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Die Menschwerdung Gottes

von Traugott Lucke (06577 Heldrungen)

Predigtdatum : 26.12.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 2. Feiertag
Textstelle : Johannes 8,12-16
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Wochenspruch:

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Johannes 1,14)
Psalm: 96 (EG 738)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 11,1-9
Epistel:
Hebräer 1,1-3 (4-6)
Evangelium:
Johannes 1,1-5 (6-8) 9-14

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 35
Nun singet und seid froh
Wochenlied:
EG 23
Gelobet seist du, Jesu Christ
Predigtlied:
EG 40,3-5
In diesem Lichte
Schlusslied:
EG 44
O du fröhliche

12 Jesus sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. 13 Da sprachen die Pharisäer zu ihm: Du gibst Zeugnis von dir selbst; dein Zeugnis ist nicht wahr. 14 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Auch wenn ich von mir selbst zeuge, ist mein Zeugnis wahr; denn ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe; ihr aber wisst nicht, woher ich komme oder wohin ich gehe. 15 Ihr richtet nach dem Fleisch, ich richte niemand. 16 Wenn ich aber richte, so ist mein Richten gerecht; denn ich bin's nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat.

Liebe Gemeinde!
In der sozialistischen Schule haben wir das Lied gesungen: „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit, Brüder zum Lichte empor! Hell aus dem dunklen Vergangnen leuchtet die Zukunft hervor.“
Dieses Lied hatte ein russischer Revolutionär 1897 in einem Moskauer Gefängnis geschrieben. Von dem Dirigenten Hermann Scherchen wurde es dann in die deutsche Sprache übertragen.
„Brüder zum Lichte empor!“ - in diesen Worten spiegelt sich die Sehnsucht der Arbeiterbewegung nach einer besseren Welt wider. Zugleich animiert dieses Lied dazu, die bessere Welt selbst mit zu verwirklichen.
In unserer Zeit wird dieses Lied nicht mehr gesungen. Denn die sozialistische Hoffnung auf eine bessere, gerechtere Welt hat sich nicht erfüllt. Mit der Wende kam sie endgültig auf den Abfallhaufen der Geschichte.
Dieses Lied ist sicher aber auch deshalb nicht mehr zu hören, weil generell Zukunftshoffnungen rar geworden sind. Denn nicht Hoffnungen, sondern Sorgen um die Zukunft bewegen die Menschen. Viele fragen ängstlich, wie sich die Reformen von Hartz IV ab Januar 2005 insgesamt auswirken werden.
Es gibt natürlich immer noch den verständlichen Wunsch nach einer besseren Welt, nach Licht im Leben, nach Frieden, nach Gerechtigkeit, nach Solidarität, nach Zusammenhalt. Aber die Realität ist oft eine ganz andere.
Und da hören wir nun - fast wie von einem anderen Planeten - die Worte Jesu: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Es ist schon ein sehr hoher Anspruch, den Jesus hier zur Geltung bringt. Stören sich daran die Pharisäer, wenn sie Jesus entgegnen: „Dein Zeugnis ist nicht wahr!“?
Eigentlich müssten sie doch begeistert sein und „Ah“ und „Oh“ schreien. Denn wenn Jesus aufzeigt, wie man zum Licht des Lebens gelangen kann, ist das doch eine gute Sache. Statt dessen meckern sie herum und kritisieren Jesus. Geht es also Jesus so wie manchen Politikern, die selbstbewusst vor Fernsehkameras großartige Reformen ankündigen. Doch die Leute jubeln nicht, sondern gehen auf die Straße, um gegen die Reformen zu demonstrieren. Und dann auch noch montags…
Sind die Pharisäer reformunwillig und träge, nicht bereit, sich auf Neues einzulassen? Warum bezeichnen sie Jesu Worte als unwahr?
Die Pharisäer tun dies, weil sie die Schrift kennen. Denn im 5.Buch Mose ist festgelegt, dass zwei oder drei Zeugen nötig sind, um eine Wahrheit zu bezeugen. Wenn also Jesus den Anspruch erhebt, Licht der Welt zu sein, dann müssten mindestens zwei Menschen sagen: „Wir bezeugen, dass Jesus die Wahrheit sagt.“ Aber diese zwei Zeugen hat Jesus nicht bei sich.
So gesehen haben die Pharisäer Recht, wenn sie sagen: „Dein Zeugnis ist nicht wahr.“ Doch halt - ist das richtig? Denn korrekt hätten die Pharisäer erst einmal fragen müssen: „Jesus, wo sind zwei Zeugen?“ Statt dessen haben sie sich ganz schnell eine endgültige Meinung gebildet. Aber das auch nur über den ersten Satz der Rede Jesu.
Jesus hat aber nicht nur den ersten Satz gesagt: „Ich bin das Licht der Welt.“ Sondern auch den zweiten: „Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Jesus hat zwar keine zwei Zeugen, die den ersten Satz als wahr bestätigen. Aber der zweite Satz ist die Einladung, durch Nachfolge selber zu erfahren, dass Jesus das Licht der Welt ist, dass er also die Wahrheit sagt.
Die Pharisäer blicken nur auf den ersten Satz Jesu. Und sprechen rasch ihr ablehnendes Urteil. Den zweiten Satz Jesu beachten sie überhaupt nicht. Sie lassen sich damit auf das, was Jesus sagt, überhaupt nicht ein. So wie die Pharisäer damals reagieren heute viele Menschen. Sie sprechen sofort und endgültig ihr Urteil über den Glauben. Sie sagen: „Gott gibt es nicht. Das ist alles Unsinn!“
Es gibt z.B. wenig konfessionslose Eltern, die ihr Kind zum Religionsunterricht anmelden. Dabei wäre es doch eine gute Möglichkeit für diese Kinder, die christliche Religion näher kennen zu lernen, um sich anschließend ein Urteil zu bilden.
So wie die Pharisäer wenig Interesse an Jesus zeigen, so ähnlich erleben wir das heute auch. Wie viele Menschen sind gegenüber dem christlichen Glauben gleichgültig! Und doch gibt es die Sehnsucht nach Licht, nach Leben, nach einer gerechteren Welt, auch wenn die Menschen nicht mehr singen: „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit.“
Gerade zu Weihnachten wird uns das immer wieder bewusst. Warum kommen denn so viele Menschen am Heiligen Abend in die Kirche? Doch nicht nur, um die Zeit bis zur Bescherung gefühlvoll zu überbrücken! Im Innersten gibt es dieses Verlangen nach Licht im Leben. Darum sind die Kirchen gefüllt.
Doch dieses Licht im Leben kann man nicht auf die Schnelle haben. Und genau das ist das Problem. Um die Wahrheit zu erfahren, dass Jesus das Licht des Lebens ist, muss man ihm nachfolgen. Man kann nicht aus einem Abstand heraus über seine Botschaft urteilen. Da käme man zu einem Fehlurteil wie die Pharisäer. Um das Licht des Lebens zu haben, ist es notwendig, sich für die Nachfolge Jesu persönlich zu entscheiden. Das heißt auch, dass man dafür Zeit investieren muss.
Viele Menschen fühlen sich in ihrer Sehnsucht am Heiligen Abend angesprochen. Doch dann wird diese Sehnsucht ganz schnell wieder verdrängt. So wie man etwas versteckt, was einem peinlich sein könnte.
Für uns ist nicht nur der Heilig-Abend-Gottesdienst wichtig. Wir wollen mehr von Weihnachten haben als nur etwas Flüchtiges oder Vorübergehendes. Für uns ist die Botschaft von Belang. Und diese Botschaft heute am 2.Weihnachtstag lautet: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Das Licht des Lebens ist Licht, das nicht blendet. Es gibt in dieser Welt immer auch Lichter, die uns blenden. Diese Lichter fallen natürlich sofort auf und erregen Aufmerksamkeit. Aber es sind Lichtquellen, in die man nicht sehen kann. Man soll nicht in sie schauen, um sie nicht zu durchschauen. Solche Lichter sind Ideologien.
Das Licht des Lebens ist Licht, das nicht blendet. Es gibt in dieser Welt immer auch Lichter, die blenden. D. h. sie sind zwar auf dem ersten Blick beeindruckend. Meistens deshalb, weil sie einfache Antworten geben.
Doch diese Lichter täuschen uns bewusst, weil sie uns irreführen möchten. Außenstehende sind z.B. oft geblendet von der Gemeinschaft innerhalb einer Sekte. Wie toll da die Mitglieder zusammenhalten. In den normalen Kirchengemeinden kann man schließlich sehr einsam sein. Doch wer genauer hinschaut, sieht auch den Druck und den Zwang zum gemeinsamen Miteinander. Jesus als Licht des Lebens blendet nicht.
Er ist nicht jemand, der in die Nachfolge ruft, um uns zu unterdrücken, um uns klein oder gefügig zu machen. Er will nicht über uns stehen, sondern neben uns. Denn er ist unser Bruder.
Das Licht des Leben ist ein Licht, das uns wärmt. Wärme bedeutet Geborgenheit. Wie arm wäre unser Leben ohne die Nachfolge Jesu! Uns würde die Beheimatung in der Gemeinde fehlen, dieses Gefühl einer tiefen Verbundenheit. Wenn wir die vielen schönen Weihnachtslieder singen, dann gehen die Gedanken zurück in die Vergangenheit. Geschehnisse von früher kommen uns in den Sinn. Oftmals ist es die Kindheit, an die wir zu Weihnachten erinnert werden. Und wie ein roter Faden durchzieht die Weihnachtsbotschaft alles Erlebte, alle Erinnerungen. Dieser rote Faden ist zugleich ein Band, das alles zusammenhält.
Wir spüren: dieser Jesus ist das Licht des Lebens, das unserem Leben Wärme spendet wie ein geheizter Kachelofen. Jesus als Licht des Lebens blendet uns nicht, aber es wärmt uns. Jesus macht uns dadurch fähig, sein Licht weiterzugeben und andere Menschen zu erwärmen. Denn das ist das Ziel: Jesus ist das Licht der Welt, damit auch wir leuchten.
Ich möchte darum mit einer kleinen Geschichte schließen von einer Familie, die umziehen musste: Familie Weber musste den Wohnsitz wechseln, weil Herr Weber mit dem Beginn des neuen Jahres nach Norddeutschland versetzt wurde. So musste nach Weihnachten gepackt werden, und es war sehr ungemütlich im Haus. Überall standen Kisten und gestapelte Kartons. Endlich kam der Möbelwagen, alles wurde verladen, und los ging es Ende Januar in die neue Heimat.
Ute, 3.Klasse, freute sich auf die neue Stadt und die neue Wohnung. Trotzdem war sie auch traurig, als sie von ihren Freundinnen Abschied nehmen musste. Sie war natürlich auch sehr gespannt, wie es in der neuen Schule sein würde. Als sie am ersten Schultag, es war der 2. Februar, nach Hause kam, war sie voller neuer Eindrücke.
„Stellt euch vor“ sagte sie ihren Eltern, „ in unserem Klassenraum hängen noch viele Lichter, die aus Pappe gebastelt sind. Und unsere Klassenlehrerin, Frau Bader, gab Thomas aus unserer Klasse ein solches Licht zum Aufhängen.“
„Das verstehe ich nicht“, sagte der Vater, „wissen die hier oben im Norden nicht, dass Weihnachten vorbei ist?“
Die Mutter aber meinte: „Am besten, du fragst deine Klassenlehrerin, warum das so ist.“
Ute vergaß am nächsten Tag zu fragen.
Denn in Mathe konnte sie eine Aufgabe an der Tafel nicht ausrechnen. Und das ärgerte sie sehr. Frau Bader sagte: „O Ute, da musst du zu Hause aber üben.“
Ihre Banknachbarin Andrea meldete sich: „Ich kann doch mit Ute üben, ich wohne nämlich in der Nähe.“
Es war ein schöner Nachmittag, als Andrea zu Ute kam. Die beiden lernten nicht nur, sondern spielten auch schön miteinander.
Am nächsten Tag fragte Frau Bader, wie die Zusammenarbeit geklappt hätte. Ute erzählte, dass Andrea ihr gezeigt hätte, solche Aufgaben zu rechnen. Nun hätte sie es begriffen. Außerdem sei Andrea ihre Freundin geworden.
„Wenn ihr einverstanden seid“, sagte Frau Bader zur Klasse, „ soll für Andrea ein Licht aufgehängt werden.“
Die Klasse stimmte zu und Martin erhielt die Aufgabe, das Licht aus einer Kiste zu holen und es zu den anderen Kerzen zu hängen.
Ute saß ganz still und schaute dem ganzen etwas erstaunt zu.
„Ich glaube“, sagte Frau Bader, „wir müssen der Ute etwas erklären. Wer möchte es tun?“
Einige Finger gingen in die Höhe, und Paul fing an:
„Vor Weihnachten haben wir Lieder vom Licht gesungen. Wir sollen doch auch wie Lichter sein.“
„Aber das ist noch nicht alles!“ ergänzte Frau Bader.
„Stimmt!“, rief Lisa, „ wir hatten vor Weihnachten überlegt, wie wir zu Weihnachten für andere Menschen Lichter sein können. Aber dann haben wir uns wieder mal furchtbar gezankt und geprügelt.“
„Und da hat Frau Bader gesagt“, fügte Marcel hinzu, „ wir sollten auch in der Klasse Lichter anmachen. Da haben wir dann diese Papplichter gebastelt.“
„Und wenn jemand z. B. einem anderen hilft“, sagte Frau Bader, „ oder einen Streit schlichtet, dann hängen wir für ihn ein Licht auf. So wie heute für Andrea.“
Christin hatte sich schon lange gemeldet. Darum nahm sie Frau Bader zum Schluss dran. „Ja, und Frau Bader hat gesagt: Das mit den Lichtern muss weitergehen, auch wenn Weihnachten vorbei ist. Deshalb gibt es bei uns Weihnachtslichter das ganze Jahr.“
Als Ute dies alles beim Abendbrot erzählte, sagte der Vater: „Wie gut, dass ich hierher versetzt wurde.“ Amen.

Verfasser: Pfr. Traugott Lucke, Hauptstr.57, 06577 Heldrungen

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