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Die geistliche Waffenrüstung

von Thomas Hessel (60311 Frankfurt)

Predigtdatum : 05.11.2006
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 20. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Jeremia 29,1.4-7.10-14
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Wochenspruch:

Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
(Römer 12,21)
Psalm: 19,10-15 EG 708)

Lesungen

Altes Testament:
Jeremia 29,1.4-7.10-14
Epistel:
Epheser 6,10-17
Evangelium:
Matthäus 6,38-48

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 445
Gott des Himmels und der Erden
Wochenlied:
EG 273 oder
EG 377
Ach Gott, vom Himmel sieh darein
Zieh an die Macht, du Arm des Herrn
Predigtlied:
EG 268
Strahlen brechen viele
Schlusslied:
EG 171
Bewahre uns, Gott

Liebe Gemeinde!
Hoch in den Himmel ragen die Hochhäuser in den Großstädten der Welt, so auch in Frankfurt, in unserer kleinen Großstadt, sodass wir regelrecht von einer „Skyline“ sprechen können. Hier begegnen uns Menschen aus allen Kontinenten, die durch Migration und als Gastarbeiter in den zurückliegenden fünfzig Jahren in die Stadt gekommen sind. Sie haben sich hier niedergelassen und geben der Stadt ein internationales Flair. Und: Innerhalb von nur wenigen Stunden sind wir mit dem Flugzeug in einem anderen Land…, innerhalb kurzer Zeit auf einem anderen Kontinent. Die Welt ist enger zusammengewachsen.
Da scheint es einerseits zuzutreffen, was der Schriftsteller Franz Kafka einmal in einer seiner Fabeln gesagt hat: „Die Welt wird immer kleiner und enger.“ Franz Kafka lebte um 1900 in Prag: Er war ein großartiger Erzähler, ein Surrealist. Auf Lösungen von Problemen kam es ihm nicht so sehr an, eher auf Feststellungen und Analysen.
So beginnt seine Fabel: „Ach,“ sagte die Maus, „ die Welt wird immer enger jeden Tag: Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte; ich lief weiter und war glücklich, dass ich in der Ferne rechts und links Mauern sah: aber diese Mauern liefen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin; und dort im Winkel steht schon die Falle, in die ich laufe.“ – „ Du musst nur die Laufrichtung ändern,“ sagte die Katze…“
Gewiss – auf unsere Situation übertragen – es gibt für uns kein Leben ohne Risiken. Seien wir ehrlich, so Erich Kästner, Leben ist immer lebensgefährlich.
Aber noch gefährlicher ist der um sich greifende Tod der Beziehungslosigkeit; der entsteht durch unsere harten Herzen und unsere bewusste Abgrenzung von den anderen Menschen. Zuerst wirkt die Welt weit, unzählige Möglichkeiten liegen vor uns. Das ist das Geschenk der Freiheit. Doch dann rücken die Grenzen näher aneinander. Ist das so bei uns und für uns heute?
Die Welt wird immer enger? Immer noch Kriege und – wie es Benedikt XVI. kürzlich gesagt hat – „der Skandal des weltweiten Hungers.“
ODER: Die viel beschworene Knappheit der Ressourcen. Leben wir nicht in einer enger werdenden Welt. ODER: Von Seiten unseres Staates und der öffentlichen Organisationen: Menschen werden verwaltet, und die Freiräume für die eigene Entfaltung und für Kreativität werden immer kleiner. ODER: Die zunehmende Verdichtung der Wohngebiete in den Ballungsräumen. Enger wird es allerdings auch für alle Arbeitslosen und für die Benachteiligten in der Gesellschaft.
Haben wir den Tiefpunkt bereits erreicht – oder geht es bei uns noch mehr bergab? Ist die Wende zum Besseren jetzt noch möglich? Sollen auch wir einfach die Laufrichtung ändern? Und wohin?
Am Ende lauert ja doch das Verderben. „Du musst nur die Laufrichtung ändern;“ sagte die Katze und fraß die Maus auf“, so hören wir es bei Kafka.
Der PROPHET JEREMIA hat eine ebenso bedrückende Situation vor Augen wie Kafka in seiner Fabel. Er hat – in alter Zeit – etwa 598 vor Christus eine andere Antwort auf dieselbe Frage; in seinem Brief an die ins Exil nach Babylon Weggeführten. Hören wir an dieser Stelle unseren Predigttext aus Jeremia 29:
1 Dies sind die Worte des Briefes, den der Prophet Jeremia von Jerusalem sandte an den Rest der Ältesten, die weggeführt waren, an die Priester und Propheten und an das ganze Volk, das Nebukadnezar von Jerusalem nach Babel weggeführt hatte:
4 So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels, zu den Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen: 5 Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; 6 nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. 7 Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn's ihr wohlgeht, so geht's auch euch wohl. 10 Denn so spricht der HERR: Wenn für Babel siebzig Jahre voll sind, so will ich euch heimsuchen und will mein gnädiges Wort an euch erfüllen, dass ich euch wieder an diesen Ort bringe. 11 Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe das Ende, des ihr wartet.
12 Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten und ich will euch erhören. 13 Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, 14 so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR, und will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten, wohin ich euch verstoßen habe, spricht der HERR, und will euch wieder an diesen Ort bringen, von wo ich euch habe wegführen lassen.
Gott, öffne uns für dich und für dein Wort! Amen!
Liebe Gemeinde, wo hinaus läuft unsere Geschichte? Gibt es in unserer Zeit eine permanente positiv-konstruktive Weiterentwicklung? Manchmal scheint die Lage für uns ebenso aussichtslos zu sein, wie für die weggeführten Israeliten.
Zur Situation unseres Predigtabschnittes:
Ein wichtiger Teil der judäischen Bevölkerung…König Jojachin mit seiner Familie, die Handwerker aus Jerusalem, die waffentragende Oberschicht des Landes und natürlich auch die obersten Beamten, viele Älteste, Priester und Propheten, einzelne und ganze Familien wurden nach der Eroberung Jerusalems einfach ins Exil geschickt.
Sie wurden deportiert. Und in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt Babylon bekamen sie Land zugewiesen, das sie bebauen und wo sie sich niederlassen konnten. Deshalb meinen wir vielleicht, dies sei alles gar nicht so schlimm und ganz gut zu tragen. Doch dies täuscht! Das Los der Bevölkerung ist viel schwerer als bei anderen Deportationen.
Denn sie verlieren nicht alleine ihre Heimat und ihren Besitz. Nein, sie verlieren mit Jerusalem auch ihr religiöses Zentrum, die Mitte ihres Lebens. Sie werden verschleppt in ein Land, wo der Gott Israels nicht wohnt. Vor allem auch deshalb rückt die Sünde unmittelbar in den Zusammenhang mit Babylon. Das musste für sie wie ein schwerer Schock sein; ein Ereignis, das sie nicht so bald bewältigten, wie eine Strafe Gottes. Viele der Exilierten fühlten sich demgemäß wie gelähmt, völlig am Boden und ohne Hoffnung.
Da tauchten mitten im Exil in Babylon Propheten auf, welche die baldige Heimkehr nach Jerusalem prophezeiten. Es wäre sehr verwunderlich gewesen, wenn das nicht auf Anklang gestoßen wäre. Zum Teil entsteht Unruhe, und doch fühlen sich die meisten Verbannten in einem seltsam zerrissenen Zustand zwischen einer schweren inneren Gelähmtheit und einer hochgespannten Hoffnung.
In dieser Situation schickt Jeremia durch Boten einen Brief aus der Heimat nach Babylon. Ich stelle mir vor, da strömen die Leute zusammen: „Lass hören, was es gibt? Kommen wir frei?“ Tiefe Sehnsüchte der Verschleppten, der Gefangenen, werden in solchem Fragen laut.
Wird uns die enge Welt wieder weit? Und wie könnte das geschehen? Im Kopf des Briefes wird erwähnt, wer das spricht: Der Gott Israels, der Herr der Heerscharen. Im Leben der Deportierten zeichnet sich keine Veränderung ab. Anscheinend müssen sie in dem fremden Land bleiben. Sie müssen auf ihrem Posten stehenbleiben und ausharren.
Auch wir haben gegenwärtig immer wieder den Eindruck, als würden wir auf der Stelle treten. Jeremia jedenfalls spricht die Verschleppten an: „Jammert nicht, dass ihr weit weg von zu Hause seid, weit weg von den Wurzeln, die euch nähren; weit weg von dem Urgrund, der euch trägt. – Seid nicht untätig, sondern kommt euren Aufgaben nach!“ Für die Versprengten des Volkes Israel gibt Jeremia konkrete Weisungen:
Baut Häuser, ein Haus war damals relativ schnell errichtet… Pflanzt Gärten und esst ihre Früchte – bis ein Baum Früchte trägt vergehen Jahre. Heiratet und richtet euch ein in dem fremden Land; macht aus eurer Situation das Beste. Und wenn es um die Gründung von Familien geht und der Prophet schon von der Verheiratung von Kindern und Kindeskindern spricht, dann ist hier in Generationen gedacht.
Spätestens hier werden die Israeliten begriffen haben, dass an eine baldige Rückkehr nicht zu denken war. Der Prophet spricht die Menschen an: Seid nicht verzweifelt und nehmt euer Leben in die Hand und richtet euch auf die gegebenen Tatsachen ein. Auch für uns wäre solch ein Verhalten zu befürworten.
Und der Prophetruft sie auf zum Gebet. Ganz erstaunlicherweise ruft er sie auf zum Gebet für die Stadt Babylon! Betet für eure Feinde!, so hat es Jesus in der Bergpredigt einmal gesagt.
Was Jesus viel, viel später als den neuen christlichen Lebensweg beschreibt, ist hier bereits vorweggenommen. Und: Aus guten Gebeten und Absichten wächst weiterhin Gutes; auch für das Volk Israel.
Auch den Kindern Israel soll es dann gut gehen. Und der Prophet gibt Einblick in Gottes Gedanken. In dem von Jeremia verkündeten Gottesspruch heißt es: „Denn ich weiß wohl, was für Gedanken ich über euch habe, Gedanken des Heils und nicht des Unheils, euch Zukunft und Hoffnung zu geben.“
Überall könnt ihr euch an mich wenden. Ihr braucht keine Angst zu haben, denn ich will bei euch sein; diese Worte können uns in Erstaunen setzen. Nirgendwo ist Gott zu sehen! Das Exil dauert siebzig Jahre, drei Generationen lang, sodass diejenigen, die im Augenblick in Babylon leben, auch dort ihr Leben beschließen werden. Und doch ist das kein Grund niedergeschlagen und traurig zu sein.
Betet für eure Feinde, das ist eine für das Alte Testament völlig unge-wöhnliche Äußerung. Hier öffnen sich für den Glauben der Israeliten völlig neue Horizonte. Auch in Babylon bleibt der Gott Israels Gott! Und dieser Gott lässt das Volk in der Fremde nicht ohne seinen Segen! Gott ist da, auch heute, auch dann, wenn um uns herum andre Mächte erscheinen. Und so ruft Jeremia dem Volk im Exil zu: Bringt euch ein ins Leben, so wie zuvor, als ihr noch in Jerusalem wart. Gott will nicht Unheil über euch kommen lassen, sondern Heil! Er will euch Zukunft und Hoffnung geben! Vor allem anderen, was eure Sinne trüben und beeinflussen könnte, glaubt an diesen Gott.
Geht in die Zukunft mit dem Segen und mit dem Beistand Gottes! Gott will uns segnen, und er will uns gnädig sein.
Deshalb können wir mit immer neuem Mut in die Zukunft gehen. Im Glauben an ihn wird uns die enge Welt weiter, öffnen sich immer neue Türen in unserem Leben. Im Glauben an ihn sind unsere Füße auf einen weiten Raum gestellt; durch die Kraft seiner Liebe und durch die Hoffnung, die bei ihm ihren Ursprung nimmt. Amen!

Verfasser: Pfr. Thomas Hessel, Brentanostraße 21, 60311 Frankfurt

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