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Die ewige Stadt

von Karl-Heinz Kimmel (64283 Darmstadt)

Predigtdatum : 23.11.2003
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Ewigkeitssonntag
Textstelle : Matthäus 25,1-13
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Wochenspruch:

Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. (Lukas 12,35)

Psalm: 126 (EG 750)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 65,17-19 (20-22) 23-25
Epistel:
Offenbarung 21,1-7
Evangelium:
Matthäus 25,1-13

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 450
Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied:
EG 147
Wachet auf, ruft uns die Stimme
Predigtlied:
EG 151
Ermuntert euch, ihr Frommen
Schlusslied:
EG 85,9
Wenn ich einmal soll scheiden

Jesus sprach zu seinen Jüngern: 1 Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. 2 Aber fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. 3 Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit. 4 Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. 5 Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. 6 Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen! 7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig.
8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen. 9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zum Kaufmann und kauft für euch selbst. 10 Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen. 11 Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! 12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. 13 Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.

Liebe Gemeinde!
Die letzten Fragen nach Sinn und Ziel unseres Lebens, liebe Gemeinde, jene Fragen, die aufbrechen, wenn wir die Grenze erfahren - wir können sie nur tastend und in Bildern beschreiben, kaum beantworten.
Die Fragen sind einfach:
* Woher komme ich? (Das ist die Frage nach dem Ursprung)
* Wohin gehe ich? (Das ist die Frage nach dem Ziel)
* Wozu lebe ich? (Das ist die Frage nach dem Sinn)
* Warum gibt es soviel Leid, Krankheit, Schmerz und Tod? (Das ist die Frage nach dem Grund alles Unverständlichen, aller Abschiede auch).
Die Antworten sind nur vorläufig. Es ist, als müssten wir warten, bis endgültige Antwort auf uns zukommt.
Und immer schwingt in diesem Warten die Sehnsucht mit, Gott selber möge sich im Dunkel unserer Fragen als das helle und klare Licht zeigen; als die gute Macht, die uns alles erklärt und sagt: Es war gut so! Du und die Menschen, die zu dir gehören, die Lebenden und die Toten, ja diese Erde und alles Leben sind endlich in Gottes Händen geborgen. - Und alle sind eingeladen zum Fest, das der Herr gibt, wie zu einer Hochzeit - wo die Liebe und das Leben gleichsam noch einmal anheben, beginnen.
Doch: die letzten Fragen, die an das Geheimnis unseres Lebens und Gottes rühren, - wir können sie nur tastend und in Bildern beschreiben.
Unsere Erfahrungen, die wir täglich machen und die viele von uns im letzten Jahr in besonderer Weise machen mussten - Erfahrungen von Abschied, zerreißender Beziehung, Endlichkeit, Krankheit und Sterben -, sprechen gegen die schönen Bilder unserer Sehnsucht:
Wir sehen nur das Dunkel des Todes, nicht das Licht des neuen Lebens. Wir sehen nur die verschlossene Tür, das Grab, nicht den offenen Hochzeitssaal, das anhebende Fest.
I
Wir haben vorhin das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen gehört; eine Geschichte, die im Laufe der langen Zeit (des Wartens) immer wieder neu und anders gehört und gedeutet wurde. Mir fällt es schwer, die darin erkennbare ursprüngliche Aussage heute für mich zu verstehen. Immer wieder ist sie auf das Weltenende, verbunden mit dem Kommen Jesu Christi, gedeutet worden: ein Aufruf zur Wachsamkeit, eine Mahnung, in der Dunkelheit der Welt genug Leuchtkraft, Licht und Wärme bei sich zu haben.
Dies entschiede dann darüber, ob Menschen bei Gott sein werden oder ausgeschlossen bleiben vom Himmelreich - für immer. Mir leuchtet diese Tendenz nicht ein. Wie soll ich wissen, zu welcher Gruppe ich gehöre?
Und soll denn das, was sich sonst zwischen Menschen abspielt, nämlich: dass wir unterscheiden, ja trennen zwischen den Guten und den Bösen, den Klugen und den Dummen - und uns selber dabei meist für die Besseren halten - ich sage: soll denn das, was ich zwischen Menschen wahrnehme, auch Gottes Maßstab für alle Ewigkeit sein? - Ich kann mir’s nicht vorstellen!
Drum frage ich weiter: Wo und wie wird diese Geschichte meine, unsere Geschichte; wie wird sie zur Geschichte unserer Hoffnung? Und: muss sie dann womöglich anders erzählt werden, als Matthäus sie überliefert hat?
II
Vorerst entdecke ich mich und viele mit mir sowohl in den törichten wie auch in den klugen Jungfrauen (ich denke z. B. an die mit Figuren reich geschmückten Portale gotischer Kathedralen, wo diese Geschichte oft gestaltet ist. Auf der einen Seite die klugen, auf die anderen Seite die törichten Jungfrauen - und die Menschen gehen zwischen beiden hinein in das Heiligtum und hinaus in die Welt!).
Das ist menschliche Erfahrung, die Erfahrung der klugen Jungfrauen - immer wieder: uns ist viel Zeit gegeben für unser Miteinander, es ist uns viel Energie (Öl), Kraft, Liebe und Licht geschenkt - für die Menschen, die auf uns zukommen, mit denen wir das Leben teilen, die auf uns rechnen, auf die wir zählen, Tag für Tag - und meist sind’s die Allernächsten: Partner, Kinder, Eltern, Freunde.
Und wir machen die Erfahrung, dass wir einander erreichen, gerecht werden; wach sind und bereit für das, was wichtig ist, auf uns zukommt; dass wir offene Türen zueinander finden: uns gemeinsam freuen, glücklich sind - so dass Dunkelheit und Sorge und Angst und scheinbar vergebliches Warten zurückgedrängt werden, nicht mehr unser Leben bestimmen. Das Leben: ein Fest, schon hier! Die Erfahrung der klugen Jungfrauen. -
Und oft dicht daneben die andere Erfahrung: dass wir einander nicht mehr erreichen, dass Müdigkeit des Leibes und der Seele uns voneinander trennt, dass wir wie vor verschlossenen Türen stehen; nicht mehr wissen, was im anderen vorgeht, wohin wir gehören, was das Leben soll! Last ist es, vergeblich, beziehungslos. Aneinander schuldig werden, sich nicht mehr gerecht werden; schon sterben, ehe der Tod kommt und die Tür endgültig zuschlägt. Die Erfahrung der törichten Jungfrauen. -
Wir sehen, wir spüren in uns beides: die schöne, kluge Seite und die törichte, schlimme! Leben und Tod, fröhliches Fest und dumpfe Traurigkeit.
Und dort, wo wir dann fragen, wenn wir uns schließlich der Endgültigkeit des Todes gegenübersehen: Hat es ausgereicht? Sind wir einander gerecht geworden? Oder liegt Schuld wie eine Last auf mir? Bin ich sorgsam mit der mir geschenkten Lebenskraft und -energie umgegangen, für mich und die Menschen, die mir anvertraut waren? - da können wir leicht ins Grübeln kommen. Und nahe liegt es dann, das in uns Widersprüchliche auch in Gott hineinzulegen: Streng dich an! Gott belohnt die Guten, Klugen. Gott straft die Bösen: Ich kenne euch nicht!
Doch: wie bekomme ich Gewissheit wohin ich gehöre, wir gehören; wie entsteht Klarheit für mich und die Toten?
III
Im Hören auf das Evangelium, das doch Gottes Nähe bei uns Menschen ansagt, sein Für-uns-Da-sein, will ich das Gleichnis vom Himmelreich noch einmal anders weitererzählen - und zwar so, dass es mit Jesus Christus zu unserer eigenen Hoffnungsgeschichte wird, und am Ende nicht steht: ich kenne euch nicht!
Ich kenne einen, der weiß auch, wie es in der Welt und im Leben zugeht. Der hat selber erfahren, wie das ist, wenn man im Dunkeln steht. Der hat selbst den Tod erlitten. Zu dem haben sie auch gesagt: Wir kennen dich nicht!
Aber: er erzählt die Geschichte ganz gegen seine Erfahrung anders zuende. Wie denn? Hört zu!
Als aber die fünf jungen Frauen, die zu spät gekommen waren, draußen anklopften -, da wurde es im Saal ganz still. Da konnte niemand mehr mit gutem Gewissen weiter essen und trinken und feiern. Da erschraken sie, weil sie erkannten: auch wir könnten die sein, die draußen stehen, draußen vor der Tür.
Und sie bestürmten den Bräutigam: Du, Herr, tu ihnen auf: sieh, wir geben ab von dem, was wir haben. Hier ist ja Essen für alle, Wärme für alle, Musik und Lachen für alle!
Und der Bräutigam lächelte und sagte: hatte ich nicht zehn junge Frauen als Gäste zur Hochzeit geladen? Gehören sie nicht alle dazu? Haben nicht alle Platz an meiner Tafel? - Und er öffnete die Tür: kommt, ich kenne euch mit Namen!
Welche Geschichte ist die richtige, liebe Gemeinde? Welches Ende soll sie bei uns haben? So wie Matthäus sie berichtet? So wie ich sie auf dem Hintergrund der ganzen Jesusgeschichte verändert erzählt habe? -
Die Antwort werden wir selber geben. Nicht so, dass wir auf den Wortlaut pochen, diesen oder jenen; vielmehr so, dass wir unser eigenes Vertrauen auf Gott, unsere eigene Hoffnung auf Jesus in die Waagschale werfen. Die Antwort geben wir mit unserem Leben, mit unserem Glauben, mit der Kraft unserer Liebe.
Gewiss, der Ausgang ist bei uns immer noch offen. Aber wir ahnen, was unser Gott, den wir erwarten und auf den wir auch jenseits der Todesgrenze - um Christi willen - hoffen dürfen, uns heute schon zusagt!
Die letzten Fragen, liebe Gemeinde, jene Fragen, die aufbrechen, wenn wir die Grenze erfahren wir können sie nur tastend und in Bildern beschreiben, kaum beantworten.
Es ist, als müssten wir aufmerksam warten, bis endgültige Antwort und Klarheit auf uns zukommen. Doch schon jetzt und heute lässt Gott uns gültig sagen: Es ist gut so; du und die Menschen, die zu dir gehören, die Lebenden und die Toten, ja diese Erde und alles Leben sind in meinen Händen geborgen. -
Alle sind eingeladen - wie zu einer Hochzeit, wo die Liebe und das Leben gleichsam noch einmal neu beginnen!
Und in seltsamer Umkehrung dieses Gleichnisses höre ich aus den Worten der Offenbarung des Johannes (3,20) Christus sprechen: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten - und er mit mir.“ - Amen.

Verfasser: Pfr. Karl-Heinz Kimmel (1997)

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