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Die Krone des Lebens

von Claudia Sattler (35745 Herborn)

Predigtdatum : 15.11.2020
Lesereihe : II
Predigttag im Kirchenjahr : Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : Lukas 16,1-8(9)
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Wochenspruch: Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi. (2. Korinther 5,10a)

Psalm: 50,1-6.14–15.23

Predigtreihen

Reihe I: Hiob 14,1-6(7-12)13(14)15-17
Reihe II: Lukas 16,1-8(9)
Reihe III: 2 Korinther 5,1-10
Reihe IV: Lukas 18,1-8
Reihe V: Matthäus 25,31-46
Reihe VI: Römer 14,(1-6)7-13

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 454 Auf und macht die Herzen weit
Wochenlied: EG 378 Es mag sein, dass alles fällt
Predigtlied: EG 614 Lass uns in deinem Namen Herr, die nötigen Schritte tun
Schlusslied: EG 289 Nun lob, mein Seel, den Herren

Predigttext Lukas 16, 1 - 8 (9)

Vom ungerechten Verwalter

1 Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz.
2 Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein.
3 Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln.
4 Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde.
5 Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig?
6 Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig.
7 Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig.
8 Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.
9 Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.

Liebe Gemeinde,

manchmal frage ich mich schon, wie ich wohl reagiert hätte, wenn ich Jesus selbst getroffen hätte. Wie wäre es gewesen, ihn tatsächlich reden zu hören, dabei zu sein, wenn er heilt und Wunder tut oder Streitgespräche führt. Wo hätte ich gestanden, wenn ich damals dabei gewesen wäre? Hätte ich bei denen gestanden, die Jesus bewundert haben? Die gemerkt haben, dass er ein ganz besonderer Mensch gewesen ist, dass er Gott so nah wie kein anderer war?
Oder hätte ich bei denen gestanden, die skeptisch waren, die Jesus immer wieder hinterfragt haben? Bei denen, die sich geärgert haben über das, was er gesagt und getan hat? 

Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, wie sehr ich mich schon daran gewöhnt habe, was ich in der Bibel über Jesus lese. Sätze wie „Liebt eure Feinde“ (Lk 6, 27) schockieren mich kaum noch. Sie sind mir schon viel zu vertraut, um mich ernsthaft herauszufordern. Beim Predigttext heute ist es allerdings anders. Über ihn bin ich noch nicht so oft gestol-pert. Er steht im Lukasevangelium, Kapitel 16:

Lesen von Lukas 16, 1 - 9 (Ich empfehle die Übersetzung der Basisbibel)

Und da stehe ich auf einmal doch neben Jesus und würde gerne mit ihm darüber reden. Denn das kann doch nicht sein Ernst sein. Da wird der, der die Bücher fälscht, noch gelobt?! Hat Jesus vielleicht einen Witz gemacht? Oder ist das jetzt der Aufruf an alle, zu betrügen und die Steuererklärung zu fälschen? Nein, das kann ja eigentlich nicht sein, denn wir sollen doch dem Kaiser geben, was dem Kaiser zusteht, und Gott, was Gott zusteht (Lk 20,25).

Das Gleichnis von dem klugen und betrügerischen Verwalter fordert mich heraus. Und ich freue mich, dass ich nicht die Erste bin, der es so geht. Schon die Verfasser von ganz frü-hen Abschriften des Gleichnisses haben sich an der Reaktion des Herrn gestoßen. Sie haben den Text umgeschrieben oder als Frage formuliert. Und nicht nur die, die den Text abge-schrieben haben, sondern auch viele  Ausleger haben sich in den Jahren schwer getan mit diesem Gleichnis. Die Reaktion des Herrn provoziert Fragen und Widerspruch. Jesus hat es hier also mal wieder geschafft, seine Hörer und Hörerinnen herauszufordern – und mich auch. Ein Schlag ins Gesicht für alle ehrlichen, pflichtbewussten und gottesfürchtigen Menschen?!

Schon damals hat das Gleichnis Empörung ausgelöst. Lukas erzählt davon. Er schreibt auf, wer Jesus damals wohl zu-gehört hat. „Alle Zolleinnehmer und andere Menschen, die ein Leben voller Schuld führten, kamen zu Jesus, um ihm zuzuhören. Die Pharisäer und Schriftgelehrten waren auch da und ärgerten sich darüber. ‚Mit solchen Menschen gibt er sich ab und isst sogar mit ihnen!‘“ (Lk 15, 1 - 2)

Sie standen beide da und hörten zu: Die Bewunderer und die Kritiker, die Schuldbeladenen und die Frommen, diejenigen am Rand und die, die meinten sie wären die Mitte. Und ich stehe jetzt irgendwie auch mit dabei – immer noch nicht ganz entschieden auf welcher Seite. Ich glaube, ich muss noch ein-mal zuhören, was Jesus da sagt. 

Er fängt an zu allen, die da stehen, zu reden. Und er erzählt vier Gleichnisse hintereinander. Das Gleichnis vom klugen und betrügerischen Verwalter ist das letzte davon. Zuerst erzählt Jesus vom verlorenen Schaf. Das kenne ich schon aus dem Kindergottesdienst: Gott freut sich mehr über einen mit Schuld beladenen Menschen, der sein Leben ändert, als über 99 Gerechte, die es nicht nötig haben, ihr Leben zu ändern. (Lk 15, 7). Dann erzählt er vom verlorenen Geldstück. Es wird gefunden und genauso freuen sich die Engel Gottes über einen mit Schuld beladenen Menschen, der sein Leben ändert (Lk 15, 10). Direkt anschließend erzählt er vom verlorenen Sohn: Wie ein Vater freut sich Gott, wenn der verlorene Sohn, der das Vermögen verschleudert hat, wieder nach Hause kommt. (Lk 15, 11 - 24)

Die drei Gleichnisse mag ich und kenne sie gut. Ich stelle mich zu denen, die sie auch gerne hören. Ich glaube, alle, die da schuldbeladen und am Rand gestanden haben, haben sich gefreut. Vielleicht haben sie zögerlich gelächelt oder vielleicht haben ihre Augen gestrahlt. Kaum zu glauben, dass für den, der mit den Schweinen gesessen hat, der also ganz unten war, ein tolles Fest gefeiert wird, dass er noch willkommen ist. Was für ein Gott!
Aber dann standen da auch die anderen, die Kritiker und Skeptiker und bei ihnen viele sehr ernsthaft fromme Men-schen, die die Arme vor der Brust verschränkt haben und die Stirn gerunzelt, die Augen starr auf Jesus gerichtet. Ich kann mir vorstellen, wie sie sich mit dem Bruder des verlorenen Sohns identifiziert haben müssen. Der ist nämlich stinksauer und neidisch: Ich bin hier treu und hart am Arbeiten, jeden Tag tue ich, was du von mir verlangst, aber der Tu-Nicht-Gut und der Vermögensverschleuderer bekommt jetzt ein Fest, oder was? Hat der gar nicht verdient! Ich rackere mich hier ab und bekomme nichts.“ (Lk 15,25 - 30)

Wer bekommt was und wieviel – heute immer noch ein Thema. Im Gleichnis sagt der Vater – also Gott: „Sei nicht neidisch. Schau, was du alles hast. Freu dich mit denen, die wieder gefunden und wieder lebendig sind.“ (Lk 15,31 - 32)

Vielleicht waren die ersten schon am Gehen. Das war schon harter Tobak. Viele der frommen und gottesfürchtigen Men-schen konnten wohl auch kaum noch zuhören. Und dann kommt das vierte Gleichnis: „Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Über den wurde ihm gesagt, dass er sein Ver-mögen verschwendete. Deshalb rief der Mann den Verwalter zu sich und sagte zu ihm: Was muss ich über dich hören? Lege deine Abrechnung vor! Du kannst nicht länger mein Verwalter sein.“

Aha, haben sich manche wohl gedacht. Jetzt kommt’s also doch noch. Schon wieder einer, der das Vermögen ver-schwendet. Aber dieses Mal gibt es kein Fest am Ende. So ist es richtig. Jeder trägt Verantwortung und hat damit sorgsam umzugehen. Jeder ist in der Pflicht und wer die Regeln nicht hält, der fliegt raus. Das ist gerecht!

Und so geht das Gleichnis weiter: Der Verwalter soll Rechen-schaft ablegen. Der Vorwurf der Verschwendung steht im Raum. Woher er kommt, wissen wir nicht, ob er der Wahrheit entspricht auch nicht. Aber wir hören, wie der Verwalter rea-giert. Ganz nüchtern betrachtet er seine Lage: „Hart arbeiten kann ich nicht. Betteln will ich nicht. Ich brauche Menschen auf meiner Seite, die noch zu mir halten, wenn ich kein Ver-walter mehr bin.“ Und so entscheidet er sich schnell, den Schuldnern seines Chefs einen Teil der Schuld zu erlassen. Dem einen erlässt er von 4000 Litern Öl die Hälfte. Dem an-deren von 25 Tonnen Weizen ein Fünftel. Ganz schön große Summen. Und dann das: „Und der Herr lobte den betrüge-rischen Verwalter, weil er so schlau gehandelt hatte.“ 

Ich glaube, allen ist damals die Kinnlade runtergefallen. Den Jüngerinnen und Jüngern bestimmt auch. Ob Jesus nach diesem Satz gegrinst hat? Ich könnte es mir vorstellen. Und dann setzt er noch einen darauf: „Denn die Kinder dieser Welt sind schlauer im Umgang mit ihren Mitmenschen als die Kinder des Lichts“. (V. 8) Das ist erklärungsbedürftig. Das kann er doch nicht so stehen lassen. Bestimmt haben die Menschen angefangen zu tuscheln. Ich hätte mitgemacht. Vielleicht sind damals Sätze gefallen wie: „Will der uns etwa durch die Blume sagen, dass diese Leute da schlauer sind als wir?“ „Hat der uns gerade mit einem Gleichnis beleidigt?“ „Sagt er allen Ernstes, wir frommen und ehrlichen Menschen seien dumm? Jetzt reicht’s aber wirklich! Das ist doch lachhaft.“ Je länger ich über das nachdenke, was Jesus hier sagt, desto mehr Fragen kommen mir in den Sinn. 

Worum geht es hier eigentlich? Was ist das für ein komischer Herr? Da kommt ihm zu Ohren, dass sein Verwalter sein Vermögen verschleudert, aber als dieser dann in Folge die Schuldscheine verkleinert – also das Vermögen seines Herrn noch weiter schmälert – wird er trotzdem gelobt. Ein geld-gieriger Dagobert Duck kann dieser Herr nicht sein. Vielleicht ist ihm das Geld auch irgendwie nicht so wichtig. Er muss unglaublich reich sein, dass Menschen ihm überhaupt so viel schulden.

Und wer ist jetzt eigentlich dieser betrügerische Verwalter? Sind es die schuldbeladenen Menschen, die da am Rand stehen und Jesus zuhören? Oder sind es nicht auch die Pharisäer und die Frommen? Wer muss hier eigentlich Rechenschaft ablegen? Wer hat Verantwortung vom Herrn bekommen?

„Leg Rechenschaft ab. Du verschwendest das Vermögen des Herrn.“ Irgendwie ist das doch auch der Vorwurf, den Jesus sich selbst immer wieder anhören muss. Ist er vielleicht selbst der Verwalter? Jesus geht verschwenderisch mit Gottes Besitz um. Er ist verschwenderisch mit seiner Liebe und seiner Gnade. Und zwar so sehr, dass sich viele darüber ärgern. Das fängt schon früh an. Jesus heilt den Gelähmten und vergibt ihm seine Schuld. Sofort kommt Protest: „Wer kann Sünden vergeben als allein Gott?“ (Lk 5,21) Was bildet sich dieser Jesus eigentlich ein? Der kennt kein Maß, dieser Fresser und Weinsäufer. Wem der alles seine Aufmerksam-keit schenkt; es ist skandalös! Da war doch auch diese zwielichtige Frau, das ging durch alle Nachrichten: Kostbares Salböl hat sie verschwendet, um Jesus die Füße zu salben. Und er rügt sie mit keinem Wort. Lässt die Verschwendung einfach durchgehen und vergibt obendrein noch die Schuld. Unerhört! (Lk 7, 36 - 50)

Sagt Jesus mit dem Gleichnis vielleicht: Ich weiß: Ihr schwärzt mich an. Ihr seid der Meinung, ich bin ungerecht und verschwende den Besitz meines Herrn. Aber die Pointe ist doch: Gott lobt mich für mein Verhalten. Denn er macht es genauso. Es geht gar nicht um Reichtum und Besitz. Seht ihr denn nicht, dass lieben und vergeben viel klüger ist? Gott ist inkonsequent gnädig. Völlig unverdient tilgt er die Schulden seiner lieben Menschen. Er lässt Gnade vor Recht ergehen. Holt das eine Schaf nach Hause, freut sich über das verlorene Geldstück und wie ein Vater über den verlorenen Sohn. Gott vergibt Schuld und ich handle in seinem Auftrag. Das ist lobenswert.

Noch immer etwas ratlos stehe ich Jesus gegenüber. Mir schwirrt der Kopf von dem, was ich in seinen Worten alles herausgehöre. Gleichzeitig fühle ich mich selbst ange-sprochen: „Lege Rechenschaft ab!“ Bin ich nicht auch eine Verwalterin und habe von Gott Verantwortung bekommen? Wird er mich vielleicht auch eines Tages fragen, was ich damit gemacht habe? Und was sage ich dann? Habe ich auch Gnade vor Recht ergehen lassen? Habe ich auch die anderen Menschen im Blick gehabt oder doch eher in die eigene Tasche gewirtschaftet und mich in Regeln verbissen. Bin ich auch so mutig, entschlossen und schnell in meinem Handeln wie der kluge Verwalter? Oder jammere ich rum, wenn ich Rechenschaft ablegen soll, beschönige und rede mich raus?

Die Kinder dieser Welt sind schlauer als die Kinder des Lichts. Ich kenne solche Menschen, die meinen sie seien ganz erleuchtet, haben aber trotzdem nicht den Durchblick. Und oft gehöre ich mit dazu. Der betrügerische und kluge Ver-walter lässt mich nicht los. Ich will auch so beherzt handeln wie er, wenn es drauf ankommt. Ich will auch die Initiative wagen und nicht aus Angst, das Falsche zu tun, gar nichts tun. Ich will auf einen Gott vertrauen, der vergibt, auch wenn es eigentlich nicht konsequent ist. 

Denn irgendwie ist das doch die Pointe von allen vier Gleichnissen: Gott vergibt Schuld und überrascht uns immer wieder aufs Neue. Keiner ist verloren, ich auch nicht! Tja, ich hätte wohl auf jeden Fall sehr lange da bei Jesus gestanden. Ich wäre drangeblieben an ihm. Und bin auch heute noch auf seinen Spuren.

Verfasserin: Pfarrerin Claudia Sattler, Kirchberg 4 a, 35745 Herborn


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