Menü

Die Krone des Lebens

von Ingrid Volkhardt-Sandori (35447 Reiskirchen)

Predigtdatum : 15.11.2015
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : Matthäus 25,31-46
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:
„Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“ (2. Korinther 5, 10)
Psalm: 50, 1.4 – 6.14 – 15.23

Lesungen
Altes Testament: Jeremia 8, 4 – 7
Epistel: Römer 8, 18 – 23 (24 – 25)
Evangelium: Matthäus 25, 31 – 46

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 432 Gott gab uns Atem
Wochenlied: EG 147 oder EG 149 Wachet auf, ruft uns die Stimme Es ist gewisslich an der Zeit
Predigtlied: EG 638 Ich lobe meinen Gott
Schlusslied: EG 610 Herr, deine Liebe ist wie Gras

Predigttext: Matthäus 25, 31 - 46
Vom Weltgericht


31 Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit,

32 und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet,

33 und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken.

34 Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!

35 Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.

36 Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.

37 Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben, oder durstig und haben dir zu trinken gegeben?

38 Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen, oder nackt und haben dich gekleidet?

39 Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?

40 Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.

41 Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!

42 Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben.

43 Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht.

44 Dann werden sie ihm auch antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient?

45 Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan.

46 Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.

Predigt

Liebe Gemeinde,
diesen Text kann ich kaum ruhig anhören oder durchlesen. Als Kind habe ich die Prophezeiung vom Weltgericht in einer Kinderbibel gelesen, und aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Dieser Text ist eine Zumutung für Kinder, er macht ihnen Angst. Ich würde keinem Kind dieser Erfahrung wün-schen.

Warum nicht?

Der Menschensohn sitzt als Richter hoch auf seinem Thron, umgeben von einem Hofstaat aus Engeln, vor ihm die Menschheit wie eine Herde Schafe.
Mit einem Blick durchschaut er jeden einzelnen von ihnen und sortiert aus: Die Bösen nach links, die Guten nach rechts.

Als Kind war ich überzeugt: Ich hätte hier keine Gnade gefunden, ich würde zu den Bösen gehören, die ewige Pein, ewiger Schmerz und ewiges Elend erwartet. Sie würden in ein Gefängnis geworfen, so grausam, wie es sich kein Mensch, keine Polizei, kein Staat ausdenken kann.

Wenn ich einem Kind diese Geschichte erzählen müsste und ihm erklärte: „Du brauchst keine Angst zu haben, du wirst nicht zu den Bösen gezählt, du kommst zu den Guten ins Paradies, ins Himmelreich - würde das wohl helfen?

Es würde das Kind lehren, kein Mitleid zu haben - mit de-nen, die auf ewig verdammt sind. Nur dann könnte es sich guten Mutes auf das Himmelreich freuen.

Einem Kind würde ich diese Geschichte also nicht zumuten. Auch Ihnen und mir wollte ich diese Darstellung des Jüngsten Gerichts eigentlich ersparen. Ich haben mich dann doch anders entschieden – denn vielleicht geht es Ihnen ja ganz ähnlich wie mir, wenn Sie dieser Geschichte begegnen, wenn Sie sich hineindenken in das Bild des Endgerichts, wenn Sie sich vorstellen, Sie gehörten zu der Herde aus Schafen und Böcken, genannt: Die Menschheit.

Vielleicht leiden Sie auch unter der Vorstellung der ewigen Pein – und es ergreift Sie Mitleid mit denen, die dazu be-stimmt sind. Diese Geschichte, an der vieles so klar und lo-gisch erscheint, ist bei näherem Hinsehen widerspenstig und kaum zu verstehen.

Deshalb ist sie auch oft missverstanden worden. Darum mu-te ich sie Ihnen (und mir) zu. Vielleicht ist in dieser Vision etwas zu finden, das uns die Angst nimmt, vielleicht etwas, das einen heilsamen Schrecken erzeugt.

Der heilsame Schrecken könnte darin liegen: Die Vision vom Endgericht zeigt uns, dass wir sündigen können, dass wir das Leben verfehlen können, wenn wir etwas nicht tun. Das unterscheidet dieses Gericht von anderen Gerichten.

Normalerweise werden Täter für etwas bestraft, das sie ge-tan haben. Die Menschen in unserer Gerichtsszene werden aber bestraft, weil sie etwas unterlassen haben.

Die Kirche hat bei dieser Anklage ihren Platz nicht bei den Staatsanwälten und schon gar nicht auf dem Richterstuhl. Die Kirche gehört in diesem Gericht mitten unter die Herde aus Schafen und Böcken, genannt: Die Menschheit. Sie muss sich immer fragen, ob sie für die Menschen da ist, die im Endgericht als Zeuginnen und Zeugen auftreten: Die Obdachlosen, die Hungrigen, die Durstigen, die Fremden. Von uns Christinnen und Christen kann keine und keiner Jüngstes Gericht spielen, niemand von uns sitzt auf dem Richterstuhl.

Wir richten nicht über die Menschheit - das ist eine heilsame Erkenntnis aus dieser schrecklichen Geschichte. Und: Es sind ganz einfache Dinge, die wir in den Augen des Welt-richters tun können. Den Hungrigen zu essen, den Durs-tigen zu trinken geben, die Traurigen trösten. Das ist die andere heilsame Erkenntnis.

Die Vision vom Endgericht ist grausam und erschreckend – sie fordert uns heraus, dass wir ihr standhalten und uns nicht den Mut nehmen lassen, und dass wir darüber auch nicht selbstgerecht werden. An dieser Stelle möchte ich darüber nachdenken, wer das eigentlich ist, der hier zu Ge-richt sitzt. Mit wem haben wir es da zu tun?

„Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, was ihr einer meiner geringsten Schwestern getan habt – das habt ihr mir getan.“

Der Bruder des Geringsten ist also der Menschensohn, der hier richtet. Auf seinem Thron in Herrlichkeit und zugleich bei dem Bettler auf der Straße, bei der syrischen Flücht-lingsfamilie im Haus nebenan, bei den Kranken im Kran-kenhaus. In ihnen begegnen wir Schwestern und Brüdern, in ihren Gesichtern lesen wir Gottes Zuwendung zu uns, wir lesen darin Hoffnung und Enttäuschung. Wir tragen dazu bei, dass Gottes Gesicht schön und freundlich ist, denn sein Gesicht ist das der Menschen, mit denen wir leben, sein Gesicht ist das der Welt, die wir mitgestalten.

Dieser Menschensohn ist gar nicht fern von uns auf einem Thron, sondern neben uns. Gott ist menschlich, kommt als Mensch zur Welt – damit wir den Mut finden, uns wie Men-schen zu verhalten. Wir brauchen die Menschheit nicht ein-zuteilen in Böcke und Schafe, in Gute und Schlechte. Wir brauchen uns nicht zu belasten mit dem Gedanken, zu welcher dieser beiden Gruppen wir wohl gehören.

Es ist genug, wenn wir das Einfache tun: Anderen helfen, die unsere Hilfe brauchen. Die Angst vor dem himmlischen Richter, der uns beurteilt – sie ist eine schlechte und sicher keine christliche Ratgeberin.

Wohl aber brauchen wir ein waches Gewissen, einen Blick für die Schwachen. Und für die, die sich kümmern - für die Schwestern der Diakoniestation, wenn ihnen die Zeit für je-den Handgriff genau abgemessen wird, und das viel zu knapp. Für die Angestellten im Krankenhaus und im Alters-heim, wenn dort nur der Mangel verwaltet wird.

Unser Gewissen ist dann der Teil von uns, der es einfach nicht fassen kann, dass das normal sein soll. Die Vision vom Weltgericht ist unheimlich und dunkel. Deshalb ist sie z. B. für Kinder keine gute Möglichkeit, Gott kennenzulernen.

Erwachsene aber können durch sie zu Gott gelangen. Zu Gott, dem Bruder, der neben uns steht, der für uns ist, der dort ist, wo wir einander beistehen und helfen. So hat Jesus es vorgelebt bis zum Tod am Kreuz.

Dieser Gott sitzt nicht unbeteiligt auf seinem Thron über dem Weltgetümmel, sondern er entäußerte sich selbst, wie es im Brief des Paulus an die Gemeinde in Philippi heißt, er nahm Knechtsgestalt an. Er lebte wie ein Sklave unter uns.
Das lässt uns ertragen, dass er auch als Richter auftritt: Aber als Richter, der sich für uns interessiert. Er will nicht verurteilen. Er will retten.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.


Verfasserin: Pfarrerin Ingrid Volkhardt-Sandori
Oberdorfstraße 23, 35447 Reiskirchen

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de