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Die Ordnungen Gottes

von Oliver Albrecht (65527 Niedernhausen)

Predigtdatum : 24.10.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 19. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Thessalonicher 4,1-8
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Wochenspruch:

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. (Micha 6,8)

Psalm: 119,101-108 (EG 748)

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 8,18-22
Epistel:
1. Thessalonicher 4,1-8
Evangelium:
Markus 10,2-9 (10-16)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 445
Gott des Himmels und der Erden
Wochenlied:
EG 295
Wohl denen, die da wandeln
Predigtlied:
EG 129
Freut euch, ihr Christen alle
Schlusslied:
EG 157
Lass mich dein sein und bleiben

Liebe Gemeinde,
der heutige Predigttext ist bei Christen entstanden, die mit Schrecken festgestellt haben, dass sie meist auch nicht besser sind als andere Menschen. Ich lese den Anfang von Kapitel 4 des 1. Thessalonicherbriefes:
1 Wir bitten und ermahnen euch in dem Herrn Jesus - da ihr von uns empfangen habt, wie ihr leben sollt, um Gott zu gefallen, was ihr ja auch tut -, dass ihr darin immer vollkommener werdet. 2 Denn ihr wisst, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesus. 3 Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Unzucht 4 und ein jeder von euch seine eigene Frau zu gewinnen suche in Heiligkeit und Ehrerbietung, 5 nicht in gieriger Lust wie die Heiden, die von Gott nichts wissen. 6 Niemand gehe zu weit und übervorteile seinen Bruder im Handel; denn der Herr ist ein Richter über das alles, wie wir euch schon früher gesagt und bezeugt haben. 7 Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinheit, sondern zur Heiligung. 8 Wer das nun verachtet, der verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der seinen Heiligen Geist in euch gibt.
Liebe Gemeinde,
vor ein paar Wochen ist unsere Kaffeemaschine kaputt gegangen. Meine Frau hat eine neue gekauft, und ich habe mich am Abend hingesetzt, das Ding ausgepackt und mich an die Bedienungsanleitung gemacht. Schließlich wollte ich am nächsten Morgen keine Zeit verlieren, sondern nur noch das berühmte Knöpfchen drücken.
Inmitten von Unmengen wiederverwertbaren Verpackungsmaterials fand ich schließlich eine 96 Seiten dicke Bedienungsanleitung. Staunend über die Vielzahl der Sprachen und Schriftzeichen in unserer globalen Marktwirtschaft fand ich schließlich einen Text, den ich zu verstehen schien.
Aber nur scheinbar. Es war zwar deutsch, aber nicht deutlich. Vor allem, und das hat mich verunsichert, es gab keine Auskunft, wie man mit dem von meiner Frau käuflich erworbenen Gerät denn nun Kaffee kochen könnte.
Mein Eindruck: Kaffeekochen ist in der Zwischenzeit zu einer hochgefährlichen Angelegenheit geworden. Achtung! Vor Inbetriebnahme unbedingt lesen! Warnhinweise, wohin ich schaute.
„Stellen Sie das Gerät nicht auf die brennende Flamme eines Gasherdes.“ Ich strich über das Plastikgehäuse unseres neuen Gerätes und sagte: „Niemals werde ich dir das antun“. Und dann die Piktogramme, diese kleinen unmissverständlichen Bildchen. Am meisten betroffen gemacht hat mich der Hinweis, dass ich eingeschaltete Elektrogeräte nicht mit unter die Dusche nehmen darf. Wie man mit dem Ding Kaffee kocht, habe ich nicht erfasst, und am nächsten Morgen gab’s Tee.
Liebe Gemeinde, wir Christen sind genauso. Wir haben’s geschafft nach 2000 Jahren, dass die Leute vor lauter Warnhinweisen gar nicht mehr begreifen, worum’s bei Jesus geht. Warnhinweise entstehen aus Angst, etwas könnte kaputt gehen. Klar: Eine Kaffeemaschine auf dem brennenden Gasherd geht kaputt wie ein von Habgier geplagter Christ, um ein Beispiel aus dem Predigttext zu nehmen.
Insofern sind Warnhinweise nicht falsch. Warnhinweise sind gut für Menschen, die noch nicht verstanden haben, worum’s eigentlich geht. Zunächst am Beispiel der Kaffeemaschine: Ich habe vom Wesen einer Kaffeemaschine noch gar nichts begriffen, wenn ich nur weiß, dass ich sie nicht auf den brennenden Gasherd stellen darf. Das sollte ich mit den wenigsten Gegenständen tun. Diese Information sagt mir noch nichts über das Funktionieren der Kaffeemaschine.
Genauso wenig erfahre ich über Jesus und die Christen, wenn es heißt, sie sollen nicht habgierig sein. Habgierige Menschen sind an sich unangenehme Zeitgenossen, ob sie nun Christen sind oder nicht.
Und keinen Schritt weiter komme ich, wenn ich versuche, die Sache mit Zusatzinformationen und weiteren Warnhinweisen sozusagen einzukreisen. Selbst, wenn ich alles wüsste, was ich mit der Kaffeemaschine nicht tun darf, könnte ich noch keinen Kaffee kochen.
Selbst, wenn ich alles weiß, was Christen nicht tun dürfen, weiß ich noch nichts über Jesus.
Ich sage das deshalb, weil wir genauso moralgläubig sind wie die Christen in Thessalonich. Damals hingen nicht nur in den Häusern der Christen kleine Täfelchen, auf denen stand, was o.k. ist und was nicht. Die Christen haben das übernommen, die Normen ein wenig verschärft nach dem Motto: Wir sind noch ein bisschen mehr o.k. als der Rest der Welt.
Das Spielchen läuft unter neuer Überschrift auch heute. Das Gefährliche: Jeder Satz ist richtig und lenkt zugleich vom Wesentlichen ab. Richtig sind diese Sätze, weil ein Christ auch in seinem Verhalten Christ ist. Aber sie lenken ab von der eigentlichen Frage.
Ich will’s am zweiten Beispiel im Predigttext deutlich machen: Unzucht. Also konkret: Darf ein Christ in eine Peep-Show gehen? Was meinen Sie?
Ich meine, dass schon die Frage absurd ist. Genauso absurd wie die Vorstellung eine Kaffeemaschine - eingeschaltet oder nicht - mit in die Dusche zu nehmen. Das Ding soll Kaffee kochen, damit ich in Ruhe duschen kann. Eine Kaffeemaschine hat in der Dusche so wenig zu suchen wie ein Christ in einer Peep-Show.
Das Gefährliche an der Moral ist, sich überhaupt auf ihre Fragestellung einzulassen. Man verwickelt sich in völlig sinnlose Diskussionen. Es gibt nichts Groteskeres als die ungezählten Versuche einer kirchlichen Sexualmoral: was alles warum verboten und erlaubt ist. Kirchliche Sexualmoral ist für mich das Beispiel, wie man perfekt verhindern kann, dass Menschen zu Christen werden.
Ich kann etwas nur verstehen, wenn ich nicht mehr frage: Was darf ich alles nicht damit machen? sondern: Wozu ist das da? Wozu ist eine Kaffeemaschine da? Logisch. Wozu ist ein Christ da? Auch logisch: um von Jesus geliebt zu werden und sein Mitarbeiter in dieser Welt zu werden.
Wenn ich den Sinn einer Sache verstanden habe, verliere ich die Angst, etwas falsch zu machen. Dann denke ich nicht mehr negativ, Fehler vermeidend. Dann bin erfüllt, hab’s verstanden und mache das, wozu es da ist: Kaffee kochen, Gemeinde Jesu Christi bauen.
Bestimmte Fragen stellen sich nicht mehr. Bestimmte Sachen würden mir noch nicht einmal einfallen. Im Text heißt es: über bestimmte Sachen wird bei euch noch nicht einmal gesprochen. Jetzt verstehe ich’s: nicht weil wir besser sind, sondern weil wir uns auf bestimmte Fragestellungen nicht mehr einlassen brauchen. Weil wir unsere Zeit brauchen, um Gottes Sache auf dieser Welt voranzutreiben.
Wissen Sie, manche ethischen Diskussionen haben so eine scheinbare Logik: Jeder Satz ist für sich genommen korrekt, aber am Ende hat man ein merkwürdiges Gefühl. Es kommt schon auf die richtige Frage an, und falsche Fragen können nur falsche Antworten ergeben. Lassen Sie uns z. B. über die Frage diskutieren, ob man Kaffeemaschinen mit in die Dusche nehmen kann, und wir werden nach zwei, drei Stunden ganz ernsthaft behaupten, dass man sie dazu wasserdicht verpacken muss.
Wir Christen dürfen nicht auf die falschen Fragen eingehen. Wir müssen nicht jede Frage beantworten, nicht jede Diskussion mitführen. Wir müssen als allererstes wieder viel klarer kapieren, was wir in Gottes Namen hier eigentlich auf der Erde sollen.
Wer dazu seine ganze Kraft verwendet, wird spüren, wie wunderbar und liebevoll Gott dann wirken kann. Christsein heißt: spüren, wozu ich da bin, wozu ich geschaffen wurde. Es gibt nichts Schöneres, als ganz tief davon erfüllt zu sein: wozu ich da bin.
Wozu sind wir Christen da? Wir sollen die Gemeinde Jesu Christi bauen, diesen Stützpunkt, diesen Brückenkopf des Reiches Gottes in dieser Welt. Es gibt kein größeres Projekt auf dieser Erde, nichts Aufregenderes und nichts, was mehr Erfüllung schenkt.
Christsein heißt nicht: wissen, was verboten ist. Sondern: begreifen, wozu ich da bin. Amen.

Verfasser: Pfr. Oliver Albrecht, Fritz-Gontermann-Str. 4, 65527 Niedernhausen

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