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Die Kirche in der Welt

von Barbara Alt (35423 Lich)

Predigtdatum : 04.11.2018
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 23. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Römer 13,1-7
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Wochenspruch: "Dem König aller Könige und Herrn aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, dem sei Ehre und ewige Macht." (1. Timotheus 6, 15 b. 16 a.c)

Psalm: 33, 13 - 22

Lesungen

Reihe I: Matthäus 22, 15 - 22
Reihe II: Philipper 3, 17 (18-19) 20 - 21
Reihe III: Johannes 15, 18 - 21
Reihe IV: Römer 13, 1 - 7
Reihe V: Matthäus 5, 33 - 37
Reihe VI: 1. Mose 18, 20 - 21. 22 b - 33
Ergänzend Apostelgeschichte 5, 17 - 29

Liedvorschläge

Eingangslied: EG+35, 1 – 4 oder EG 334, 1 – 6 Kommt herbei, singt dem Herrn Danke für diesen guten Morgen
Wochenlied: EG 275, 1+3-4 In dich hab ich gehoffet, Herr
Predigtlied: EG 133, 7 – 8 + 10 Zieh ein zu deinen Toren
Schlusslied: EG 421 Verleih uns Frieden gnädiglich

Predigttext Römer 13, 1 – 7

Das Verhältnis zur staatlichen Gewalt

1 Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet.

2 Darum: Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Anordnung; die ihr aber widerstreben, werden ihr Urteil empfangen.

3 Denn die Gewalt haben, muss man nicht fürchten wegen guter, sondern wegen böser Werke. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes, dann wirst du Lob von ihr erhalten.

4 Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht die Strafe an dem, der Böses tut.

5 Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen.

6 Deshalb zahlt ihr ja auch Steuer; denn sie sind Gottes Diener, auf diesen Dienst beständig bedacht.

7 So gebt nun jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer gebührt; Zoll, dem der Zoll gebührt; Furcht, dem die Furcht gebührt; Ehre, dem die Ehre gebührt.

Liebe Gemeinde,

zwei Szenen aus dem wirklichen Leben mögen Sie und Euch einstimmen auf den heutigen Predigttext:

Unterwegs auf einer vielbefahrenen Bundesstraße – die Fahrzeugkolonne verlangsamt das Tempo, gerade jetzt, wo ich es so eilig habe! Wenige 100 m weiter ist klar, warum: Eine Polizeikontrolle winkt einzelne Verkehrsteilnehmer heraus. Was nun? Habe ich eine Geschwindigkeitsbeschränkung übersehen? Muss ich den Führerschein vorzeigen? Ich spüre meinen beschleunigten Herzschlag, fahre vorsichtig weiter – und, Gott sei Dank, vorbei. Kein Vertreter der Ordnungsmacht will etwas von mir. Ich habe keinen Rechtsbruch begangen, heute jedenfalls nicht.

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„In Anerkennung Ihrer Verdienste um die Förderung der Bildung im ländlichen Raum, für Ihre verantwortliche Mitarbeit in örtlichen Vereinen und Initiativen, in Würdigung Ihres bürgerschaftlichen Engagements verleihen wir Ihnen den Ehrenbrief des Landes Hessen!“ Der Ministerpräsident höchstselbst reicht dem Geehrten die Hand und übergibt die Urkunde. Ein Blick Richtung Kameras der Pressevertreter, ein strahlendes Lächeln – dann ist der feierliche Moment vorbei. Beifall der Gäste, Aufatmen. Diese staatliche Ehrung nach Jahrzehnten im Dienst der Allgemeinheit kann der Mittsechziger bei aller Bescheidenheit mitnehmen! Auch der Gemeindepfarrer gehört zu den Gratulanten.

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Wir hören den Predigttext aus Römer 13, 1 - 7

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Im Online-Lexikon Wikipedia findet sich folgende Erklärung:

Als Obrigkeit (lateinisch superioritas) wurden in hierarchisch organisierten Gemeinwesen seit dem späten Mittelalter bis in die Moderne hinein diejenigen Personen oder Institutionen bezeichnet, die rechtmäßig oder auch nur aufgrund eigener Anmaßung … die Herrschaft ausübten und die rechtliche und faktische Gewalt über die Untertanen besaßen. Die Untertanen schuldeten ihrer Obrigkeit Gehorsam.

Historisch unterscheidet man zwischen geistlicher und weltlicher Obrigkeit. Zur Ersteren gehörten die kirchlichen und religiösen Oberen, so etwa der Papst, die Bischöfe und die Äbte, aber auch evangelische Superintendenten. Der Pfarrer galt für seine Gemeinde ebenfalls als vorgesetzte Obrigkeit. Weltliche Obrigkeiten waren zum Beispiel Könige oder Fürsten, Inhaber von Grundherrschaften, aber auch die Räte in den Städten. Die Gewalt der Obrigkeit äußerte sich insbesondere in der Gerichtshoheit und der Vollmacht, Gesetze und Vorschriften zu erlassen, von den Untertanen Abgaben zu verlangen, Privilegien zu gewähren und Gefolgschaft im Krieg einzufordern. (…)

Kennzeichnend für den Untertanenstatus ist jedoch der Umstand, dass der Untertan sich seine Obrigkeit regelmäßig weder aussuchen kann noch bürgerliche Mitwirkungsrechte besitzt, die ihn aus sich heraus dazu berechtigen, auf ihre Handlungen und Verfügungen, selbst wenn sie ihn persönlich betreffen, Einfluss zu nehmen.

Aus diesem Grund erscheint der Ausdruck Obrigkeit heute nicht mehr angemessen, wenn er in Bezug auf Republiken oder andere Verfassungsstaaten verwendet wird, die die Gewaltenteilung kennen und deren politisches System auf dem Prinzip der Volkssouveränität beruht, also etwa in Bezug auf moderne demokratische Rechtsstaaten. (…) Die fraglose Anerkennung gesellschaftlicher und politischer Hierarchien und die unbedingte Unterwerfung unter tatsächlich oder vermeintlich höhergestellte Personen oder Institutionen („Autoritäten“) wird auch als Obrigkeitsdenken oder Obrigkeitshörigkeit bezeichnet. Ein übertriebenes Vertrauen auf die Handlungen und Maßnahmen der Regierenden (nach dem Motto „Sie werden es schon richten“) bezeichnet man als Obrigkeitsglauben.

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Ein fiktiver Brief:

Lieber Paulus,

welche staatstragenden Worte hast Du uns hinterlassen, die weitreichende Folgen hatten! Dabei stimmten schon damals im Römischen Reich Theorie und Praxis nicht überein. Machtstreben, Korruption und Amtsmissbrauch gab es seitdem keinesfalls nur in den sogenannten „Bananenrepubliken“, sondern in (fast) jeder staatlichen Organisation. Solche Herrschaft als gottgegeben anzusehen – naja …

Natürlich verstehe ich, wo das herkommt: Jede Gemeinschaft von Menschen braucht Ordnung. Jemand muss über die Einhaltung von Regeln wachen und die Beachtung von Gesetzen gewährleisten. Die 10 Gebote hat das Volk Israel als göttliches Gesetz verstanden und fühlte sich, je länger, je mehr, nach der Wüstenwanderzeit auf ein geordnetes Staatswesen mit einem König an der Spitze angewiesen. Der musste sich dem göttlichen Gebot unterstellen. Tat er das nicht, rief das die Propheten mit ihrem Einspruch im Namen Gottes auf den Plan.

Auch die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Mittelalter übten ihr Amt mit kirchlichem Segen aus und gründeten ihre Macht auf das Evangelium von Jesus Christus und die Gnade Gottes. Wo ihnen oder dem Papst als oberstem Repräsentanten der Kirche und Stellvertreter Gottes auf Erden dieser Bezug nur ein Mittel zum Zweck war, blieb Kritik oder Rebellion nicht aus. Martin Luther – das sei wenige Tage nach dem Reformationsfest zu sagen erlaubt – stieß sich an der unbiblischen Machtanmaßung des Papstes in Rom. Er verpflichtete die protestantisch gewordenen Landesfürsten ihrem christlichen Gewissen. Sein Verständnis von den zwei Reichen, dem geistlichen und dem weltlichen, beschreibt, welche Befugnisse die weltliche Herrschaft als Ordnungsmacht im christlichen Sinne hat. Dem moralischen Anspruch sind die Landesfürsten allerdings nur bedingt gerecht geworden.

Wie lobe ich mir nach Revolutionen und Unrechtsstaaten unsere bundesdeutsche Demokratie: Durch die Gewaltenteilung in die voneinander unabhängige Gesetzgebung im Parlament (Legislative), die Umsetzung im Staatswesen (Exekutive) und die Rechtsprechung der Gerichte (Judikative) ist eine gegenseitige Kontrolle eingebaut, die weitgehend funktioniert. Das Volk hat es durch Ausübung seines Wahlrechts in der Hand, wer die Richtlinien der Politik bestimmt. Es muss sich in Parteien organisieren, um politische Ideen umzusetzen. Ob dabei die Maßstäbe des christlichen Glaubens und Menschenbildes zum Tragen kommen, hängt nicht am C im Parteinamen. Vor Verführung durch Ideologien von rechts oder links sind wir nie sicher. Ich wünsche uns nicht, dass wir - wie in der NS-Zeit - zur „Bekennenden Kirche“ werden müssen, um als ChristInnen wahrhaftig zu bleiben, aber ich bin mehr denn je darauf gefasst. Gott bewahre uns und andere davor, sich mit „Tyrannenmord“ die Hände schmutzig machen zu müssen und helfe allen zu gewaltfreier Gegenwehr, wenn die Diktatoren unserer Zeit mutwillig gegen Menschenrechte und demokratische Grundsätze verstoßen! – Es grüßt Dich …

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In einer Predigtmeditation zum heutigen Sonntag (Predigtstudien 2017/2018, 2. Halbband, S. 232) steht folgende Neufassung des Predigttextes von Harald Schroeter-Wittke, erweitert um V. 8:

Jedermann sei ein Mitgestalter der Obrigkeit, deren Gewalt über ihn begrenzt ist. Denn es ist keine Obrigkeit von Gott. Wo aber Obrigkeit ist, ist sie von den Menschen gemacht. Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. Darum: Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widersetze sich ihr nur dann, wenn sie Gottes Anordnungen widerstrebt; die ihr aber widerstreben, werden ihr Urteil empfangen. Denn die Gewalt haben, muss man nicht fürchten wegen guter, sondern wegen böser Werke. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes, dann wirst du Lob von ihr erhalten. Denn sie ist Gottes Diakon, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht die Strafe an dem, der Böses tut. Darum ist es nötig, sich einzumischen und mitzugestalten, nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen. Deshalb zahlt ihr ja auch Steuern; denn sie stehen in Gottes Dienst. Seid stets darauf bedacht und gebt nun jedem, was ihr schuldig seid: Steuern, wem Steuern gebühren; Abgaben, wem Abgaben gebühren; Ehrfurcht, wem Ehrfurcht gebührt; Wertschätzung, wem Wertschätzung gebührt! Dann seid ihr niemandem etwas schuldig – außer einander zu lieben. Denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt.

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Einladung zur Selbstverpflichtung – für mich, für Dich, für Sie:

Der Straßenverkehrsordnung, der Steuergesetzgebung und allen parlamentarisch verabschiedeten und davon abgeleiteten rechtlichen Bestimmungen unterwerfe ich mich gerne. Sollten sie mir reformbedürftig erscheinen, setze ich mich für ihre Änderung auf geeignete Weise politisch ein, aber unterlaufe sie nicht.

Ich achte die Befugnisse von Polizei und staatlichen Behörden. Wo ich sie im Unrecht sehe, nutze ich die gegebenen Be-schwerdemöglichkeiten. Es kann nicht sein, dass Polizei- und Rettungskräfte oder Beamte und Angestellte staatlicher Einrichtungen bedroht, verletzt oder an der Ausübung ihres Dienstes mit Gewalt gehindert werden. Blitzer an den Straßen und Überwachungskameras auf öffentlichen Wegen und Plätzen werden nur verschwinden, wenn sich niemand gesetzeswidrig verhält – über die Verhältnismäßigkeit im Einzelnen lässt sich ja demokratisch streiten.

Ich achte und anerkenne, wie Menschen sich in Beruf und Ehrenamt für andere einsetzen, oft bis an die Grenzen ihrer Kraft. Ich sage für scheinbar Selbstverständliches auch einmal Danke! Meine Achtung gilt ausdrücklich auch denen, die sich auf unterschiedlichen Ebenen politisch betätigen – als Stadtverordnete, als Kreis- und Landtagsabgeordnete, als ParlamentarierInnen im Bundestag, als BürgermeisterInnen, LandrätInnen, MinisterpräsidentInnen, Landes- und BundesministerInnen und als Kanzlerin und Bundespräsident. Persönliche Angriffe und Verunglimpfungen in sozialen Netzwerken sind kein Mittel zur Auseinandersetzung; die offene Bühne von Veranstaltungen, Chatrooms oder sachliche Einwände durch Briefe, Mails oder Einträge in Online-Foren bieten genügend Möglichkeiten zur Meinungsäußerung. Als ChristIn, die oder der im Zweifelsfall Gott mehr gehorcht als den Menschen, bin ich in erster Linie der Nächstenliebe verpflichtet – und das ist nicht blauäugig, sondern vor allem realistisch, wenn wir uns ein geordnetes Miteinander wünschen. Amen

Verfasserin: Dekanin Barbara Alt, Ludwigsburg 1, 35423 Lich


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