmen müssen von Eltern, von Geschwistern, von Kindern. Wir haben Menschen zu Grabe begleitet, die alt und lebenssatt gestorben sind, und es hat uns doch wehgetan. Und wir haben junge Menschen begraben, bei denen wir sagen: zu früh. So sind wir alle miteinander durch Leiden gegangen, durch Fragen und wir haben wohl auch viel geweint.
Und nun steht da: Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen! Wir dürfen mit unseren Tränen des Leides vor Gott treten, und wir werden in die Neuschöpfung Gottes nicht anders kommen als mit Tränen, weil der Weg durch diese Welt wieder und wieder ein Weg der Tränen ist – aber Er wird sie abwischen. Er selbst, Gott, wird die Tränen von unseren Augen wischen, wird den Kummer stillen, wird das schwere Herz fest machen.
Es ist das Bild des Vaters, der vor seinem weinenden Kind niederkniet und es in den Arm nimmt und tröstet und die Tränen trocknet. Und wir alle wissen es, wie Kinder dann sagen können: Jetzt wird alles wieder gut.
Dem gehen wir entgegen, dass wir vor Gott sagen können: Jetzt ist wieder alles gut. Und die Augen, die in der Ewigkeit einmal getrocknet sind, werden nicht mehr getrübt werden, denn der Tod wird nicht mehr sein, und das Leid wird nicht mehr sein, und das Geschrei des Kampfes und des Schmerzes und des Hasses wird nicht mehr sein.
Sören Kierkegaard, ein dänischer Theologe hat sich auf seinen Grabstein schreiben lassen:
„Noch eine kleine Zeit, dann ist’s gewonnen,
dann ist der ganze Streit in Nichts zerronnen:
Dann kann ich laben mich an Lebensbächen,
und ewig, ewiglich mit Jesus sprechen.“
Das ist die Mitte der Hoffnung auf die Ewigkeit: dass wir mit unserem Erdenleid und mit unseren ganzen Fragen und all den Rätseln des Lebens dann vor Jesus stehen. Und er, der uns hier schon im Leid getragen hat, er wird uns dann die unvergängliche Freude schenken. Da steht dann das eine kleine Wort, das doch so schwer wiegt: umsonst. Keiner von uns muss sich die Ewigkeit verdienen, keiner muss sich die Zuwendung Gottes, die das Leid überwindet und die Tränen trocknet, verdienen: es ist ganz und gar Geschenk, ganz Gnade.
Aber festhalten und uns daran klammern, das sollen wir. Und das nennt die Bibel „überwinden“! Dass wir diese Hoffnung festhalten – auch dann, wenn andere sie madig machen, wenn andere sagen: schluck deine Sehnsucht hinunter – das ist das „überwinden“, das ist der Kampf, der uns heute nicht erspart bleibt.
Ein letztes: Wann wird es so weit sein? Wie viele Gedanken werden darauf gewendet und verschwendet. Ich finde die Antwort Kierkegaards auch da hilfreich: noch eine kleine Zeit. Diese kleine Zeit ist uns gegeben, damit wir schon hier das Werk Gottes anfangen, das er vollenden wird: einander die Tränen zu trocknen, denn „mit uns will Gott in die Welt hinein“, und mit uns will Gott den Anbruch seiner Neuschöpfung schon hier aufleuchten lassen. Amen.

Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg

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