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Die Menschwerdung Gottes

von Martina Schefzyk (63303 Dreieich)

Predigtdatum : 25.12.1998
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 1. Feiertag
Textstelle : Micha 5,1-4a
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Wochenspruch:

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Johannes 1,14)

Psalm: 96 (EG 738)

Lesungen

Altes Testament:
Micha 5,1-4a
Epistel:
Titus 3,4-7
Evangelium:
Lukas 2, (1-14) 15-20

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 36
Fröhlich soll mein Herze springen
Wochenlied:
EG 23
Gelobet seist du, Jesu Christ
Predigtlied:
EG 30
Es ist ein Ros entsprungen
Schlußlied:
EG 44
O du fröhliche

Theologisch-homiletische Skizze
Diese Perikope ist für mich nicht nur deshalb allein „weihnachtlich“, weil sie eine prominente Messias-Weissagung, vor allem den „Schriftbeweis“ für Bethlehem enthält. Vielmehr ist sie inhaltlich so strukturiert, daß sie nahezu alle Bausteine für eine „weihnachtliche“ – was für mich heißt: um das Geheimnis der Menschwerdung Gottes kreisende -Theologie bietet: Da kommt der Herr zur Welt, aber eben ganz anders als irgendein Märchenprinz, nicht in der großen Metropole wird er geboren, sondern in einem kleinen Nest. Zugleich wird betont, was dieser Herr alles tun wird.
Entscheidend ist daher das Futurum des Textes. Die messianische Geschichte, die, nach Auskunft des Micha, in Bethlehem anbrechen soll – in einer geschichtlich trüben Zeit - ist prozeßhaft offen, im Anbruch begriffen, aber noch nicht volle, aufgehobene, bei sich wieder angekommene Gegenwart. Es stehen noch aus: das sichere Wohnen, die offenbare Herrlichkeit des Messias „so weit die Welt ist“, der Frieden, der er selber ist. Unser Text weist uns darauf hin: Es ist im Werden.
In der Predigt versuche ich deshalb, Bethlehem als ein Symbol auszulegen, ein Zeichen für die Niedrigkeit Gottes in all seinen Varianten. Bethlehem ist aber auch zugleich in jedem Menschen, der mit dazu beitragen kann, daß sich das Werden des Gottesreiches vollendet.

Liebe Gemeinde!
Der heutige Tag ist der eigentliche Weihnachtstag. Doch schon heute haben die Kerzen Mühe, gegen das kühlere Morgenlicht anzuleuchten. Am Morgen danach liegt bei vielen ein wenig Katerstimmung in der Luft. Der Höhepunkt - der Heiligabend - ist schon Vergangenheit. Viele blicken auf schöne, fröhliche Stunden im Kreis ihrer Familie oder guter Freunde zurück. Andere haben den Abend besinnlich zu zweit oder auch allein verbracht. Noch im Rückblick haftet diesem Abend etwas besonderes an. Das Licht des Weihnachtsbaumes, das Leuchten in den Augen der Kinder. Die gemeinsam gesungenen Lieder, die Musik des Posaunenchores, das Läuten der Glocken, all das findet an Heiligabend seinen Ausdruck. Vielleicht erscheint uns deshalb der Morgen danach so viel nüchterner.
In diese Stimmung hinein scheint unser heutiger Predigttext sehr gut hinein zu passen. Er steht beim Propheten Micha im 5. Kapitel, Verse 1-4a:
1 Du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. 2 Indes läßt er sie plagen bis auf die Zeit, daß die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Söhnen Israel. 3 Er aber wird auftreten und weiden in der Kraft des HERRN und in der Macht des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist. 4 Und er wird der Friede sein.
Und du Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll kommen, der in Israel Herr sei.
Eine nüchterne Ortsangabe: Bethlehem, ein kleiner Ort, einige Kilometer von der berühmten Hauptstadt Jerusalem entfernt gelegen. Vollkommen unbedeutend also, so als ob wir sagen würden, ich wohne in Götzenhain, etwa 14 Kilometer von Frankfurt entfernt. Die großen Metropolen sind bekannt, dort regieren Einfluß und Macht. Sie sind die Knotenpunkte allen wichtigen Lebens. Was zählen da schon Orte wie Bethlehem?
Und dennoch ist aus diesem Ort schon einmal eine Berühmtheit hervorgegangen. Ein kleiner Hirtenjunge besiegte mit Hilfe seiner Steinschleuder den mächtigen Philister Goliath. David, so hieß der Junge, wurde zum bekanntesten und mächtigsten israelischen König berufen. Bethlehem scheint der Ort zu sein, aus dem große und bekannte Persönlichkeiten hervorgehen.
Der Prophet Samuel ist auf der Suche nach einem geeigneten Nachfolger für den König Saul. Trotz aller Ablehnung läßt er sich nicht abbringen und verlangt auch den kleinen und unbedeutenden Jungen David zu sehen. Sieben ältere Brüder beachtet er zum Erstaunen aller nicht, seine Wahl fällt ausgerechnet auf David. Aber Gott hat schon immer eine Vorliebe für das Kleine und Unscheinbare, aus dem er dann Großes erwachsen läßt. So befreit David sein Volk von der Herrschaft der Philister, er bringt Israel den lang ersehnten Frieden.
Die Situation zur Zeit des Micha ist ähnlich wie bei David. Nach langen Jahren voller Kriege, Mißwirtschaft und Korruption liegt das Land erneut verwüstet und erobert da. Die Bevölkerung ist geflohen oder wurde verschleppt, die Feinde stehen vor den Toren der Hauptstadt, der König hat abgedankt. Die Lage ist hoffnungslos, die Zukunft scheint verloren. Gott ist weit weg und hüllt sich in Schweigen. Der Karren steckt im Dreck.
Der Prophet Micha weckt in dieser schweren Zeit bei den Einwohnern Jerusalems Erinnerungen: „Wißt ihr noch damals, da sandte uns Gott den David. Der bracht uns Frieden und Stärke und weidete uns wie ein guter Hirte. Jetzt wird Gott einen neuen Herrscher senden. Alles wird noch viel besser werden als zur Zeit Davids. Jetzt wird wirklich weltweit Friede werden.“ Micha bleibt nicht bei Erinnerungen in der Vergangenheit stecken, sondern er schenkt den Menschen Kraft und Mut, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken.
Deshalb, liebe Gemeinde, ist Bethlehem mehr als nur eine nüchterne Ortsangabe. Bethlehem, was übersetzt: Haus des Brotes heißt, ist nicht nur ein Ort, sondern ein Symbol. Der Name Bethlehem weißt schon darauf hin, was Jesus später als Erwachsener von sich sagen wird: ich bin das Brot des Lebens.
Noch ist er das in Armut zur Welt gekommene Gotteskind, von der noch unbekannteren Mutter Maria und ihrem Mann Josef im Stall von Bethlehem gerade erst geboren. Und doch gehören schon Armut, Unbekanntheit und Niedrigkeit unabdingbar zu dem Namen Bethlehem dazu.
Denn Hirten begrüßen als erste dieses Kind, rauhe, unbeliebte Männer, während die Prominenz die Geburt dieses Kindes ruhig verschläft. Es wird Jahre dauern bis das Wirken dieses Kindes in alle Welt strahlt, aber hier in Bethlehem im Haus des Brotes keimt bereits im Verborgenen, was einmal für alle sichtbar werden wird.
So wie ein Kind neun Monate im Mutterleib heranwächst, so reift auch die Zeit des Gotteskindes langsam und im Verborgenen. Zu seiner Reifezeit gehört das Zeichen der niedrigen und einfache Herkunft, die ihn auf seinem weiteren Weg als Armut begleiten wird. Er hat keinen Platz, wo er sein Haupt hinlegen kann, und am Ende schließlich erwartet ihn nichts anderes als ein grauenvoller Tod am Kreuz. Und dennoch: Er bringt den Frieden, dieser und kein anderer, Frieden für die ganze Welt. Mit diesem Jesus verbindet sich all das, was wir zum Leben benötigen. Er stillt unseren Hunger, nicht nur nach irdischen Dingen wie Brot, sondern auch unseren Hunger nach Liebe, Gerechtigkeit und Frieden.
Und was, liebe Gemeinde, wünschen wir uns mehr, als daß Friede werde überall auf der Welt, gerade jetzt zur Weihnachtszeit. Friede in den Familien, Friede zwischen den Generationen, Friede zwischen Menschen und Völkern. Überall auf der Welt gibt es Unruhe-Herde, bekämpfen Menschen einander - ob im Sudan, Afghanistan, um nur ein paar zu nennen. Unter wieviel Weihnachtsbäumen sitzen Frauen mit ihren Kindern allein, weil die Männer sie verlassen haben oder weil es kein Einverständnis mehr untereinander gab. Wie viele Menschen fliehen förmlich vor diesem Weihnachtsfest in wärmere Gefilde, weil sie sich allein fühlen oder sich diesem Fest nicht aussetzen wollen. Es scheint so, als wäre für uns diese Spannung zwischen Sehnsucht und Realität nur schwer oder kaum auszuhalten.
Wir sind geneigt, vor allen Dingen an Weihnachten das Ganze und Endgültige auf einen Schlag haben zu wollen, so als wären wir kleine Regisseure für unser totales Glück. Aber Gottes Regie ist anders. Sie beginnt im Kleinen, in Unscheinbaren: mit einem Kind in einer winzigen Stadt, das einmal an einem Kreuzes-Galgen enden wird. So ist Gott: er fängt an, aber nicht mit großem Theaterdonner, sondern klein und bescheiden. Und vor allem: was Gott angefangen hat, ist noch nicht perfekt. All das gärt noch, ist noch im Werden. Die Flucht des Kindes, kaum das es geboren ist, der Tod hunderter Mitgeborener durch den König Herodes.
Da ist nichts perfekt, so wie wir das gerne hätten. Ein perfektes Fest, eine perfekte Familie, eine perfekte Welt. Wir hätten ihn doch, wenn wir ehrlich sind, gern - den großen Paukenschlag, der mit einem mal alles ganz anders, ganz perfekt werden läßt. Denn wer möchte nicht ohne allzu viele Zwischenstationen ans Ziel gelangen? Wer wünschte sich nicht, daß das, was uns quält und plagt, von den Zahnschmerzen bis hin zur Angst vor einem Krieg, mit einem Mal ein Ende hat?
Weihnachten, liebe Gemeinde, ist wie ein schöner Traum, aber er ist schnell ausgeträumt, wenn wir nicht in Bethlehem unseren Ausgang nehmen. Denn wir können ihn nicht herbeizwingen, den Himmel auf Erden, weder jetzt zu Weihnachten in unseren Familien, weder auf der weiten Welt, noch in der Welt unseres Alltags. Nichts läßt sich erzwingen. Die Liebe nicht, der Friede nicht und auch die Sicherheit nicht.
Der Prophet Micha sagt: Er wird kommen, der Herr und Freund Israels, er wird unser Frieden sein. Was für Micha Sehnsucht blieb, wurde für uns zur Erfüllung: Die Zukunft Gottes ist angebrochen, ohne total ans Ziel gekommen zu sein.
Der Liederdichter Angelus Silesius schreibt dazu:
„Wär’ Christus tausendmal in Bethlehem geboren,
doch nicht in dir, so wärst du doch verloren.
Silesius identifiziert sich mit dem Hirtenfeld, mit der Armut der Menschen, mit der Nacht, die von sich aus kein Licht hat. Es kommt also auch auf jeden von uns an, liebe Gemeinde, damit der Friede Wirklichkeit wird. Wenn wir nichts dazu beitragen, wenn wir uns nicht ändern und verändern lassen, dann kann sich die Menschwerdung Gottes in uns nicht fortsetzen. Bethlehem ist unser Herz. So wie aus dem kleinen, unscheinbaren Ort Großes seinen Weg genommen hat, so kann auch aus unseren kleinen Herzen etwas Großes seinen Weg bahnen. Wir brauchen nur Geduld, Liebe und Hoffnung, um ihm so den Weg zum Frieden zu bereiten. Amen.

Verfasserin: Pfrn. Martina Schefzyk, Rheinstr. 33, 63303 Dreieich

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