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Die Menschwerdung Gottes

von Hans-Michael Sims (39218 Schönebeck)

Predigtdatum : 26.12.2001
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 2. Feiertag
Textstelle : 2. Korinther 8,9
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Wochenspruch:

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Johannes 1,14)

Psalm: 96 (EG 738)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 11,1-9
Epistel:
Hebräer 1,1-3 (4-6)
Evangelium:
Johannes 1,1-5 (6-8) 9-14

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 35
Nun singet und seid froh
Wochenlied:
EG 23
Gelobet seist du, Jesu Christ
Predigtlied:
EG 23,5-7
Der Sohn des Vaters, Gott von Art
Schlusslied:
EG 27,6
oder EG 40,5
Heut schließt er wieder auf die Tür
Drum, Jesu, schöne Weihnachtssonne

Hinführung
Nach 4. Advent, Heiligabend und 1. Weihnachtstag in Folge werden zum Gottesdienst am 2. Weihnachtstag wahrscheinlich nur die treuen Gemeindeglieder kommen. Die Predigt mutet an Weihnachtsbotschaft mehr zu als an den Tagen zuvor. Ein gewisses Maß an Bibelkenntnis wird vorausgesetzt bzw. es wird darauf zurück gegriffen.
Der erste Teil der Predigt entfaltet die Christologie. Es geht um die Erniedrigung des Sohnes Gottes. Im zweiten Teil wird der Bezug zu uns hergestellt. Wie bekommen wir Anteil an dem, was Jesus in seiner Erniedrigung für uns getan hat. Der dritte Teil beachtet den Textzusammenhang. Paulus geht es um eine Kollekte für die Gemeinde in Jerusalem. „Geworben“ wird mit dem Hinweis auf den Weg Jesu in die Armut. Zum Schluss wird der Stephanustag berücksichtigt. Das Zeugnis des ersten Märtyrers der Christenheit verdeutlicht und fasst zusammen, was der Predigttext zum Thema „Arm und reich“ sagt.

9 Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.

Liebe Gemeinde!
Mit diesem kurzen Bibelwort wird die Bedeutung von Weihnachten auf den Punkt gebracht: Jesus wird arm, um uns reich zu machen.
Martin Luther greift diesen Kerngedanken auf und dichtet: „Er ist auf Erden kommen arm, / dass er unser sich erbarm / und in dem Himmel mache reich / und seinen lieben Engeln gleich. / Kyrieleis“ (EG 23,6).
Die Menschwerdung Jesu ist ein Armwerden. Sie bedeutet für ihn Herablassung, Entäußerung, Erniedrigung. Herablassung - er war zuvor ewig beim Vater, der einziggeborene Sohn Gottes. Entäußerung - er wurde ein Mensch gleichwie wir. Erniedrigung - er wurde zu einem Kind, klein und ohnmächtig auf dieser Welt.
Nirgendwo wird dieses Armwerden Jesu so bewegend nachgezeichnet wie im Christushymnus des Philipperbriefes: „Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an... Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz“ (Phil. 2,6-8).
Jesus wollte diesen Weg gehen. Warum? Paulus sagt den Korinthern: „arm um euretwillen.“ Dieser Weg bringt uns die Erlösung, macht uns zu Kindern Gottes, schließt uns den Himmel auf. Das ist viel, sehr viel - unbezahlbar, wenn man es erfährt!
In unserem Bibelwort erinnert Paulus ausdrücklich an die „Gnade unseres Herrn Jesus Christus.“ Statt „Gnade“ könnte hier auch das Wort „Geschenk“ stehen. Es geht um das Geschenk des Sohnes Gottes zu unserem Heil. Die Korinther, an die Paulus schreibt, haben es angenommen. Sie haben sich Jesus geöffnet. Er konnte als der Auferstandene in ihr Leben treten: die Sünde vergeben, es umwandeln, aus fleischlich Gesinnten geistlich Gesinnte machen. Da hat sich für die Korinther ein völlig neuer Reichtum aufgetan. Am Anfang des 1. Korintherbriefes schreibt Paulus davon: „Ich danke meinem Gott allezeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch gegeben ist in Christus Jesus, dass ihr durch ihn in allen Stücken reich gemacht seid“ (1. Kor. 1,4+5).
Die Geburt Jesu in Bethlehem ist das eine, die Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist ist das andere. Aber darauf zielt Weihnachten. Das Geschenk des Heils soll bei denen ankommen, für die es bestimmt ist. Darum heißt es bei Angelus Silesius, einem geistlichen Dichter des 17. Jahrhunderts: „Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“
Wenn wir jetzt von der Annahme des Heils reden, dann wollen wir auch hier das Thema „Arm und reich“ im Blick behalten. Christus kommt immer als der Arme auf uns zu, in der Kleinheit eines Kindes, in verhüllter Majestät. Wir können ihn abweisen. Keiner wird von der Allmacht Gottes überrumpelt. Die Liebe tut das nicht. Bei der Menschwerdung hält Gott den Erweis seiner Göttlichkeit zurück. Er begegnet uns sozusagen wehrlos. Hier zeigt sich seine große Barmherzigkeit und Menschenfreundlichkeit.
Die Armut Jesu und die Gestalt, in der er uns begegnet, irritieren aber auch. Das ist so anders als üblich. Viele macht es ärgerlich. In dieser Hinsicht lässt Paulus am Anfang des 1. Korintherbriefes manches anklingen. Er schreibt (1.Kor. 1,17+18), dass die Korinther nicht mit klugen Worten vom Evangelium erreicht worden sind, sondern durch das Wort vom Kreuz. Viele haben gesagt: Torheit! Paulus selbst hat dabei keine gute Figur abgegeben, sondern ist aufgetreten „In Schwachheit und Furcht und mit großem Zittern“ (1. Kor. 2,3). Diese Armut! Aber so kommt Jesus zu uns!
Die Verhüllung geht soweit, dass Jesus auch in sozialer Hinsicht ein Armer wurde: Kind armer Eltern. Er hatte nichts, wo er sein Haupt hinlegen konnte (Luk. 9,58). Am Kreuz nahm man ihm noch das Letzte weg: das Gewand. Unverkennbar ist seine besondere Beziehung zu den Geringen, den Gedemütigten und denen, die sich ihres Elends bewusst sind.
Wer das Heil in Jesus empfangen will, der wird sich beugen müssen wie die Hirten und Weisen an der Krippe. Und sicher wird er auch an einer nicht unwesentlichen Stelle seines Lebens arm werden. Das mag stören. Doch wer sich auf Jesus einlässt, wird in die für ihn typische Bewegung von oben nach unten hineingenommen.
Solch ein Weg macht aber reich. Das wird uns ausdrücklich zugesichert: „...damit ihr durch seine Armut reich würdet.“ Es ist ein Reichtum besonderer Art. Er bedeutet Leben und volle Genüge. Auf die Frage Jesu an seine Jünger: Habt ihr je Mangel gehabt (Luk.22,35), antworten sie: Niemals! Sie haben manches verlassen, aber sie haben dafür ein Vielfaches empfangen: Brüder und Schwestern, Äcker und Häuser - sogar mitten unter Verfolgungen! - Kraft in großer Schwachheit; Sieg, wo alles verloren schien; Weisheit, bei der selbst Kluge nicht mehr mithalten konnten; vor allen Dingen aber das ewige Leben, das kein Tod zerstören kann. Wer Jesus aufnimmt, bekommt immer teil an seiner Armut, aber viel mehr noch an seinem großen Reichtum. Die auf seinem Weg sind, die wissen das.
Das weihnachtliche Wort von der Armut Christi, die viele reich macht, steht eigentlich im Zusammenhang mit einer ganz normalen Gemeindeangelegenheit. Es geht um das Thema Kollekte. Paulus bittet um eine Gabe für die Gemeinde in Jerusalem. Er hat sich dazu verpflichtet, damit der Zusammenhang zwischen Judenchristen und Heidenchristen gewahrt bleibt und damit auch ein Mangel in der ersten Gemeinde ausgeglichen werden kann.
Wir würden an dieser Stelle sicherlich die Not und Notwendigkeit eines Opfers deutlich herausstellen, vielleicht auch ein bisschen drängeln oder Stimmung machen. Paulus tut das nicht. Er lässt in dieser Sache ganze Freiheit. Hier darf es keinen Druck geben. Er geht das Problem geistlich an mit dem Verweis auf Jesu Weg. Jesus hat losgelassen, verzichtet, sich selbst gegeben. Sein Weg ist grundsätzlich auch unser Weg. Gnade ist Geschenk, so sagten wir vorhin. Beschenkte schenken wieder. Das ist auch der tiefste Grund für die Gaben auf dem Weihnachtstisch. Geben liegt in der Grundtendenz des Weges Jesu. Gemeint sind nicht ein paar Almosen aus dem Überfluss, sondern ein Stück von mir selber, wirklicher Verzicht, wirkliches Loslassen. Unsere Opferpraxis sollte einmal geistlich von daher durchleuchtet werden!
Zum Schluss ein Hinweis: Der 2. Weihnachtstag ist auch der Stephanustag. Wir denken an den ersten Märtyrer der Christenheit. Er wurde gesteinigt, weil er Jesus bezeugte. Gerade das lichte und frohe Weihnachtsfest ist umgeben mit einer Reihe von Märtyrerfesten: Gestern gedachte die Kirche der Märtyrerin Anastasia. Am 28. Dezember feiert sie das Gedächtnis der Unschuldigen Kinder, die Herodes töten ließ, um Jesus zu beseitigen. Heute nun Stephanus. Er gab sein Leben unter großen Schmerzen dahin. Aber er „sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus stehen zur Rechten Gottes“ (Apg. 7,55) und sprach: „Herr, rechne ihnen die Sünde nicht an!“ Solch ein Licht mitten in der Finsternis! Solch ein Reichtum mitten in großer Armut! Das ist Weihnachten. Es ist dies der Weg des Sohnes Gottes. Amen.

Verfasser: Pfarrer Hans-Michael Sims, Calbesche Straße 38, 39218 Schönebeck

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