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Die Krone des Lebens

von Eva Fitschen (Zschepplin)

Predigtdatum : 17.11.2019
Lesereihe : I
Predigttag im Kirchenjahr : Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : Hiob 14,1-6(7-12)13(14)15-17
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Wochenspruch: Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi. (2. Korinther 5,10a)

Psalm: 50,1-6.14–15.23

Predigtreihen

Reihe I: Hiob 14,1-6(7-12)13(14)15-17
Reihe II: Lukas 16,1-8(9)
Reihe III: 2 Korinther 5,1-10
Reihe IV: Lukas 18,1-8
Reihe V: Matthäus 25,31-46
Reihe VI: Römer 14,(1-6)7-13

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 149 Es ist gewisslich an der Zeit
Wochenlied: EG 347 Ach, bleib mit deiner Gnade oder EG 378 Es mag sein, dass alles fällt
Predigtlied: EG 488 Bleib bei mir, Herr
Schlusslied: EG 157 Lass mich dein sein und bleiben

Predigttext Hiob 14,1-6(7-12)13(14)15-17

1 Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe,
2 geht auf wie eine Blume und welkt, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.

3 Doch du tust deine Augen über einen solchen auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehst.
4 Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer!
5 Sind seine Tage bestimmt, steht die Zahl seiner Monde bei dir und hast du ein Ziel gesetzt, das er nicht überschreiten kann:
6 so blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.
7 Denn ein Baum hat Hoffnung, auch wenn er abgehauen ist; er kann wieder ausschlagen, und seine Schösslinge bleiben nicht aus.
8 Ob seine Wurzel in der Erde alt wird und sein Stumpf im Staub erstirbt,
9 so grünt er doch wieder vom Geruch des Wassers und treibt Zweige wie eine junge Pflanze.
10 Stirbt aber ein Mann, so ist er dahin; kommt ein Mensch um – wo ist er?
11 Wie Wasser ausläuft aus dem See, und wie ein Strom versiegt und vertrocknet,
12 so ist ein Mensch, wenn er sich niederlegt, er wird nicht wieder aufstehen; er wird nicht aufwachen, solange der Himmel bleibt, noch von seinem Schlaf erweckt werden.
13 Ach dass du mich im Totenreich verwahren und verbergen wolltest, bis dein Zorn sich legt, und mir eine Frist setzen und dann an mich denken wolltest!
14 Meinst du, einer stirbt und kann wieder leben? Alle Tage meines Dienstes wollte ich harren, bis meine Ablösung kommt.
15 Du würdest rufen und ich dir antworten; es würde dich verlangen nach dem Werk deiner Hände.
16 Dann würdest du meine Schritte zählen und nicht achtgeben auf meine Sünde.
17 Du würdest meine Übertretung in ein Bündlein versiegeln und meine Schuld übertünchen.

Liebe Gemeinde,

die Geduld Hiobs ist fast sprichwörtlich geworden. So vieles musste er erdulden – sein ganzer Reichtum ging verloren, er wurde schwerst krank und alle seine Kinder sind ihm weggestorben. Hiob aber hat es hingenommen. Er hat es angenommen als von Gott gegeben. Manche von Ihnen werden den Satz kennen: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen. Der Name des Herrn sei gelobt.“ Das hat Hiob gesagt, als angesichts all des Schrecklichen, das Hiob widerfahren ist, seine Frau ihn fragte: Hältst du immer noch fest an deinem Glauben?

Wir hören heute von Hiob. Allerdings: so sehr geduldig scheint er in diesem Abschnitt des Hiobbuches, aus dem der heutige Predigttext kommt, dann doch nicht zu sein. Einfach hingenommen hat er nicht, was ihm, so seine feste Glaubensüberzeugung, von Gott auferlegt wurde. Vielmehr setzt er sich mit Gott und dessen Handeln auseinander. Er will verstehen. Und er will, dass Gott ihn endlich in Ruhe lässt. Hören Sie zunächst die ersten sechs Verse aus dem 14. Kapitel des Hiobbuches:

„Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht. Doch du tust deine Augen über einen solchen auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehst. Kann wohl ein Reiner kommen vom Unreinen? Auch nicht einer! Sind seine Tage bestimmt, steht die Zahl seiner Monde bei dir und hast du ein Ziel gesetzt, das er nicht überschreiten kann: so blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie Tagelöhner freut.“ (Hiob 14, 1 - 6) 

Hiob erinnert Gott hier zunächst an dessen Schöpferwillen: Du hast den Menschen als ein endliches Wesen geschaffen. Du hast ihn mehr oder weniger gut auf dieser Erde leben lassen. Nach kurzer Zeit ist dieses Leben zu Ende. Kurz zusammengefasst: „Das Leben ist kurz und heftig und endet tödlich.“

Dann will Hiob von Gott wissen, warum er sich überhaupt so sehr mit ihm beschäftigt „Doch du tust deine Augen über einen solchen auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehst.“ (Hiob 14, 3) Hiob fragt: Warum tust du mir und dir das eigentlich an? Wer bin ich denn schon, ich armes Erdenwürmchen? Warum lässt Du mich nicht endlich in Ruhe? Ich will doch nichts weiter als mein Leben zu Ende leben und dann endlich sterben.

Hiob versteht Gott nicht. Obwohl er im besten Sinne des Wortes ein frommer Mann war, nach Gottes Willen und Geboten gelebt hat, erfährt er so viel Leid. Damit, so argumentiert er, könnte es doch nun endlich ein Ende haben. Lass mich doch sterben. Das ist doch sowieso dein Schöpferplan für uns Menschen! Hiobs Geduld scheint hier am Ende zu sein.

Seine Geduld vielleicht, nicht aber sein tiefer Glauben daran, dass alles aus Gottes Hand kommt. Daran lässt Hiob keinen Zweifel – es kommt alles aus Gottes Hand, das Schöne und das Schwere. Und er nimmt es alles aus Gottes Hand, auch wenn er nicht verstehen kann, warum er so viel Leid erfahren muss. Er bittet Gott dennoch nicht darum, dass er ihm weniger zumutet, nicht darum, dass er ihn wieder gesundwerden lässt, nicht darum, dass er nach all den vielen traurigen Erlebnissen wieder Beglückendes erleben darf. Worum er bittet, ist, dass Gott ihn in Ruhe lassen soll, dass nicht noch mehr kommen möge und dass er sterben darf. „So blicke doch weg von ihm, (dem Menschen), damit er Ruhe hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.“ (Hiob 14, 6)  

Hiob hat, so scheint es, die Vorstellung, dass, wenn Gott wegschaut, dass dann Ruhe ist. Dann würde Gott ihn nicht mit Gutem beglücken können und ebenso wenig mit Schwerem plagen können. Dann könnte er unbehelligt auf seinen Tod warten.

Gott möge wegschauen. – Mir ist diese Vorstellung fremd, gar nicht geheuer. Gott schaut weg. Er sieht mich nicht mehr. Er sieht nicht mehr nach mir. Das empfinde ich nicht als Entlastung, sondern eher als etwas Bedrohliches. Gott kümmert sich nicht mehr; nicht mehr um mich, nicht mehr um die Menschen in dieser Welt. Wir sind ganz auf uns allein gestellt. Ich kann mich nicht mehr an ihn wenden, nicht, wenn ich traurig, wütend oder hilflos bin, und auch nicht, wenn ich froh, glücklich oder dankbar bin. Ich kann Gott nicht mehr um Verzeihung bitten, ich kann ihm nicht mehr sagen, wie schlecht es mir geht und ich kann mich auch nicht mehr bei ihm bedanken. Das befremdet mich.

Für Hiob scheint das aber eine gute Lösung zu sein, um mit seinem schweren Schicksal fertig zu werden. Denn er kann dennoch nach vorn sehen, sozusagen über den Tod hinaus, auch wenn er natürlich keine christliche Auferstehungshoffnung kennt.

Wie Hiob es sich vorstellt, darauf geben die letzten Zeilen unseres Predigttextes eine Antwort. Hören Sie, was Hiob zu Gott sagt:

„Ach, dass du mich im Totenreich verwahren und verbergen wolltest, bis dein Zorn sich legt, und mir eine Frist setzen und dann an mich denken wolltest! Du würdest rufen und ich dir antworten; es würde dich verlangen nach dem Werk deiner Hände. Dann würdest du meine Schritte zählen und nicht achtgeben auf meine Sünde. Du würdest meine Übertretung in ein Bündlein versiegeln und meine Schuld übertünchen.“ (Hiob 14, 13.15 - 17)

Wie vertrauensvoll kann Hiob hier mit Gott reden! Keine Rede mehr davon, dass er ihn nicht ansieht, dass die Verbindung zwischen ihm und Gott abgebrochen ist. Ganz im Gegenteil – nach dem Tod, dessen ist sich Hiob ganz sicher, wird alles gut werden. Gott wird sich liebevoll um ihn kümmern und ihm seine Schuld vergeben. All das, was in seinem Leben nicht mehr gut ist, sein Leid, seine Trauer, sein Bedürfnis, aus Gottes Blickfeld zu entkommen, all das wird durch den Tod überwunden. Und das gibt ihm Hoffnung. Das hilft ihm, geduldig zu warten, bis er sein Leben beenden kann. Dass er dann doch recht ungeduldig darum bittet, dass das nicht mehr allzu lange dauern möge, ist ja gut zu verstehen.

Und nun rückt mir Hiob mit seiner Vorstellung von Leben und Tod, von Leid und Überwindung des Leides wieder ein ganzes Stück näher.

Auch ich kenne Menschen, die wissen, dass es in ihrem Leben nicht mehr gut wird. Der Tod eines Kindes oder eines anderen geliebten Menschen wirft einen großen dunklen Schatten auf ihr Leben. Sie haben gelernt, mit der Trauer und dem Schmerz zu leben. Sie haben diese schwere Last angenommen, oft ganz bewusst aus Gottes Hand. Sie bitten Gott, ihnen die Kraft zum Weiterleben zu geben. Aber sie bitten auch darum, bald selbst aus diesem Leben gehen zu dürfen.

Andere sind so schwer erkrankt, dass Heilung nicht mehr möglich ist. Jeden Tag wird das Leben beschwerlicher, jeden Tag werden die Schmerzen mehr und die guten Momente weniger. Sie klagen Gott ihr Leid, sie bitten ihn um Kraft, auszuhalten. Und sie bitten ihn, durch den Tod von ihrem Leid erlöst zu werden.

Das sind Menschen, die sich im Leben auf ihren Gott verlassen und auch den Tod und „die Zeit danach“ getrost aus seiner Hand nehmen. Hier scheint mir eine große Nähe zu Hiob zu sein. Auch er nimmt alles, was ihm im Leben und im Tod und danach begegnet, aus Gottes Hand an.

„Leben wir, so leben wir dem Herrn. Sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, ob wir leben oder sterben, wir gehören dem Herrn.“ So hat es Paulus an die Gemeinde in Rom geschrieben. So glauben wir es als Christen. Gott begleitet uns im Leben und im Sterben und er nimmt uns nach unserem Leben hier auf der Erde in sein Reich auf.

Hiob ist kein Christ. Er ist gläubiger Jude. Er kennt Christus nicht als den Messias, der gekommen ist und die Menschen mit Gott versöhnt hat; den Gott als ersten von den Toten auferweckt hat, wodurch uns verheißen ist, dass auch wir einmal von den Toten auferstehen werden.

Nein, so glaubt Hiob nicht. Aber er hat ein tiefes Vertrauen in Gott, von dem er alles empfängt – sein Leben, alles, was ihm während dieses Lebens begegnet, und den Tod und alles, was danach folgt. Er hat die Kraft, sich immer wieder mit Gott auseinanderzusetzen, zu fragen, zu klagen, zu bitten. Darin möchte ich ihn mir gern zum Vorbild nehmen und mir etwas abschauen von seiner Ausdauer und auch von seiner Geduld.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen

Fürbittengebet

Ewiger,
Gott der Lebenden und der Toten,
überfließend von Liebe,
du heilst,
du tröstest,
bei dir hat der Tod keine Macht.
Wir erinnern uns an die Toten der Kriege.
Wir spüren die Wunden,
sehen auf die Narben und
hoffen auf Versöhnung.
Heile die Erinnerungen
und schaffe deinem Frieden Raum.
        Ewiger, Gott der Lebenden,
        erbarme dich.

Wir erinnern dich, du Ewiger,
an unsere Glaubensgeschwister und die vielen anderen,
die um ihres Glaubens willen verfolgt werden auf der ganzen Welt,
wir sehen auf ihre Not
und hoffen auf Bewahrung.
Heile die an Leib und Seele Verwundeten
und nimm alle Verfolgten und Gefolterten unter deinen Schutz.
        Ewiger, Gott der Lebenden,
        erbarme dich.

Wir erinnern uns vor dir an die Menschen,
die schutzlos dem Dunkel dieser Tage ausgeliefert sind.
Wir sehen, wie sie trauern,
teilen ihre Ängste
und hoffen auf Licht und Trost.
Heile die von Zweifel und Trauer Belagerten
und wische alle Tränen ab.
        Ewiger, Gott der Lebenden,
        erbarme dich.

Wir erinnern dich, Barmherziger, an deine Kirche,
an die Liebe und den Glauben deiner Menschen.
Wir sorgen uns um die Zukunft der Gemeinden,
bitten um Glauben für unsere Kinder
und hoffen auf deine Treue.
        Ewiger, Gott der Lebenden und Toten,
        Schöpfer, Erlöser und Tröster,
        dir vertrauen wir uns und alle, die zu uns gehören, an
        und bitten:
        Erbarme dich.

Amen 

(abgewandeltes Wochengebet der VELKD, 11.11.2018)

Verfasserin: Pfarrerin Eva Fitschen, Am Dorfplatz 9, 04838 Zschepplin


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