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Die Menschwerdung Gottes

von Ulf Häbel (35321 Laubach-Freienseen)

Predigtdatum : 26.12.2003
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 2. Feiertag
Textstelle : Hebräer 1,1-3.(4-6)
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Wochenspruch:

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Johannes 1,14)

Psalm: 96 (EG 738)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 11,1-9
Epistel:
Hebräer 1,1-3 (4-6)
Evangelium:
Johannes 1,1-5 (6-8) 9-14

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 35
Nun singet und seid froh
Wochenlied:
EG 23
Gelobet seist du, Jesu Christ
Predigtlied:
EG 30
Es ist ein Ros entsprungen
Schlusslied:
EG 44
O du fröhliche

1 Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, 2 hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat. 3 Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe
[4 und ist so viel höher geworden als die Engel, wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihr Name. 5 Denn zu welchem Engel hat Gott jemals gesagt: »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt«? Und wiederum: »Ich werde sein Vater sein und er wird mein Sohn sein«?
6 Und wenn er den Erstgeborenen wieder einführt in die Welt, spricht er: »Und es sollen ihn alle Engel Gottes anbeten.«]

Liebe Gemeinde!
Man muss schließlich an den guten Ausgang aller Dinge glauben. Wenn uns der Glaube an ein gelingendes Leben verloren geht, gibt es auch keinen Grund zu hoffen! Die Hoffnung auf Sinnerfüllung im Leben darf man weder aufgeben, noch sich von jemanden verbieten lassen. Hoffnung ist so etwas wie ein Menschenrecht.
Das haben Christen zu allen Zeiten gewusst. Und aus diesem Bewusstsein - man kann es auch Glauben nennen - haben sie gegen menschenunwürdige Zustände opponiert. Die Hoffnung, die sie aus der Zusage Gottes „Ich bin bei euch“ entnahmen, war eine Kraftquelle, aus welcher der Mut kam, gegen Verzweiflung und Angstmacherei zu protestieren.
Christen waren schon immer Protestanten. Sie stellten sich gegen die Unterdrücker und wandten sich gegen Verhältnisse, die gottgewolltes und menschenwürdiges Leben verhinderten. Das Menschenrecht auf Hoffnung wird da am stärksten - als Sehnsucht und als Protest - wo Menschen leiden, unterdrückt werden und am Sinn des Lebens zu zweifeln beginnen. Ich will eine Leidensgeschichte, aus der die Hoffnung aufersteht, erzählen. Sie steht in dem Buch von Fulbert Steffensky „Das Haus, dass die Träume verwaltet“.
Teresinha, eine junge Frau aus dem brasilianischen Bergland, war mit ihrem wenige Monate alten, schwerkranken Kind auf dem Weg zum Arzt in die Stadt. Der aufgesuchte Arzt behandelte das Kind nicht. Sie ging gemeinsam mit ihrem Schwager, der sie begleitete, von Arzt zu Arzt, von Krankenhaus zu Krankenhaus. Überall wurden sie abgewiesen. Es fehlten anscheinend die richtigen Papiere. In der Nacht fuhren sie mit dem Bus zurück. Als der Bus unter einer Laterne hielt, schaute Teresinha auf das Kind, und sie begriff: es war am Sterben.
Sie stieß den Schwager an und deutete auf ihr sterbendes Kind. Und der sagte: „Sei still, reiß dich zusammen. Es darf niemand merken. Denn sonst kommt die Polizei, und die wird uns einsperren, weil wir ohne Genehmigung in die Stadt gefahren sind.“ Teresinha hielt das Kind auf ihrem Schoß, bis es zu zittern begann und dann eiskalt wurde. Da wusste sie, dass es gestorben ist. Der Busfahrer fuhr wie wahnsinnig; und sie hielt das tote Kind auf ihrem Schoß. Zwei Jahre behielt Teresinha das Geheimnis vom Tod des Kindes für sich. Sie hatte Angst. Schließlich erzählte sie es einer Ordensschwester, die verwundert fragte: „Wie können sie solches Leid nur aushalten?“ „Ich weiß nicht, Schwester“, antwortete Teresinha, „Wir sind arm und wir wissen nicht viel. Leid gehört zu unserem Leben. Aber eines Tages wird sich das ändern; Gott hilft Menschen wie uns!“
Die Botschaft, dass Gott auf der Seite der Armen und Leidenden steht, ist zu Weihnachten in vieler Munde. Gott hilft Leuten wie uns, haben damals die Hirten auf dem Felde vor Bethlehem gehört. Gott hilft Leuten wie uns, die noch nicht abgestumpft sind im alltäglichen Trott, weil sie die Sehnsucht nach erfülltem Leben spüren und an den guten Ausgang aller Dinge glauben. Hoffnung ist ein Menschenrecht. Es wird lebendig, in den Geschichten des Glaubens. Auf zweierlei Arten wurden Geschichten der Hoffnung von jeher erzählt. Die einen fangen an: „Es war einmal...“und die anderen beginnen mit dem Satz: „Eines Tages wird sich das ändern“. In dem Text der Bibel, der für diesen zweiten Weihnachtstag Predigttext ist, finden die Erinnerung an den gelungenen Anfang und der Glaube an den guten Ausgang aller Dinge zusammen:
1 Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, 2 hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat.
In Christus fallen Anfang und Ende, A und O, die Entstehung der Welt und ihre Vollendung zusammen. In der biblischen Schöpfungsgeschichte, an die hier erinnert wird, ist die Hoffnung auf das Gelingen des Lebens angelegt: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde; er schuf das Licht, damit Leben möglich wurde. Und es war gut. Er machte die Erde und den Himmel darüber, sodass darunter die Luft zum Atmen für alle Geschöpfe ist. Und es war gut, Gott trennte Wasser und Land, damit die Erde fruchtbar wurde, um alle Tiere zu ernähren. Und es war gut. Dann schuf Gott den Menschen nach seinem Bild, als sein Gegenüber. Siehe da, es war gut.
Die rückwärtsgewandte Geschichte erzählt vom guten Anfang. Es gab einmal eine Zeit, da war Gott mit seiner Schöpfung einverstanden; da war auch der Mensch eingebettet in ein tragendes Netz des Lebens. Und er war zufrieden. Aus der Erinnerung an den guten Anfang – da war nicht Kälte, Zufall oder Urknall, sondern Gottes Güte - entstand die Kraft der Hoffnung, die sich gegen ungute Verhältnis in seiner Schöpfung wehrt.
Gott hat vielfach und auf vielerlei Weise zu den Menschen gesprochen, durch die Propheten. Haben wir nicht in dieser Weihnachtszeit viele prophetische Worte gehört, die verheißen: eines Tages wird sich das ändern? Z. B. Jesaja: „Die Augen der Blinden werden aufgetan, und die Ohren der Tauben werden geöffnet. Die Lahmen werden springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. In der Wüste werden Wasser Quellen, und frische Bäche werden im dürren Land fließen.“
Gott hilft Leuten wie uns; er steht auf der Seite derer, die das Menschenrecht auf Hoffnung bewahren. Er ist bei allen, die aufstehen gegen alles Leid, das ihnen widerfuhr, die mutig bleiben trotz aller Enttäuschung, die an den Sinn des Ganzen glauben trotz aller Bruchstücke im eigenen Leben. Gott hat diese Botschaft vielfach ausrichten lassen durch Propheten und andere Menschen, doch nie so ursprünglich und umfassend wie durch Jesus, seinen Sohn. In ihm fallen die tröstliche Erinnerung an den guten Anfang und die Hoffnung auf den guten Ausgang aller Dinge zusammen. Gott liebt dieses Leben, das er einst geschaffen hat. Weil er Liebhaber des Lebens ist, wurde er Mensch unter Menschen. In Jesus Christus sieht man Gottes Herrlichkeit; in ihm zeigt sich Gott als ein Wesen, das Güte verbreitet, Liebe will und erfülltes Leben verheißt.
„Ich glaube, dass Gott Leuten wie uns hilft“, sagt jene vom Schicksal geschundene Frau in den Bergen Brasiliens. Ich glaube das auch.
Schließlich muss man an den guten Ausgang aller Dinge glauben, an das ewige Leben, das nicht erst irgendwann nach dem Tod kommt, sondern in jedem erfüllten Augenblick aufleuchtet. Weil ich das glaube, lasse ich mir die Hoffnung nicht verbieten. Ich lasse mich nicht abweisen, weder durch das Leid, das es auch zu Genüge im Leben gibt, noch durch Enttäuschung, die mir widerfährt oder die ich bereite; Ich lasse mich nicht irre machen, weder durch die Angstmacher noch durch die Besserwisser, die unser Leben umstellen.
Es wird eine Zeit kommen, da werden unsere Augen, die schon blind für die Wunder des Lebens geworden waren, aufgehen. Die kleinen Zeichen der Güte werden sie staunend entdecken. Es wird eine Zeit kommen, da werden Ohren, die schon taub waren für die leisen Bitten, wieder gut hören. Es wird eine Zeit kommen, da trägt das Wort eines Freundes, weil es ehrlich gemeint ist und da fangen Menschen, die vor Angst gelähmt waren, wieder an sich zu bewegen und zu tanzen. Es wird eine Zeit kommen, da wird Gott abwischen alle Tränen.
Es gibt erfülltes Leben trotz mancher unerfüllter Wünsche. In diesem Satz sprechen Hoffnung und Sehnsucht dieselbe Sprache. Die Sehnsucht entsteht im Mangel des Lebens, aber nicht nur. Die Sehnsucht erwacht auch in den Augenblicken, in denen uns das Leben gelingt und die Liebe uns glücklich macht, wo wir die Schönheit des Lebens wahrnehmen, und darüber aus Ergriffenheit weinen. Man lernt weinen nicht nur im Schmerz des Lebens, sondern auch in seinem Gelingen. Man lernt hoffen nicht nur im Leid, sondern auch im Traum, dass sich eines Tages ändern wird, was uns heute bedrückt.
Die Weihnachtsbotschaft ist der Schrei des Menschen nach erfülltem Leben: Eines Tages wird sich das ändern. Sie ist zugleich der Jubel über das Leben: Es gab einen guten Anfang, und es wird auch einen guten Ausgang aller Dinge geben!
Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost was kommen mag;
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Amen.

Verfasser: Pfr. Dr. Ulf Häbel, Wintergasse 19, 35321 Laubach

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