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Die Gaben der Schöpfung - Verantwortlich leben: Gott danken und mit anderen teilen

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 03.10.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 17. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 2. Korinther 9,6-15
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Wochenspruch:

Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. (Psalm 145,15)

Psalm: 104,10-15.27-30 (EG 743)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 58,7-12
Epistel:
2. Korinther 9,6-15
Evangelium:
Lukas 12, (13-14) 15-21

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 508
Wir pflügen und wir streuen
Wochenlied:
EG 324
oder EG 502
Ich singe dir mit Herz und Mund
Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit
Predigtlied:
EG 320
Nun lasst uns Gott, dem Herren
Schlusslied:
EG 320,7-8
Wir bitten deine Güte

Lesung im Gottesdienst: 1. Mose 8,20-22 - Vielleicht ist es auch möglich, ein Regenbogentuch aufzuhängen.

6 Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. 7 Ein jeder, wie er's sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. 8 Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; 9 wie geschrieben steht (Psalm 112,9): »Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.«
10 Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. 11 So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt, die durch uns wirkt Danksagung an Gott. 12 Denn der Dienst dieser Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken. 13 Denn für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Einfalt eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. 14 Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch. 15 Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

Liebe Gemeinde!
Damit endet die Geschichte von Noah und der großen Flut: Über allem steht das Zeichen der großen Treue Gottes, der Regenbogen. Er steht über guten und bösen Menschen, er steht über alten und jungen Menschen, er steht über traurigen und fröhlichen Menschen. Er steht über gläubigen und ungläubigen, über fragenden und gewissen Menschen. Und dieser Bogen steht für das Wort: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“
Davon leben wir: dass Gott uns so die Treue hält. Davon leben wir: dass Gott Sommer und Winter, Frost und Saat und Ernte, Tag und Nacht schafft. Und jeder Segen am Himmel und jeder Wechsel im Wetter und jede Jahreszeit erinnert uns daran: das ist ein Zeichen der Treue Gottes.
Solche Zeichen der Treue Gottes haben wir auch dieses Jahr wieder empfangen: die Scheunen und die Keller sind gefüllt – trotz unseres Bangens; die Lohntüten sind nicht leer, trotz aller Schwierigkeiten, die es geben mag; die Produktionshallen der Betriebe sind nicht verwaist  es hat doch immer wieder Arbeit gegeben, leider nicht für alle, aber für viele von uns. Und auch wenn die Zeiten schlechter geworden sind: die Menschen unseres Landes, unserer Stadt, wir alle hier sind nicht arm, wir haben genug.
Wir haben viele Zeichen der Treue Gottes empfangen. Er hat uns die Zeit zugeteilt, in der wir schaffen, in der wir uns erholen, in der wir uns freuen und in der wir traurig sein können. Er hat uns die Kraft zugeteilt, in der wir unsere Arbeit tun, in der wir spielen können, in der wir das Leben meistern können, in der wir auch unser Bündel an Last und Sorge tragen können. Und er hat uns die Arbeit zugeteilt: in der wir unser tägliches Brot verdienen können, in der wir für unsere Gemeinschaft etwas tun können, in der wir Freude und Befriedigung erfahren, in der wir Anerkennung finden, unter der wir wohl auch manches Mal stöhnen. Das alles sind Zeichen der Treue Gottes  Gaben seiner großen Güte  die wir überreich haben.
Ja  wir sind reich  auch wenn wir, Sie und ich, es vielleicht noch gar nicht bemerkt haben. Und so ist dieser Erntedanktag heute ein Tag, der uns das ins Gedächtnis ruft: dass Gott uns überreich beschenkt hat.
Damit beginnt dann auch die Geschichte der Christenheit, dass über allem ein Zeichen steht, ein Zeichen der großen Gnade Gottes: Über uns allen steht das Kreuz. Für uns alle ist das Kreuz aufgerichtet worden auf Golgatha. Für uns alle ist er, der eine Sohn Gottes, Jesus Christus, in die Armut gegangen, in das Elend des Sterbens, in das Leid des Todes, in die große Dunkelheit, in der ihm der Blick auf den Vater verhüllt würde, in die Angst, dass Sterben doch so viel schwerer ist als wir es wahrhaben wollen.
Seitdem steht das Zeichen des Kreuzes in dieser Welt. Seitdem ruft der Gekreuzigte zu sich  er ruft alle. Und die Hände, die an diesem Kreuz ausgebreitet sind, sie wollen alles umfassen: Die Schuld eines Lebens, die lähmt und krankmacht und das Versagen der Liebe, das Aufgeben im Kampf um das Leben und das Sterben, die Klage über ein verpfuschtes Leben und die Anklage gegen Menschen, die es einem vielleicht schwer machen. Er will die Freude in seine Hände nehmen und bewahren, er will das Leid in seine Hände nehmen und tragen, er will die Hoffnungslosigkeit in seine Hände nehmen und neue Hoffnung wecken.
Liebe Gemeinde, davon leben wir: dass er so die Hände nach uns ausstreckt und wir kommen dürfen, dass er nach uns ruft und wir ihm antworten dürfen. Davon leben wir, dass wir zu diesem Gekreuzigten und auferstandenen Herren gehen dürfen und nichts, aber auch nichts uns von ihm scheiden kann, sondern seine Liebe alles neu macht.
Und dieses Zeichen der großen Gnade Gottes  die ausgebreiteten Arme des Gekreuzigten, das haben wir Tag für Tag vor Augen: sein Wort zeigt es uns, seine Gemeinde zeigt es uns, das Abendmahl lässt es uns fühlen und schmecken. Und in solcher Erfahrung: wir dürfen kommen und werden beschenkte Leute, beschenkt mit der großen Gnade Gottes.
Da werden unsere Gewissen ruhig und wach zugleich, da werden unsere Herzen froh und weit zugleich, da werden unsere Hände stark und freigiebig zugleich. Da wird es uns groß: es ist alles Gnade, übereiche Gnade, die Gott uns gibt. Und das will dieser Erntedanktag heute: uns vor Augen halten, wie große Gnade Gott uns überreich schenkt in seinem Sohn Jesus Christus.
Nun steht da mitten in unseren Versen ein ganz kritisches Wort: „Autarkía.“ Volle Genüge  rundherum genug, so viel, dass man auf nichts mehr angewiesen ist. Solche volle Genüge, solches überreich sein macht unabhängig. Das ist wie eine Festung, die mitten im Feindesland ist: sie hat Wasser in einem Brunnen, sie hat Getreidespeicher, die bis zum Bersten gefüllt sind, sie hat Wein auf Jahre hinaus, sie hat alles, was sie nötig hat und weit darüber hinaus. Da können sich Feinde vor den Mauern versammeln, da können sie das ganze Land ringsum besetzt halten und allen Nachschub abschneiden: diese Burg hatte volle Genüge  das ist Autarkía.
Die älteren unter uns werden sich erinnern können: dieses Wort „Autarkía“ spielte in unserer Geschichte im Dritten Reich eine große Rolle. Es war eines der Ziele der NSHerrschaft: das Land sollte autark sein, unabhängig von den anderen Ländern, von anderen Rassen.
Und heute? Gibt es heute nicht wieder eine unheilvolle Autarkiebewegung unter uns? Leben nicht viele in ihrem Haus, in ihrem Familienleben unter dieser Devise: Hauptsache, wir haben genug! Hauptsache, unsere Keller, unsere Vorratsräume sind gefüllt! Leben nicht erschreckend viele Menschen unter dieser Autarkie Sehnsucht: Hauptsache mein Leben verläuft störungsfrei  was soll ich mich da noch groß um andere kümmern. Und leben nicht unsere Völker in einer erschreckenden Autarkiebewegung weg von den notleidenden Völkern dieser Erde?
Es ist für mich Zeichen einer gottlosen Einstellung gegenüber der Welt, wenn folgendes Modell ernsthaft in unserer Zeit bedacht wird: Die Welt wird verglichen mit einem Rettungsboot. Da geht nur eine kleine Anzahl von Leuten rein. Wenn die, die drin sind, durchkommen wollen, dann müssen sie denen, die noch im Wasser treiben, den Zugang zu diesem Rettungsboot verwahren.
Genau dies wird dann als eine entwicklungspolitische Möglichkeit ernsthaft im Weltmaßstab verhandelt  und praktiziert. Die Weltwirtschaftsordnung, wie sie ist und von den westlichen Industrieländern zäh verteidigt wird, ist eine solche Rettungsbootmaßnahme. Das ist Autarkía nach Menschenmaß – Hauptsache, wir haben genug.
Ich höre den Einwand: Aber mit der Entwicklungshilfe wird doch Schindluder getrieben. Und dann kommen uralte Geschichten – überliefert über Generationen hinweg - von dem goldenen Bett, dass sich einer gekauft hat, von Bokasas Diamanten und Idi Amins Exzessen, von den reichen Leuten in den armen Ländern, die ja viel reicher sind als wir, dann kommen die Waffenkäufe der ärmsten Länder zur Sprache.
Ja, das alles stimmt und hat es gegeben, aber ändert das etwas an unserer verkehrten AutarkieHaltung: Hauptsache, wir haben genug? Die volle Genüge, die Autarkía, die Gott uns schenkt, die sieht anders aus: es ist keine volle Genüge zum Festhalten, keine volle Genüge, die ich an mich reißen muss, sondern es ist eine volle Genüge, die ich weitergeben darf. Gott gibt uns volle Genüge, damit wir teilen können. Das ist die Absicht Gottes mit unserem Reichtum: dass wir teilen lernen.
Lassen Sie mich das einmal klar und deutlich sagen: nur der geht richtig mit Gottes Gaben um, der teilt. Nur der geht richtig mit Gottes großem Geschenk um, der es weitergibt. Das gilt für die große Gabe der Gnade Gottes. Wir haben es in der Gemeindewoche doch erlebt: wer etwas weitergibt von dem, was er als Erfahrung der Liebe Gottes empfangen hat, der wird reicher.
Wir haben es gehört: das Geheimnis des Lebens ist Loslassen. Das Geheimnis eines wachsenden Glaubens besteht im Teilen, im Mitteilen dieses Glaubens. Und vielleicht sind wir deshalb so glaubensschwache Leute, weil wir uns so wenig davon mitteilen, wie Jesus unsere Schuld auf sich genommen hat, wie er uns an die Seite getreten ist in schwerer Not unseres Lebens und hat uns herausgeführt.
Euer Reichtum diene ihrem Mangel  so sagt Paulus kurz vor unserem Abschnitt: womöglich wartet in dieser Stadt schon lange einer darauf, dass einer zu ihm kommt und ihm erzählt, wie Jesus sein Leben hält. Diesen Reichtum sollen wir mitteilen!
Aber in unserem Kapitel geht es nicht nur  was heißt hier nur! - um das Teilen von Glaubensreichtum, sondern es geht auch um das genauso praktische Teilen von materiellem Reichtum. Es geht ums Geld, es geht um den Besitz. Auch da gilt: euer Reichtum diene ihrem Mangel. Ja, liebe Gemeinde, Erntedankfest feiern  das heißt Gott für seine Gaben danken  und dieser Dank kann am Nächsten, kann an den armen Christen, den armen Kirchen und der armen Menschheit nicht vorübergehen. Und ich möchte das hier und heute einmal sagen: Gott gibt uns so viel Geld, so viel Wohlstand, damit wir damit etwas Gutes tun.
Das ist Gottes Absicht mit unserem Reichtum: dass andere Menschen etwas davon empfangen. Wir haben genug  andere darben, andere verhungern, andere sterben im Mangel. Und solange dies so ist und eine reiche Christenheit sich an vollen Tellern beruhigt, kann das Lob Gottes nicht gesungen werden. Solange dies so ist und wir die Augen vor der Not zu machen und gleichzeitig sagen: Herr, wir danken dir, lästern wir ihn! Solange wir nicht spürbar für uns selbst unseren eigenen Familienetat durch das Opfer für die notleidenden Brüder und Schwestern in Christus, für die Not leidenden Menschenbrüder belasten, solange wird es kein geistliches Erwachen dieser Welt geben, solange haben auch Christen kein Recht, von einem säkularen Staat mehr Engagement zu fordern in der Entwicklungshilfe.
Paulus hat für die Not leidende Gemeinde in Jerusalem nicht den römischen Staat bemüht, nicht die jüdische Caritas, sondern die Brüder und Schwestern, die mehr hatten. Und das allerdings  dass diese Brüder und Schwestern die Hand aufgetan und gegeben haben  das hat Menschen zum Lob Gottes geführt. Und ich denke, dass dies auch heute noch stimmt: wenn die christlichen Kirchen, wenn die einzelnen Christen anfangen, ihrem Reichtum mit dem Mangel der Armen in Verbindung zu bringen und geistlich und materiell zu teilen, dann wird diese Welt ganz neu nach dem Glauben fragen, dann wird sie ganz neu aufmerksam werden auf das Zeugnis von der liebe Gottes. Gottes Lob wird wohl in unserer Zeit wieder ganz neu laut werden, wenn wir dazu bereit und fähig werden: den großen Reichtum Gottes, die volle Genüge, die er uns schenkt zu teilen. Amen.

Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg

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