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Die Kirche des Geistes

von Stephan Arras (64743 Beerfelden)

Predigtdatum : 11.06.2000
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Exaudi
Textstelle : 1. Korinther 2,12-16
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Wochenspruch:

Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth. (Sacharja 4,6)

Psalm: 118,24-29 (EG 747)

Lesungen

Altes Testament:
4. Mose 11,11-12.14-17.24-25
Epistel:
Apostelgeschichte 2,1-18
Evangelium:
Johannes 14,23-27

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 166,1-4
Tut mir auf die schöne Pforte
Wochenlied:
EG 125
(oder EG 136,1-4+7)
Komm, Heiliger Geist, Herre Gott
O komm, du Geist der Wahrheit
Predigtlied:
EG 557,1-3
Ein Licht geht uns auf in der Dunkelheit
Schlusslied:
EG 131,1-4+6
O heiliger Geist, o heiliger Gott

Hinführung zur Predigt
Es ist eine gewisse Spannung zwischen der Erwartung an das Pfingstfest einerseits und dem Predigttext andererseits festzustellen: Als Fest, als “Geburtstag” der Kirche erwarten wir Aufbruch, Be-Geisterung an diesem Tag. Der Predigttext hingegen wirkt hölzern, für viele PredigthörerInnen sicher unverständlich, also nicht gerade förderlich, Begeisterung zu wecken. Die Schwierigkeit für die Predigt besteht darin, die Festfreude von Pfingsten und den recht nüchternen Predigttext aufeinander zu beziehen.
1 Kor. 2,12-16 ist von einem starken Dualismus geprägt: Dem “geistlichen Menschen”, der durch Gottes Geist geprägt ist, von diesem die Gabe der Unterscheidung und Urteilskraft erhält und sich Jesus Christus verpflichtet weiß, steht der “natürliche Mensch” gegenüber, der mit seinem Verstehen an die Begrenzung der Welt gebunden bleibt.
Pfingsten, Begeisterung: Ich muss daran denken, wohin Begeisterung auch führen kann: Zu Massenhysterie, zu emotionalen Ausbrüchen, zu geistigem Durcheinander. Ist gerade da ein Geist der Unterscheidung und Klarheit nicht sehr hilfreich? Hier liegt für mich der Ansatz einer “Brücke” zwischen Pfingstfest und Predigttext.
Beim Nachdenken, was dieser “Geist der Unterscheidung” für uns heute bedeuten kann, bin ich auf ein bekanntes Phänomen aus der Seelsorge gestoßen: Menschen, die auf der Suche nach mehr Lebensfreude sind oder die an einem Problem wie einer andauernden Ehekrise leiden, hilft man in Seelsorgegespräch am besten dadurch, dass man sie mit der Wahrheit konfrontiert. Das mag manchmal hart sein, aber erst, wenn der Mensch begreift, wo das Problem liegt, ist ein Weg zur Lösung - und zu Lebensfreude - möglich.
Angesichts des sperrigen Textes entscheide ich mich für eine behutsame Hinführung: Bevor der Predigtext verlesen wird, gehe ich auf das Pfingstfest, auf Begeisterung ein. Den Geist der Unterscheidung aus dem Predigttext bringe ich dann als wirksamen Kontrapunkt zur allgemeinen Begeisterung des ersten Pfingsttages ins Spiel.
(Wenn nur eine Schriftlesung vorgesehen ist, empfehle ich, die Pfingstgeschichte zu lesen.)

Liebe Gemeinde!
Pfingsten feiern wir - in meiner Konfirmandenzeit habe ich gelernt, dass das der Geburtstag der Kirche ist. Ja, den Pfingstbericht aus der Apostelgeschichte haben wir vorhin gehört: Da muss etwas geschehen sein in Jerusalem, als sich kurz nach der Erfahrung der Auferstehung Jesu die Jünger Jesu und weitere Anhänger versammelt hatten. Ein ungeheures Geist-Erlebnis haben sie gehabt, da sprang buchstäblich ein Funke über, und sie wussten: Mit uns, den Anhängern Jesu, beginnt etwas Neues! Jesus lebt, er ist auferstanden, seine Gemeinde hat eine Zukunft!
Es gab eine ungeheure Dynamik des Anfangs: Rasch wuchsen die ersten Gemeinden. Eine Dynamik, eine Be-geisterung, die wir uns so oft wünschen in unserer Kirche.
Wir reden dagegen in der reichen deutschen evangelischen Kirche zu Beginn des 3. Jahrtausends vom Sparen, vom Abbau von Pfarrstellen, da die Steuereinnahmen des Bundes und damit die Kirchensteuereinnahmen zurückgehen. Landauf-landab wird auf Dekanatssynoden und in Pfarrkonferenzen von Kirchenfunktionären vorgerechnet, wie Geld und Personal in den nächsten Jahren zurückgehen würden. Kein Funke des Aufbruchs. Kein brausender Geist. Nur müdes, pingeliges und depressives Berechnen der Zukunft.
Eine Begeisterung, ja, danach sehne ich mich. Und danach sehnen Sie sich vielleicht auch,
* nach einer Begeisterung im eigenen Glauben,
* nach einer Begeisterung im Leben, nach frischem Wind,
* nach Begeisterung für unseren Herrn Jesus Christus, für unsere evangelische Kirche.
Sicher erwarten Sie für das Pfingstfest nun einen Predigttext, der uns alle in Schwung bringt. Einen Text, der etwas von dem, was einmal an Begeisterung in der Kirche herrschte, wieder aufleben lässt. Hören wir ihn:
12 Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.
13 Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. 14 Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich beurteilt werden. 15 Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt. 16 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen« (Jesaja 40,13)? Wir aber haben Christi Sinn.
O weh, was für ein steifer Text. Und sicher versteht man auf Anhieb kaum, was Paulus da sagen will. Was hat das hier Gesagte mit Pfingsten zu tun, mit mehr Begeisterung im Glauben?
Zunächst gilt es, den Text zu verstehen:
Paulus spricht hier nicht vom Heiligen Geist, der begeistert, sondern von einem Geist, der unterscheidet. Er nennt den “natürlichen Menschen” und den “geistlichen Menschen”.
Der “natürliche Mensch” deutet sein Leben allein durch die Dinge der Welt. Er weiß nichts von Gott, von Jesu Tod am Kreuz zur Vergebung unserer Schuld, von Auferstehung; ja, das alles ist Unfug für ihn. Der “geistliche Mensch” hingegen ist geprägt vom Heiligen Geist. Sein Leben orientiert sich an Jesus Christus.
Mag sein, dass Ihnen das alles sehr fremd und sehr fern vorkommt. Ist es aber nicht. Denn wir können auch heute ganz nüchtern feststellen: Es gibt Menschen, die halten nichts vom christlichen Glauben. Das Kreuz ist ihnen ein Ärgernis. Auf den Punkt brachte es jener Familienvater in Bayern, der gegen die Kruzifixe in den bayrischen Klassenzimmern prozessierte. Denn, so begründete er seinen Protest, es sei für sein Kind ein Ärgernis und schädlich, einen gekreuzigten Menschen anschauen zu müssen.
Oder: Es ist verständlich, dass es Jugendlichen, die aus den neuen Bundesländern hierher ziehen und völlig ohne Religion aufgewachsen sind, nur mit der Parteiideologie der SED, sehr unverständlich ist, was es mit dem christlichen Glauben auf sich hat. Das Kreuz - der Welt ein Ärgernis und eine Torheit.
Wer aber den Geist der Christenheit in sich trägt, für den ist das Kreuz, wie Paulus einmal sagt, nicht Ärgernis, sondern Gotteskraft. Solche Menschen gibt es auch heute noch: Menschen, die sich ihr Leben prägen lassen durch den Glauben an Jesus Christus. Menschen, die Kraft für ihr Leben und für das Bewältigen von Fehlern aus dem Tod Jesu schöpfen, der gestorben ist zur Vergebung unserer Schuld. Menschen, die fröhlich und zuversichtlich leben, weil in ihnen die Hoffnung auf ewiges Leben und Geborgenheit in Gottes Hand wohnt.
Aber zurück zu Pfingsten: Was hilft uns dieser Predigttext, was hilft uns diese nüchterne Unterscheidung der Geister bei der Suche nach mehr Begeisterung in unserer Kirche, bei der Suche nach einem frischen Wind und neuen Geist in unserem Leben?
Ich muss an manches Seelsorgegespräch denken. An Gespräche mit Menschen, die wie gelähmt waren durch die immer gleichen Gedanken, durch ein Problem in ihrem Leben, an dem sie sich festgebissen hatten. Menschen, die sich eine Schwäche nicht eingestehen wollen, die sich selber überfordern. Menschen, die in einer Sackgasse waren mit ihrem Leben. Seelsorge heißt da: In einem Gespräch schonungslos die Wahrheit sagen, wie sie sich von außen darstellt. Das kann hart sein. Ich denke da an beispielsweise an Gespräche mit Alkoholikern, mit Familien in einer Dauer-Familienkrise, mit einem Angestellten in leitender Position, der zu hohe Erwartungen an den Beruf hatte... Jedenfalls: Wenn man die Geister geschieden hat und Klarheit da ist, dann tröstet das und befreit und ermöglicht einen guten Weg in die Zukunft. Dieser Geist der Wahrheit bedeutet sicher, dass man einen schmerzhaften Prozess durchmachen muss. Aber danach ist Freiheit da und neue Lebensfreude.
Heute an Pfingsten bitten wir Gott, dass er auch in unser Leben und in die Kirche unserer Zeit seinen heiligen Geist ausgießt. Und das bedeutet: Bitte um einen Geist, der uns erst einmal hilft, klar zu sehen! Ein Geist, der uns hilft, die Geister zu scheiden. Ein Geist, der uns hilft, geistlich zu sehen.
Das würde für unsere evangelische Kirche beispielsweise bedeuten, die aufgeblähte Verwaltung zu erkennen, oder manche uneffektive Stelle oder manche nicht erkannten Themen oder manchen Gottesdienst, der sich nicht am Wort Gottes ausrichtet - und wenn man das mit Klarheit erkannt hat, ist der Weg frei für den Geist, der begeistert!
Und das Gleiche gilt für mein Leben, für Ihr Leben: An Pfingsten bitten wir um den Geist Gottes, der uns hilft, Klarheit in unserer Seele zu bekommen, Klarheit über unser Leben, unsere derzeitige Situation und Lebensphase, Klarheit über unsere Stärken und Schwächen und Chancen. Ich bin mir sicher: Wenn wir uns den Geist Gottes schenken lassen, dann bekommen wir auch mehr Klarheit über unser Leben. Und wenn wir mehr Klarheit haben, gelingt es uns besser, zufrieden und fröhlich zu leben - und vielleicht leben wir unser Leben dann als ein geschenktes Leben, voller Begeisterung über jeden neuen Tag, voller Begeisterung über die Vergebung unserer Schuld, voller Begeisterung über die österliche Botschaft vom leeren Grab.
Pfingsten ist also beides:
* Der Geist, der uns zu mehr Klarheit verhilft,
* und der Geist, der ein Feuer in uns anzündet; der uns feiern lässt.
Und noch ein letzter Gedanke: Unser Predigttext hat doch bei allem nüchternen Reden vom Geist der Unterscheidung auch einen fröhlichen, verheißungsvollen Klang: Vers 12: “Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, damit wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.”
Und von Gott ist uns ja so viel geschenkt:
* Unsere Kirchengemeinde als ein Ort der Gemeinschaft, des Trostes, des Miteinander,
* biblische Geschichten als Lebensdeuter,
* unser Leben mit all seinen vielfältigen Facetten und Beziehungen,
* die Zusage der Vergebung, die Befreiung von Schuld,
* und vieles mehr.
So lasst uns erkennen, wie viel uns geschenkt wurde und wird von Gott unserem Herrn! So lasst uns Pfingsten feiern und uns öffnen für Begeisterung - aber nicht, wie Betrunkene feiern, sondern so, wie Menschen nüchtern fröhlich sein können! Amen.

Verfasser: Pfr. Stephan Arras , Marktplatz 10 , 64743 Beerfelden

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