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Die Menschwerdung Gottes

von Sylvia Herche (06118 Halle/Saale)

Predigtdatum : 25.12.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 1. Feiertag
Textstelle : 1. Johannesbrief 3,1-6
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Wochenspruch:

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Johannes 1,14)
Psalm: 96 (EG 738)

Lesungen

Altes Testament:
Micha 5,1-4a
Epistel:
Titus 3,4-7
Evangelium:
Lukas 2, (1-14) 15-20

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 34
Freuet euch, ihr Christen alle
Wochenlied:
EG 23
Gelobet seist du, Jesu Christ
Predigtlied:
EG 57
Uns wird erzählt von Jesus Christ
Schlusslied:
EG 41,1-3.5-7
Jauchzet, ihr Himmel

Liebe Gemeinde!
Im diesjährigen Wahljahr wurde immer wieder unsere Lage eingeschätzt, wie es um Deutschland steht. Die Parteien zeigten, wie sie die Situation in unserem Land verbessern wollten. Zukunftsbilder wurden entworfen. Es wurde geklagt und gestritten. Viele Wählerinnen und Wähler waren unsicher: wie ist denn unsere Lage wirklich? Heute an Weihnachten ist uns ein Predigttext gegeben, der uns ermutigt, unsere Lage zu sehen, wie sie vor Gott ist.
Seht euch an wie Gott euch sieht. So meinen es die Verse aus dem 1. Johannesbrief, Kapitel 3:
1 Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und wir sind es auch! Darum kennt uns die Welt nicht; denn sie kennt ihn nicht. 2 Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. 3 Und ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist. 4 Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht, und die Sünde ist das Unrecht. 5 Und ihr wisst, dass er erschienen ist, damit er die Sünden wegnehme, und in ihm ist keine Sünde. 6 Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht; wer sündigt, der hat ihn nicht gesehen und nicht erkannt.
Liebe Gemeinde, Weihnachten ist das Fest der Familie, nach wie vor. Wir lesen und hören es, erleben es in unseren Wohnungen und Häusern. Familien kommen zusammen. Sicher – mancher verbringt das Fest auch allein – also nicht in einer Familie. Oder vielleicht doch?
„Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes.“
Also, es geht um Familie, aber um mehr als die eigene Familie. Gottes Familie hat der Verfasser unseres Textes im Blick. Gehören dazu nicht alle, auch die, die Weihnachten allein verbringen, die gestern nicht mit am großen Familientisch gesessen haben?
Zuerst werden wir aufmerksam gemacht darauf, was uns nicht entgehen soll.
Sehet! So beginnt unser Abschnitt. Zu sehen und zu schauen gibt es an Weihnachten immer sehr viel. Da ist die Krippe mit Maria und Joseph und dem Kind. Ochse, Esel, Schafe und Hirten, die Engel – alles ist zu sehen. Liebevoll ist alles aufgebaut. Die harten Tatsachen der Geburt Christi sind dabei zu einem Idyll geworden. Doch alles, was es da zu ‚sehen’ gibt, ist eigentlich so etwas wie ein Transparent. Es bekommt erst Form und Farbe durch das Licht, das dahinter steht und es durchscheinend macht. Ja, es könnte sein, dass all das Sichtbare von Weihnachten, das Licht, die Geschenke, auch die Krippenfiguren eher ein Hindernis sind, den Ruf zu hören: Seht! Seht den Vater! Seht die Liebe! Und feiert sein Fest, das Fest der Familie Gottes. Seht das Licht, das durch das Sichtbare hindurchleuchtet.
Die Hörer werden hier als Kinder einer großen Familie angesprochen – Kinder Gottes. Bedeutet das: alle Probleme sind geregelt – heile Welt, heile Familie? So einfach ganz sicher nicht.
Kinder einer Familie können ja sehr verschieden sein: im Aussehen, in den Gewohnheiten, den Interessen … Und doch gibt es so etwas wie Familienmerkmale oder Familienähnlichkeiten. Das merken sogar
Außenstehende.
Was sind die Merkmale der Kinder, die zu Gottes Familie gehören? Sie sind geliebt. Eine innige Beziehung wie zwischen Vater oder Mutter und Kind verbindet sie. Diese Liebe ist einfach Geschenk – ohne Vorleistung. Das Kind muss nichts dafür tun, dass es geliebt ist. Weil es da ist, wird es geliebt, bedingungslos geliebt.
Ja, und das ist die Botschaft von Weihnachten. Deshalb hat Gott seinen Sohn zu uns geschickt, in unseren Alltag. Du bist geliebt, so wie du bist und: da, wo du bist. Gott will uns in seiner Familie haben. Er hat uns sozusagen zu seinem Sohn dazuadoptiert. Damit heißen wir nicht nur ‚Kinder Gottes’, sondern wir sind es auch.
Manchem ist das vielleicht gar nicht so recht. Die Lebenserfahrung mit Familie, eigener oder anderer, hat kritisch und vorsichtig gemacht. Gerade Jugendliche haben da ein feines Gespür. Und doch gibt es eine große Sehnsucht nach Geborgenheit und Vertrauen in der Familie.
‚Kinder Gottes’ sein heißt, ein für allemal mit Gott verbunden zu sein. So wie eben Kinder immer mit ihren Eltern verbunden sind. Sie sind es nicht nur an Weihnachten, am Fest der Familie, sondern auch im Alltag, mit allen Grenzen und Gegensätzen.
Sich als ‚Kind’ zu verstehen, könnte auch verführerisch und missverständlich sein. Kinder sind noch nicht mündig, tragen noch keine Verantwortung. Dabei gilt gerade für uns Christen, dass wir in unserer Gesellschaft mitdenken und mitgestalten. Wirkt deshalb ‚Kinder Gottes’ nicht ein wenig weltfern oder weltfremd? Die Anrede ‚Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gottes’ wäre auf den ersten Blick besser. Doch unser Predigttext spricht ja auch von der Fremdheit der Welt: ‚Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat.’
Vielleicht hat manchmal auch die Kirche zu solchem Missverstehen beigetragen. Christen sind mitverantwortlich in der Welt und sollten ihre Verantwortung wahrnehmen. Doch wir stoßen dabei auch an Grenzen.
Und noch ein neuer Sinn der Anrede ‚Kinder Gottes’ kommt in den Blick: Kinder sind offen für die Zukunft, im wahrsten Sinne des Wortes. Körperlich und geistig werden sie wachsen. In jeder Hinsicht geht ihre Entwicklung voran. Vieles können sie noch nicht. Aber sie lernen dazu. Die Grenzen ihres Könnens sind vorläufig. Kinder sind offen für Neues. Sie können staunen. Aber Kinder orientieren sich auch an den Erwachsenen. Sie schauen auf ihre Eltern, um ihnen ähnlich zu werden, ihnen nachzueifern.
Kinder haben Träume und Wünsche für die Zukunft. Das gehört zu ihrem Leben. ‚Kinder Gottes’ – in diesen beiden Worten ist einerseits die innige Verbindung mit Gott wie zwischen Vater oder Mutter und Kind enthalten. Andererseits ist es eine Verbindung mit Zukunft. Denn: „Kinder Gottes“ sein - darin steckt ein Versprechen. Es wird nicht so bleiben, wie es ist. Was jetzt als begrenzt erlebt wird, ist vorläufig. Jesus sagt: Zukunft haben die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. Zukunft haben die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
‚Kinder Gottes’ sind mit Gott untrennbar verbunden, auch für die Zukunft.
Wer solche Hoffnung hat, kann Vergangenes hinter sich lassen. Die Hoffnung hilft, nach vorn zu blicken auf ein Ziel. Kein Ballast muss mitgenommen werden. Alles, was Jesus nicht passt, kann zurückbleiben. Wer mit ihm verbunden bleibt, sündigt nicht mehr (V. 6), davon ist der Schreiber Johannes überzeugt. Auch, wenn Zweifel daran erlaubt sind: Das Leben bekommt eine andere Ausrichtung.
Weihnachten hat Konsequenzen für uns. Jesus ist gekommen, um die ‚Sünde’ wegzunehmen. Damit ist alles gemeint, was uns heute täglich umgibt in den Medien, woran wir uns gewöhnt haben – Skandale und Krieg, Verbrechen und Ungerechtigkeit. Nur Gott kann uns da heraushelfen. Seinen Maßstab hat er uns schon an die Hand gegeben mit dem Gebot der Liebe: Geht mit den Menschen so um, wie ihr selbst behandelt werden möchtet.
In Jesus, dem Kind in der Krippe hat Gott uns seine Liebe geschenkt. Und diese Liebe wirkt weiter. Gott vergisst uns nicht. Jesus vergisst seine Brüder und Schwestern nicht. Daran dürfen wir uns halten – jeden Tag und in jeder Lebenssituation.
Liebe Gemeinde, unsere Lage vor Gott ändert sich nicht je nach Ausgang einer Wahl. Unsere Lage vor Gott ist getragen von seiner Liebe, die er uns schenkt.
Wir gehören zu seiner Familie, ob wir allein sind oder nicht. Denn: Wir heißen Kinder Gottes – und wir sind es. Amen.

Pfarrerin Sylvia Herche, Goldlackweg 3, 06118 Halle/Saale

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