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Die Kirche des Geistes - aktualisierte Fassung unter Berücksichtigung der Corona-Pandemie

von Anke Andrea Rheinheimer (Nünschweiler)

Predigtdatum : 01.06.2020
Lesereihe : II
Predigttag im Kirchenjahr : Pfingstmontag
Textstelle : Johannes 20,19-23
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Wochenspruch: Es soll nicht durch Heer oder Kraft geschehen, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr Zebaoth. (Sacharja 4,6)

Psalm: 118,24-29

Predigtreihen

Reihe I: Matthäus 16,13-19
Reihe II: Johannes 20,19-23
Reihe III: 1. Korinther 12,4-11
Reihe IV: 4. Mose 11,11-12.14-17.24-25(26-30)
Reihe V: Johannes 4,19-26
Reihe VI: Epheser 4,(1-6)11-15(16)

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 130, 1-2.5 O Heilger Geist, kehr bei uns ein
Wochenlied: EG 129, 1-4 Freut euch, ihr Christen alle
Predigtlied: EG 136, 1-2.4.7 O komm, du Geist der Wahrheit
Schlusslied: EG 264, 1-3 Die Kirche steht gegründet

Predigttext Johannes 20,19-23

Die Vollmacht der Jünger

19 Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!
20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.

21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist!
23 Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.

Predigt
„Die verbindende Kraft des Heiligen Geistes“
Wie Gottes guter Geist uns auch heute miteinander, mit Jesus und mit Gott verbindet“

Liebe Gemeinde,

[Pfingsten – das Fest des Heiligen Geistes]
in den Liedern im Pfingstgottesdienst bitten wir um den Heiligen Geist, der bei uns und in unserer Kirche einkehren möge. „O heilger Geist, kehr bei uns ein“, singen wir in einem bekannten Pfingstlied. Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes und zugleich der „Geburtstag“ der Kirche. Wir erinnern uns an den Anfang, den Beginn der christlichen Gemeinde - ein wahrlich geistbewegtes Ereignis: der gute Geist Gottes hat damals, am ersten Pfingstfest, die aus allerlei Völkern und Ländern bunt zusammengewürfelte erste Gemeinde so begeistert und mit dem Feuer des Glaubens angesteckt, dass sie einander verstanden haben über alle kulturellen, sprachlichen und Grenzen der Herkunft hinweg.

In gegenseitigem Verständnis und in versöhnter Gemein-schaft waren die ersten Christen miteinander durch den Heiligen Geist verbunden. Auch heute dürfen wir in unserer christlichen Gemeinschaft auf diese Kraft des Geistes ver-trauen. – Gerade in den Wochen des Versammlungsverbotes ist uns diese Verbundenheit, die der Heilige Geist über räumliche Distanz hinweg schenkt, so wichtig und wertvoll geworden. Im gemeinsamen Gebet zur verabredeten Zeit, im Hören und Mitfeiern der Gottesdienste und Andachten im Fernsehen oder vor dem Computer – wir waren verbunden miteinander in unserem Glauben, Hoffen und Lieben. Durch den Heiligen Geist!

[Die Gabe des Geistes und die Vergebung von Schuld]
Liebe Gemeinde, in unserem heutigen Predigttext aus dem Johannesevangelium ist es Jesus selbst, der seinen Jüngern den Geist nicht nur verheißen, sondern gegeben hat: „Nehmt hin in den Heiligen Geist!“, ruft er ihnen zu. Jesu Wort ist „Tat-Wort.“ Es wirkt! Jesus macht nicht leere und hohle Versprechungen, sondern er gibt weiter, was er von Gott empfangen hat. Es geschieht etwas zwischen Jesus und seinen Jüngern – und auch mit uns, wenn wir uns im Glauben an ihn halten. Die Gabe des Geistes – sie ist geschenkweise allen zugesagt, die Jesus nachfolgen und seine Nähe im Glauben suchen, auch heute.

Mit der Gabe des Geistes erfüllt sich ganz am Ende des Johannesevangeliums, nach den Osterereignissen, was Jesus in seinen sog. Abschiedsreden den Jüngern verheißen hatte: etwas von ihm bleibt da, auch wenn er leiblich nicht mehr hier, bei ihnen, auf der Erde, ist. Sein guter Geist wirkt weiter bei den Seinen, zu allen Zeiten, bis heute! Auch wir sind in diesen geistlichen Bund eingeschlossen, sind „geistbegabt“ und sollen diese Geistesgabe reiche Frucht tragen lassen in unserem Leben als Christen. Wie die Jünger damals sind auch wir „geschickte Leute“, d. h. ausgerüstet mit Gottes gutem Geist mitten ins alltägliche Leben gestellt, um in Einigkeit mit unseren Mitmenschen versöhnt zu leben, auch wenn im menschlichen Miteinander Fehler und Fehltritte, auch Schuld leider dazugehören. Zwischenmenschlich gesehen – und diese Erfahrung haben Sie, liebe Schwestern und Brüder, vielleicht schon selbst in ihrem Leben gemacht - ist Vergebung und Versöhnung etwas, das uns viel Überwindung kostet. [PARKPLATZ für eigene Beispiele, evtl. aus der Corona-Zeit]

Nur wenn wir unserem Herzen einen Ruck geben, können wir uns dazu überwinden. Viel lieber rechnen wir alte Fehler gegeneinander auf und tragen alte Verletzungen ewig nach. Dabei leben wir mit unseren menschlichen Schwächen alle aus der gegenseitigen, wie aus Gottes Vergebung, weil jeder von uns Fehler macht und wir aneinander und gegenüber Gott schuldig werden. Wie gut tut dann, freigesprochen zu werden und einander freizusprechen oder zumindest für Klarheit zu sorgen, wenn keine Einsicht da ist. So wie der Predigttext sagt: „Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ Die Vollmacht zur Sündenvergebung – der letzte Punkt im Dreischritt, den der auferstandene Herr in dieser Erscheinungsszene mit seinen Jüngern geht, nachdem er sie ausgesandt und mit seinem Geist ausgerüstet hat. Es ist auch unser Weg als Christen heute, sodass wir uns um ein versöhntes, geklärtes Miteinander mit unseren Mitmenschen bemühen  im Vertrauen auf Gottes guten Geist, der uns dabei hilft.

[Der Heilige Geist stärkt die verängstigten Jünger und die verfolgten johanneischen Gemeinde]
Liebe Gemeinde, bleiben wir noch einen Moment bei den Jüngern: was war das eigentlich für ein Kreis, der da ver-sammelt war, als Jesus zu ihnen kam? Waren das völlig überzeugte, tapfere Bekenner, die Jesus bis zum Ende, zum Kreuz auf Golgatha gefolgt waren? Mitnichten! Aus Angst hatten sich die Jünger versteckt und alle Türen verrammelt und verbarrikadiert! 

Angefochten, verängstigt, manche von Zweifeln befallen waren die Freunde Jesu nach seinem dramatischen Kreuzestod, der sie kopf- und führungslos gemacht hatte. Sie waren zutiefst unsicher, was jetzt aus ihnen werden sollte, ohne ihren Herrn. Besorgt um ihr eigenes Schicksal sahen sich die Jünger an Leib und Leben bedroht und in der Gefahr der Verfolgung durch die ihnen feindlich gesinnte Menge in Jerusalem, die den brutalen Justizmord an Jesus nicht nur gut-geheißen, sondern regelrecht gefordert hatte. 

Darum ruft Jesus seinen beunruhigten Freunden gleich zweimal beruhigend zu: „Friede sei mit euch!“ Sodann zeigt er sich ihnen als der Gemarterte, der die Kreuzigungs-male an sich trägt. Aber offensichtlich war seine Gestalt nicht mehr die gleiche wie vor Ostern, sondern sein Leib war verwandelt, wie eine Lichtgestalt, die plötzlich mitten unter den Jüngern erscheint, obwohl die Türen verschlossen waren. Der Jesus vor Ostern, vor der Kreuzigung und der Jesus nach Ostern – es ist derselbe Jesus, aber in anderer Gestalt. Und selbst in dieser Gestalt, in der er den Aposteln erschienen ist, wird er nicht auf der Welt bleiben, sondern sie wieder verlassen und zu seinem himmlischen Vater gehen. Was aber bleiben wird, ist sein guter und heiliger Geist, den er dalässt für immer. 

Liebe Gemeinde, was ist das für ein Geist? Und ist er noch in der Welt? Wodurch zeichnet er sich aus? Wie wirkt er? An anderer Stelle im Johannesevangelium wird er „Parakletos“, also Tröster genannt, der in allen kommenden Anfechtungen auch wie ein Anwalt stellvertretend für sie eintritt. So bleibt der gute Geist, den Jesus den Jüngern gibt, bei ihnen und wirkt in ihnen, sodass sie wieder Mut fassten und schließlich zu mutigen Glaubenszeugen und Boten der guten Nachricht wurden. 

Und dieser Geist Gottes wirkt bis heute! Und wir sind als Christinnen und Christen in der Nachfolge Jesu beauftragt, mitzubauen an seiner Kirche mitten in der Welt, wie sie ist und uns dabei von Gottes gutem Geist tragen, leiten, trösten und stärken zu lassen. Darum feiern wir Christen Pfingsten, das Fest des Heiligen Geistes, den Geburtstag der Kirche, um uns für unseren Auftrag in der Welt zurüsten und ermutigen zu lassen. -  Nicht dass wir dabei ohne Fehl und Tadel wären, sondern als Gemeinschaft von fehlbaren Menschen; gläubig, aber nicht immer stark im Glauben, sondern mitunter ziemlich schwach.

So ging es schließlich auch der johanneischen Gemeinde, an die das Johannesevangelium ursprünglich gerichtet war: auch sie war eine angefochtene Gemeinde in einer ihr feind-lich gesinnten Umwelt, die sich gefragt hat: Wie können wir an Jesus Christus glauben? Was ist das verlässliche Funda-ment unseres Glaubens? Was trägt uns? Was bedeutet der Glaube an Jesus für uns und unser Tun, Handeln und Reden in dieser Welt? Woran machen wir ihn fest? 

Die Antwort des Evangelisten war: Zum einen an dem, was Jesus als Botschaft über sich selbst hinterlassen hat. Dafür stehen im Johannesevangelium ganz prominent die sog. „Ich bin-Worte“ Jesu, sein Selbstzeugnis, das wie eine Selbstcharakterisierung und ein Vermächtnis klingt:  „Ich bin der gute Hirte, der sein Leben für seine Schafe lässt“; das „Brot, das vom Himmel gekommen ist“, das „Licht der Welt“; die „Tür zum Vater“, „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ und der „wahre Weinstock.“ 

Die zweite Antwort im Evangelium ist: wir können uns als Christen darauf verlassen, dass Jesu in seiner Gemeinde weiterwirkt durch seinen guten Geist. Kein Glaube ohne Gottes Geist, den Jesus uns weitergegeben hat! Und kein christliches Bekenntnis, das nicht von diesem Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit getragen wird. Nur so ist es möglich, dass Menschen auch in Zweifeln und unter Anfechtung ihrem Glauben treu zu bleiben vermögen. - So wie die Jünger damals in Jerusalem und die Gemeinde zur Zeit des Evangelisten Johannes. 

[Gottes guter Geist wirkt auch heute!]
Liebe Gemeinde, stehen wir, als Christinnen und Christen in der Nachfolge Jesu heute, nicht eigentlich vor den gleichen Fragen wie die angefochtene johanneische Gemeinde damals? Was ist geblieben von Jesus 2000 Jahre nach seinem Erdenleben? Was verbindet uns mit ihm? Was hält uns in Gemeinschaft mit ihm und miteinander? Und was ist unser Auftrag als Glieder am einen Leib Christi, als Kirche Jesu Christi in der Welt des 21. Jahrhunderts? Wie halten wir unseren Glauben durch unter dem Druck, den wir von außen spüren und bei dem rauen Wind der zunehmenden Säkularisierung, der uns gesellschaftlich entgegenbläst?

Was mich „dranhält“ am Glauben, ist das feste Vertrauen, dass Gott da ist durch seinen guten und barmherzigen Geist, der mich hält und trägt im Leben. Es ist derselbe tröstliche Geist Gottes, der auch ein Geist der Kraft, der Wahrheit und der Besonnenheit ist und für Licht und Klarheit steht. Er lässt unsere Verbundenheit mit Gott und mit Jesus nicht abreißen lässt, ja sogar regelrecht begeistern kann! Wenn er sein „heiliges Feuer“ entzündet, wird es allezeit Christen geben, die für die Sache Jesu brennen und auch bei gesellschaftlichem Gegenwind für sie einstehen.

Liebe Brüder und Schwestern, klar, auch uns geht es vielleicht bisweilen wie dem ungläubigen Thomas - die Szene, die auf unseren Predigttext unmittelbar folgt: wir wollen sehen, um glauben zu können. Wir verlangen materielle Beweise für den Glauben und stellen Jesus sogar auf die Probe. Auch wir müssen darum wie Thomas, der Zweifler, lernen: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“

Auch nicht jeder von uns hat so ein intensives Gefühl der Nähe zu Jesus wie der Lieblingsjünger in der Szene direkt vor dem Predigttext, der zusammen mit Petrus zur Grabstätte Jesu eilt. Wer ist schon so sehnsüchtig suchen im Glauben wie Maria Magdalena, die Jesus verzweifelt an der Grabstelle sucht und dann - ausgerechnet als Frau! -  zur ersten Auferstehungszeugin wird und freimütig sagen kann: „Ich habe den Herrn gesehen.“ 

Wem bin ich in meinem Glauben am ähnlichsten? Dem Lieblingsjünger, der diese besondere Jesusliebe hat? Maria, die Jesus anders gefunden hat als sie ihn gesucht hatte oder wie der zweifelnde Thomas, dem es schwerfällt zu glauben ohne Beweise zu haben? 

Wer ist Jesus für mich? Wie kann ich an ihn glauben, auch wenn ich ihn nicht sehe? Wie kann ich mich zu meinem Glauben bekennen, auch wenn in mir manche Zweifel sind? Die Fragen sind die gleichen geblieben, aber auch die Antwort ist die gleiche: „Nehmt hin den Heiligen Geist!“ – Das sagt Jesus auch zur dir und zur mir, zu allen, die sich an ihn halten. Gottes guter Geist geht allezeit mit – mit seiner Kirche und mit uns. Er trägt uns; er hält uns als Christen in Verbundenheit miteinander, mit Jesus und mit Gott, unserem himmlischen Vater. „Nehmt hin den Heiligen Geist!“ - Das gilt nicht nur heute, an Pfingsten, dem „Fest des Heiligen Geistes“, sondern auch morgen und an allen Tagen.

AMEN

Verfasserin: Pfarrerin Anke Andrea Rheinheimer, Nünschweiler

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Verwendete Literatur:

  • Berger, Klaus, Kommentar zum Neuen Testament, Gütersloh, 2. Auflage 2012
  • Hahn, Horst, Aus Jerusalem für alle Welt. Eine Einführung in das Neue Testament, Speyer 2017
  • Schulz, Siegfried, Das Evangelium nach Johannes (NTD Bd. 4), Berlin 1975
  • The Jewish annotated New Testament. New Revised Standard Version, hg. von Amy-Jill Levine und Marc Zvi Brettler, New York 2011

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