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Die Menschwerdung Gottes

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 25.12.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 1. Feiertag
Textstelle : Micha 5,1-4a
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Wochenspruch:



Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Johannes 1,14)

Psalm: 96 (EG 738)



Lesungen



Altes Testament:

Micha 5,1-4a

Epistel:

Titus 3,4-7

Evangelium:

Lukas 2, (1-14) 15-20



Liedvorschläge



Eingangslied:

EG 42

Die ist der Tag, den Gott gemacht

Wochenlied:

EG 23

Gelobet seist du, Jesu Christ

Predigtlied:

EG 36

oder EG 27

Fröhlich soll mein Herze springen

Lobt Gott, ihr Christen alle gleich

Schlusslied:

EG 44

O du fröhliche



1 Du, Bethlehem Efratá, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. 2 Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Söhnen Israel. 3 Er aber wird auftreten und weiden in der Kraft des HERRN und in der Macht des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist. 4 Und er wird der Friede sein.



Liebe Schwestern und Brüder!

Das kennen wir alle: auf einen Bahnhof stehen und auf den Zug warten. Er lässt auf sich warten. Die Zeit wird lang. Dann fängt es an, dass wir zum Fahrplan gehen und nachschauen: doch, da steht, wann der Zug kommen soll. Da steht es, dass er kommen soll. Die Uhr rückt vor aber der Zug lässt auf sich warten. Und doch hören wir nicht auf mit Warten, weil es ja auf dem Fahrplan steht: Ankunft um 17.15!

So haben Menschen in Israel mit den Verheißungen Gottes warten gelernt. Sie haben gelernt zu sagen: Gott hat es doch versprochen in schlimmer Zeit versprochen: „Aus Bethlehem soll mir der kommen, der der Herr ist.“ Er hat es doch versprochen, dass das Königshaus des David noch einmal einen Spross haben wird, der ein König wie David ist, ein Mann nach dem Herzen Gottes. Er hat es doch versprochen, dass er die Menschen sammeln wird in sein Volk.

Dagegen standen andere Erfahrungen, die zu harten Fragen an die Verheißungen Gottes geworden waren: Aus Bethlehem war ein jämmerliches Dorf geworden, aus dem Königshaus Davids eine verarmte Sippe, aus den großen Verheißungen war Stoff für die Liturgie der Gottesdienste geworden. Und dazu kamen die eigenen, schlimmen Erfahrungen: herumgeschubst wurden die Juden, statt Frieden gab es eine Besatzungsmacht, statt der Erfüllung der großen Hoffnung gab es ungeduldige Gewalttäter, die im Namen Gottes zu handeln behaupteten, wenn sie mordeten, wenn sie Terror ausübten, wenn sie in den Untergrund gingen.

Und doch: da blieb die Sehnsucht lebendig nach der Erfüllung der uralten Verheißungen; da blieben die alten Worte der Verheißungen haften. Mancher kam nur deswegen in den Gottesdienst, um sie wieder neu zu hören. Mancher brauchte sie, um das Warten aushalten zu können.

Dann nach 700 Jahren erfüllt Gott sein Wort. Er lässt es nicht leer. Er lässt es nicht hinfallen. Dieses Wort wird Wirklichkeit, es ist nicht mit den Jahren veraltet.

Das ist gute Nachricht für uns! Wir kommen in die Weihnachtsgottesdienste, weil uns die Sehnsucht treibt, diese Worte zu hören: Euch ist heute der Heiland geboren. Wir kommen hierher, weil uns die Sehnsucht treibt es zu hören: Er ist euer Friede. Wir kommen hierher, weil es vielleicht doch in unserer Kindheit wie ein Same aus der Ewigkeit in unser Herz gefallen ist: Gottes Sohn ist Mensch geborn.

Dagegen steht das andere: Es ist die Angst unzähliger Leute an Weihnachten, dass sie die großen Verheißungen Gottes hören, und am Tag nach Weihnachten ist alles vorbei. Es ist die Angst, dass da die Worte von Liebe und Frieden und Menschlichkeit reden und am Tag danach ist alles vorbei. Da beginnt dann das Geschiebe an den Umtauschkassen und jeder drängelt, so gut er kann. Da beginnt der harte Existenzkampf wieder, in dem sich jeder selbst der Nächste ist. Da regiert dann wieder der Ellenbogen nicht nur oben bei den Grossen, auch unten beim so genannten „kleinen Mann“ und der eigene Vorteil geht vor.

So geht es bei uns zu. Aber stärker als diese Wirklichkeit ist die Wahrheit der Worte Gottes. Wir dürfen diese Verheißungen mit in unseren Alltag nehmen: Er ist unser Friede. Wir dürfen es mit in unseren Alltag nehmen: Gott ist einer wie wir geworden, damit wir in unserem Leben einen haben, an den wir uns halten können, wenn uns nichts mehr hält, damit wir in unserem Leben einen haben, der uns hört, wenn in uns alles schreit, damit wir einen haben, der uns liebt, wenn an uns nichts mehr liebenswert und liebenswürdig ist.

Diese Wahrheit und diese Wirklichkeit der Verheißungen Gottes lässt sich nicht wie ein Schild aufstellen und vor sich hertragen. Diese Wahrheit wird erlebt in den Leiden der Zeit und in den Leiden des eigenen Lebens.

Es war wohl der Irrtum Israels, dass es aus den Ankündigungen der Propheten ein bestimmtes Bild vom Messias gewinnen wollte. Man hörte die Worte eines Micha und erwartete einen König mit allen Attributen der Macht. Man erwartete den Verwandler der Welt, der ein Schwert in der Hand hat, der sich mit Gewalt durchsetzt, der den Bösen schonungslos vergilt und die Gerechten belohnt und es war schon klar: die Gerechten das sind wir!

Bis heute hält sich dieser Irrtum. Manche Klage gegen Gott hat in ihm ihren Ankerpunkt: man erwartet sich einen Gott, der wie Herkules den Augiasstall der Welt ausmistet. Man erwartet sich einen Gott, der wie Batman für Ordnung sorgt mit Kraft und Macht und rigoroser Härte. Und wenn es Gott nicht tut, dann nehmen wir das selbst in die Hand und Gott soll dann wenigstens die Waffen segnen, die für den Frieden eingesetzt werden.

Aber ‚Gott, der unser Friede ist’ kommt anders. Der König, den Micha ansagt, kommt anders. Er wird nicht da geboren, wo Macht und Stärke, wo Gewalt und Einfluss zu Hause sind. Er kommt bedrängt auf die Welt, er hat seinen Anfang in der Niedrigkeit, wo mehr gelitten wird als gestaltet, wo mehr Macht erduldet wird als ausgeübt. Er ist ein Heimatloser, wird zum Flüchtlingskind, wird einer, der um Asyl bitten muss. So kommt der Heiland in die Welt!

Und der armen Gestalt seines Kommens entspricht sein Handeln. Er weidet nicht mit dem Zepter des Herrschers. Seine Macht zeigt sich nicht in den Truppen, die ihm folgen. Er sammelt nicht mit Befehlen seine Leute um sich. Er ist nicht der Anführer, dem alle begeistert folgen, weil er ihnen ein großes Ziel gesetzt, eine große Aufgabe gestellt hat.

So haben zu allen Zeiten Menschen ihre Gefolgschaft um sich gesammelt. So haben die großen Führer und auch die großen Verführer der Menschheit sich ihre Macht geschaffen.

Er aber ist anders. Er teilt mit den Hungrigen das karge Brot. Er teilt mit den Durstigen das Wasser. Er teilt mit den Müden die Müdigkeit. Er teilt mit den Zweifelnden die Fragen. Er teilt mit den Gequälten die Sehnsucht nach Gerechtigkeit. Er teilt mit den Traurigen die Tränen. Er teilt mit den Leidenden den Schmerz. Er teilt mit den Suchenden die Hoffnung. Er teilt mit den Belasteten die Lasten. So geht er mit den Menschen um. So will er Dir und mir begegnen. So will er unser Herz gewinnen für sich, für Gott, für die Welt. Es ist ein leiser, ein sanfter, ein bittender König. Es ist ein König, der auf die Macht verzichtet, weil er das Vertrauen will, der das Leben der Menschen teilen will, damit wir Menschen mit ihm teilen, was unser Leben ist.

Merken Sie: So will Gott uns begegnen will, in diesem Jesus Kind, dass wir mit unserem ganzen Leben bei ihm aufgehoben sind. Dann ist in der Krippe im Stall der für uns da, der unser Schreien hört, unsere Tränen sieht, unsere Verzweiflung trägt. Dann ist in der Krippe im Stall der für uns da, der sich zu uns beugt und sich zu uns stellt in unserem Tun und unserem Lassen, in unserem Gelingen und unserem Versagen. Dann ist er der eine, vor dem wir ganz sein dürfen und zerrissen, der uns helfen will, unser ganzes Leben vor ihm zu leben und nicht nur einen Teil.

Wenn Gott uns begegnen will in diesem Kind und später in diesem Mann, der den Weg zum Kreuz und zur Auferstehung geht dann will er in dieser Begegnung seine Hand auf unser Leben legen, dann will er nicht nur ein paar richtige Gedanken, nicht nur ein paar Gefühle, nicht nur ein paar gute Taten, dann will er uns selbst für sich gewinnen.

Das ist Weihnachten: Gott legt sich in die Krippe, damit er uns für sich gewinnt unser Herz und unser ganzes Leben. Ich kann es nicht besser sagen als es uns Paul Gerhard vorgesagt und vorgesungen hat:

„Da ich noch nicht geboren war

da bist du mir geboren

und hast mich dir zu eigen gar,

eh’ ich dich kann, erkoren.

Eh’ ich durch deine Hand gemacht,

da hast du schon bei dir bedacht:

wie du mein wolltest werden.“

Und unsere Antwort, was ist unsere Antwort auf dieses Geschenk Gottes, das er uns mit Jesus gibt? Ich weiß keine andere als dies, dass wir uns mit unserem ganzen Leben Jesus anvertrauen und ihm glauben und seinen Willen tun heute und morgen und an allen Tagen unseres Lebens. Das ist das Weihnachtsgeschenk, das Gott sich von uns erhofft dass wir ihm unser Leben schenken! Amen.



Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg

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